Flo (Teil 1)
Der 1963 in Charkiw geborene Schriftsteller und bildende Künstler Alexander Milstein lebt seit 1995 in München. Nach dem Studium der Mathematik beginnt er 1988 zu schreiben. Seitdem hat er acht Prosa-Bücher veröffentlicht, die Hälfte davon in Russland und die andere Hälfte in der Ukraine, wo 2017 das Buch Pyatipol erscheint, in dem neben Texten erstmals Bilder des Autors zu sehen sind. Seine Geschichten werden auch in der Süddeutschen Zeitung und der Zeitschrift Der Freund veröffentlicht. 2017 nimmt er an Eine Brücke aus Papier in Kijiw teil. 2023 illustriert Milstein den Band Durch die Zeiten und trägt außerdem einen Text dazu bei. Seine Malerei bezieht sich teilweise auf seine literarischen Werke. Er zeigt sie in Ausstellungen und fügt sie seit Pjatipol auch in seine Bücher ein.
*
1. Big Swim HmbH (Handlung mit beschränkter Haftung)
Nach dem Meeting ging er in die Küche, fand die Kaffeekanne leer und trug sie zur Spüle, um sie zu füllen. Jörg erschien in der Tür und begann zu lachen, warf den Kopf zurück und zeigte mit dem Finger auf Flo.
„Hehehe“, sagte Jörg, „ich will euch alle zusammen schwimmen sehen, ihr Seehundchen! Seezamperln!”
„Du wirst schon sehen. Der Chef hat gesagt, das Schwimmen würde vom Boot aus gefilmt und der Trailer dann auf der Internetseite der Firma veröffentlicht. Aber was ist daran so lustig?”
„Verstehst du das wirklich nicht?”
„Was?”
„Hast du Fantozzi gegen alle gesehen? Eine uralte italienische Komödie, in der es die gleiche Situation gibt: alle Angestellten der Firma werden gezwungen, ein Massenradrennen zu machen, nur weil der Chef der Firma gerne Rad fährt. Im Großen und Ganzen eine ziemlich lustige Komödie, ich habe als Kind viel gelacht, als ich sie gesehen habe, und jetzt muss ich genauso lachen. Das ist jetzt das Gleiche – Fantozzi Contro Tutti!“
„Unsinn“, sagte Flo und schaute auf die Kaffeemaschine, die laute Kehlkopfgeräusche von sich gab.
„Ja, es war eine Thrash-Komödie“, stimmte Jörg zu, „umso amüsanter, dass wir jetzt da drin sind.”
„So ist es nicht. Es ist nur so, dass ich gerne schwimme. Und wenn ich nicht wollte, würde ich nicht schwimmen. Das ist kein Zwang, das ist alles freiwillig, wenn man bedenkt, dass von siebenhundert Mitarbeitern zirka zweihundert teilnehmen. Ich glaube nicht, dass alle anderen nicht schwimmen können oder so schlecht schwimmen. Es ist einfach so: Wer schwimmen will, schwimmt, und wer nicht schwimmen will, schwimmt nicht. Du zum Beispiel!"
„Aber hast du mir nicht gerade gesagt, dass ich aufpassen muss, weil der Chef …”
„Das war doch ein Scherz!”
***
Als Flo den grünen Ball sah, der leise auf der silbernen Oberfläche rollte, erinnerte er sich daran, wie ihr Zimmer von der Straße aus aussah.
Der Ball war Jörg von einem Physiotherapeuten verschrieben worden, um seine Schmerzen im unteren Rücken zu lindern. Er hatte nicht lange darauf gesessen, weil er sich dann schlecht konzentrieren konnte, und der Ballon hatte angefangen, im Zimmer herumzurollen, bis Jörg ihn in die hintere Ecke des Raumes schob.
Jetzt, da sich der Abstand zum Ball verkürzt hatte, stellte Flo fest, dass dieser Ball wahrscheinlich halb so groß war wie der in ihrem Zimmer, und dass er nicht einfarbig grün war, sondern braune oder ockerfarbene Flecken hatte.
Trotzdem ließ ihn der Gedanke nicht los, dass es Jörgs Ball war, der aus dem Gebäude in den See gelangt war ... Flo erinnerte sich an einen Wasserball-Witz, den ihm ein neuer Mitarbeiter kürzlich erzählt hatte. „Gebt Fritz den Ball! – schreit der Trainer von der Tribüne, – gib Fritz den Ball! Sofort!!!“... Und nach dem Spiel kommt ein Spieler seiner Mannschaft zu ihm und sagt: „Warum haben Sie so geschrien, ich habe ein Tor geschossen?“ – „Du hast ein Tor geschossen“, sagt der Trainer traurig, „und Fritz ist ertrunken.”
Doch bald schrumpfte der Abstand zwischen ihm und dem Mann mit dem Ball noch weiter, und Flo erkannte, dass es ganz sicher nicht Jörg war, der sich auf diese Weise über seine Kollegen lustig machen wollte. Der Ball flog plötzlich nach oben, ziemlich hoch ... Flo schwamm nun etwas weiter weg, als ob er den Fremden einholen wollte, obwohl er gar nicht versuchte, ihn einzuholen, im Gegenteil, er versuchte, sich zu entfernen, indem er seinen Kurs änderte, aber da sie beide vom Ufer wegschwammen, machte er irgendwie – wie es eben so ist, wenn man einen Schritt nach rechts macht, um jemanden vorbeizulassen, und der macht zufällig auch einen Schritt dieselbe Richtung, und dann gleichzeitig – einen in die andere Richtung ... Durch dieses unwillkürliche Synchronschwimmen folgte Flo dem Fremden einige Zeit, und der Abstand zwischen ihnen verringerte sich so sehr, dass Flo in den Flecken auf dem türkisen Ball die Umrisse der Kontinente der Erde erkannte, und in dem Fremden nicht nur nicht Jörg, sondern auch keinen anderen Mitarbeiter der Firma.
Dieser Mann hatte keine gelben Käppchen, beeilte sich nicht und schwamm gerade gar nicht, sondern plätscherte in der Mitte des Sees. Es wirkte, als würde er über den Grund gehen, obwohl der See hier tief war.
Erneut warf der Fremde seine schwimmende Kugel nach oben, wahrscheinlich mit der Hand, aber von der Seite sah es so aus, als würde er sie mit der Nase stupsen wie ein Delphin oder ein Seehund im Zirkus.
Gleichzeitig blitzten in Flos Kopf Schwarzweißbilder auf: Charlie wirft den gleichen ... nein, nein, einen größeren, also den gleichen wie auf dem Schrank im Büro, aber genauso gefärbt wie der hier im See – den „Globus“ eben … der im Film unter der Kuppel des Büros des großen Diktators aufsteigt, die so hoch wie eine Kathedrale ist.
Die Kugel flog wieder hoch und landete ganz nah bei Flo, als würde der Fremde ihm tatsächlich ... unaufdringlich anbieten, mit ihm Wasserball zu spielen.
Flo begriff, dass er seinen Kurs schärfer ändern musste, und schwamm parallel zum Ufer, um dann seine Route fortsetzen zu können, aber ohne die Gefahr eines Zusammenstoßes, was besonders lächerlich gewesen wäre. Schließlich war das nicht das am Abend überfüllte Bad, in das Flo zweimal pro Woche ging, wo solche Zusammenstöße leider vorkamen. Das hier war der Starnberger See, wo sich in Sichtweise Flos außer dem Fremden in diesem Moment niemand aufhielt.
Es hatte etwas Faszinierendes, wenn ein Globus mitten in einem menschenleeren See aufflog.
Beim nächsten Halt hörte Flo den ersten Schrei – keinen lauten, denn er drang von weit her über das Wasser – vom grünen Ufer.
„Superposition, halt“, dachte Flo, „Wasserpolo aus der Anekdote und Landpolo aus dem Stadion, verdammt, die Meisterschaft ... Heute spielt unsere Mannschaft”, erinnerte sich Flo, „das heißt es gibt kein Entkommen, selbst wenn man mitten auf dem See ist.“
Es kam ihm vor, als hätte sich der ganze See für den Augenblick in ein Stadion verwandelt, nur dass anstelle eines grünen Feldes mit einem grauen Ring ein grüner Streifen um die abgerundeten Kanten geschmiert war, und in der Mitte war alles stahlgrau, und dieser Ball, ja ... war aus irgendeinem Grund wie ein Globus bemalt.
Irgendetwas daran war so bizarr, dass Flo das dringende Bedürfnis verspürte mit dem Denken aufzuhören ... Geleitet von dem Vorsatz „Hör auf zu denken!“, steigerte er sein Tempo, und nun schnitten seine Arme doppelt schnell ins Wasser, und Flos Ein- und Ausatmung waren nicht mehr vier, sondern zwei Striche: Strich – Einatmung unter dem Arm, und – Ausatmung ins Wasser, und – Einatmung ...
Er war so spät zum Schwimmstart gekommen, dass er keine Hoffnung mehr hatte, seine Kollegen einzuholen – sie waren nicht einmal mehr zu sehen. Er hatte nicht nur nicht die Absicht, ihnen bis zum anderen Ufer zu folgen, sondern stieg vom Steg ins Wasser, da er sowieso hierhergekommen war, um ein bisschen zu baden.
Das Wasser des Sees fühlte sich seltsamerweise wärmer an, als Flo vom Steg wegschwamm, und es war nicht die Gewöhnung, nein, es gab einen deutlichen Temperaturanstieg, eine Art warme Strömung.
Die Tiefe des „Golfstroms“ im See war gering, und beim Tauchen oder auch nur beim Absenken seiner Füße während seiner Zwischenstopps spürte Flo sofort die Unterwasser-Gefrierkammer.
Aber die Wärmeschicht war ausgedehnt – überall außer am Rand in Ufernähe befand sich eine Wärmeschicht unter der Oberfläche des Sees wie eine riesige Linse, und Flo beschloss, darin weiter zu schwimmen.
Er hatte nicht die Absicht, den See zu durchschwimmen, der an dieser Stelle etwa zweieinhalb Kilometer breit war, und wenn er dem Weg des Big Swim folgte (die Route war auf der Website des Unternehmens als gestrichelte Linie mit Pfeilen dargestellt), müsste er weiter schwimmen, denn der Swim verlief nicht senkrecht zum Ufer, sondern diagonal.
Flo wandte seinen Blick vom gegenüberliegenden Ufer in Richtung Seeshaupt und sah, dass sich das Ufer in dieser Entfernung in blauen Ozondunst auflöste, die Alpen schienen sich direkt aus dem metallisch glänzenden Wasser zu erheben, als würden die Wellen des Sees sie dort in der Ferne tatsächlich erreichen und ihre Ausläufer streifen.
Er hatte diese Perspektive selten gesehen, wenn er schwamm, mit dem rechten Auge, von dem das Wasser keine Zeit hatte abzulaufen, und fast immer schaute er auf die Wasserwand, die monoton grün war, während draußen das ganze Spektrum von Titanweiß bis Lichtblau zu sehen war, in das sich jetzt die Reflexe von Segeln verschiedener Farben und Schattierungen mischten – von irgendwoher war eine Regatta gekommen.
Doch mit demselben feuchten rechten Auge bemerkte Flo beim nächsten Schlag und Atemzug einen großen weißen Fleck, unterbrach für eine Weile das Kraulen und ließ die Füße in das eiskalte Wasser unter ihm, um leise mit den Füßen darüber zu gleiten.
Bevor das Schiff wendete und parallel zum Ufer weiterfuhr, bemerkte Flo, dass es sich um einen Katamaran mit drei Decks handelte, vor dem zwischen seinen beiden weißen Bögen eine grüne Menschengestalt stand, die Flo im ersten Moment wie ein Frosch erschien.
Flo schwebte in der Mitte des Sees, betrachtete das Schiff und dachte, dass dieses Ungetüm mit seinen Glasböden wie ein herausgebrochenes Stück aus dem Gebäude seiner Firma wirkte.
Er sah sich um und stellte fest, dass das ferne Ufer bereits zum nahen Ufer geworden war. „Trotzdem ist es Zeit, zurückzuschwimmen“, dachte er, „ich muss später sowieso zurückschwimmen, warum also an Land gehen ...“ Wieder schwamm er schnell vorwärts, was durch nichts zu erklären war, auch nicht durch den Wunsch, das ungewohnte Gefühl zu verlängern, das durch die Sauerstoffversorgung des Gehirns noch verstärkt wurde, denn die ganze Chemie hätte weiter funktioniert, wenn Flo in die andere Richtung geschwommen wäre.
Offenbar befand er sich auf einer Art Einbahnstraße.
***
Flo hielt an, hob den Kopf, um sich das Wasser aus den Augen perlen zu lassen, und suchte sich eine Stelle im Schilf, an der er aussteigen konnte – das Ufer war nur noch fünfzig Meter entfernt.
Als er die Äste beiseiteschob und das Zelt vor sich sah, trat Flo instinktiv zurück ins Wasser – er hatte immer noch einen Fuß im See ... Aber er dachte, dass es in Ordnung ging, da er hierher geschwommen war, warum sollte er weglaufen, als wäre er eine Krabbe oder ein Flusskrebs ... es wäre sogar lustig … als wäre er beim Schwimmen wild und hätte nun Angst vor Menschen.
Das Zelt war wahrscheinlich ein Tageszelt, d. h. ein Schattenspender – ein Vorzelt ... „Es ist unwahrscheinlich, dass die beiden darin geschlafen haben, aber andererseits – es gibt hier so viel Schatten, das Grün ist so dicht ... sie müssen doch darin geschlafen haben“, dachte Flo und wollte gerade am Ufer entlang weiter nach links gehen, wo er die zweite Lücke, d. h. Lichtung bemerkt hatte, als er heraufkam, doch plötzlich sah er aus dem Augenwinkel – er sah sie nicht an, nicht mal indirekt, sondern versuchte, sie überhaupt nicht anzusehen – das Gesicht des Mädchens … es kam ihm bekannt vor, also drehte er den Kopf und sah sie genauer an.
„Nein“, sagte er, „es tut mir leid, ich habe mich geirrt.”
Das Mädchen lachte, und auch der Junge lächelte.
Flo dachte, dass sie ungefähr in ihren Zwanzigern sein mussten.
„Bist du von dem anderen Ufer?” – fragte das Mädchen. Flo dachte, dass es ihm gefiel, dass sie ihn duzte, wenn sie „Sie“ gesagt hätte, wäre er verärgert gewesen, wie er es immer war, wenn junge Mädchen „siezen“.
Er stand mit dem Rücken zum See vor ihnen, das Wasser tropfte von ihm ab, er wollte immer noch seine Badehose ausziehen, um die Kälte in seinem Unterleib nicht zu spüren. Aber die Sonne schien, als wäre er nicht zwei oder drei, sondern zweitausend Kilometer nach Süden geschwommen, und als er aus dem Schatten trat, in dem er vorher gestanden hatte, spürte er nach einer Minute den nassen Stoff nicht mehr.
„Nun ja“, sagte Flo, „ich bin im Kriechgang hergekommen ... Tut mir leid, ich konnte euer Zelt vom See aus nicht sehen, ihr seid so gut getarnt ... Also habe ich sozusagen aus Versehen hier angedockt.”
„Kennen Sie den Spielstand?”, fragte der Kerl.
„Nein“, sagte Flo.
„Aber wir wissen ihn“, schüttelte der Junge sein iPhone in der Luft. „4:1! Für uns!”
„Ich bin froh“, sagte Flo.
„Was tippst du für das Finale?”, fragte das Mädchen.
„Wie bitte?” Plötzlich merkte er, dass seine Hände darum bettelten, weiter zu schwimmen, und er wollte weiter so tief atmen wie beim Kraulen ... aber er schämte sich, vor dem jungen Paar mit den Armen zu schlenkern: In ihren Augen sah er sicherlich aus wie ein alter Freak.
„Also, wer wird im Finale stehen?”
„Schau“, sagte Flo, „ich weiß es nicht. Was glaubst du, was ich bin, ein Oktopus? Der … wie heißt er?”
„Paul!“, sagte das Mädchen, und lachte.
„Stimmt, du musst mich mit Paul verwechseln.”
Der Junge lächelte auch und sagte: „Nein, wir verwechseln nichts.”
„Ihr schon“, sagte Flo und setzte sich plötzlich vor den beiden auf das Gras. „Du hast mich verwirrt, und ich war schon ein bisschen …” Er hörte auf zu reden.
„Was? Verwirrt im Leben?”, schlug das Mädchen vor.
„Nein”, sagte Flo, „gerade im Moment.“
„Warum so plötzlich?”
„Weiß der Teufel ... das Wasser, nehme ich an. So viel Wasser, eine ungeheure Masse von Wasser ... Es sieht sauber aus und schmeckt sauber ... Aber wer weiß, was drin ist.”
„Das Wasser hier ist ziemlich sauber“, sagte der Junge.
„Es sieht sauber aus”, sagte Flo, „aber ich habe neulich gelesen, es sind so viele Beruhigungsmittel und Neuroleptika in unseren Gewässern, dass zum Beispiel Krebse verrückt werden, stell dir vor: Krebse verlieren die Orientierung und gehen nicht in die dunklen Tiefen unter Wasser, wo sie normalerweise leben, sondern schwimmen nach oben zur Oberfläche ... und da sterben sie. Die Flusskrebspopulation ist deshalb stark rückläufig.
„Woran sterben sie dann?”, fragte das Mädchen. „An unseren Antidepressiva?”
„Das glaube ich nicht ... nicht an den Medikamenten selbst, sondern nur an der überschüssigen Wärme und dem Licht in den oberen Wasserschichten, so wie ich es verstehe”, sagte Flo, „kannst du dir das vorstellen?”
„Nö“, sagte der Junge, „ich meine, ich wusste, dass man so feststellen kann, wieviel Koks eine Stadt konsumiert – anhand der Konzentration im Küstenwasser, das habe ich gelesen, ja.”
„Nun, was macht das für einen Unterschied?” sagte Flo. „Ich kenne mich mit Pharmakologie nicht so gut aus, da stand etwas von Hormonen im Wasser der städtischen Reservoirs ... nun, Hormone bleiben im Urin und gelangen in die Reservoirs, so in der Art.”
„Lass uns über etwas Anderes reden!”, sagte das Mädchen und lächelte.
„Es tut mir leid“, sagte Flo, „dass ich störe, ich gehe jetzt.“
„Du meinst, du wirst schwimmen?”, lachte das Mädchen. Sie war wirklich gut, und Flo spürte, dass er zitterte, und dass es bei diesem Sonnenschein wohl kaum ein Nachzittern war, das Wasser auf seinem Körper war völlig weg, und seine Badehose war fast trocken.
„Ich will mich nur ein bisschen abtrocknen“, sagte Flo.
„Na, dann trockne dich hier ab“, sagte sie, „wir stehen dir nicht im Weg.”
„Ja“, sagte Flo, „aber ich euch, fürchte ich.”
„Und du uns auch nicht!”, sagte sie. „Stimmt’s, Nick?“
Nick nickte stumm, aber das reichte dem Mädchen nicht, und sie stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite.
„Wirklich, wirklich”, nickte Nick, „möchten Sie eins?”
„Wir können zum Du wechseln gehen“, sagte Flo.
„Willst du ein Bier?”
„Nein“, sagte Flo, „ich mag weder Bier noch Fußball ... Ich bin ein ziemlich seltsamer Münchner.”
„Du bist ein Münchner?"
„Ja, ich bin ein Münchner Kindl.”
„Du bist ein Mann vom anderen Ufer!”, sagte sie lächelnd. „Und wie heißt du?”
„Ich heiße Mathias“, sagte Flo, der sich aus irgendeinem Grund an seine Rolle in einem Amateurfilm erinnerte, den sein Schulfreund einmal gedreht hatte. „Mathias Kneißl.”
Der 2. Teil von Flo erscheint in einer Woche (21.3.25).
Flo (Teil 1)>
Der 1963 in Charkiw geborene Schriftsteller und bildende Künstler Alexander Milstein lebt seit 1995 in München. Nach dem Studium der Mathematik beginnt er 1988 zu schreiben. Seitdem hat er acht Prosa-Bücher veröffentlicht, die Hälfte davon in Russland und die andere Hälfte in der Ukraine, wo 2017 das Buch Pyatipol erscheint, in dem neben Texten erstmals Bilder des Autors zu sehen sind. Seine Geschichten werden auch in der Süddeutschen Zeitung und der Zeitschrift Der Freund veröffentlicht. 2017 nimmt er an Eine Brücke aus Papier in Kijiw teil. 2023 illustriert Milstein den Band Durch die Zeiten und trägt außerdem einen Text dazu bei. Seine Malerei bezieht sich teilweise auf seine literarischen Werke. Er zeigt sie in Ausstellungen und fügt sie seit Pjatipol auch in seine Bücher ein.
*
1. Big Swim HmbH (Handlung mit beschränkter Haftung)
Nach dem Meeting ging er in die Küche, fand die Kaffeekanne leer und trug sie zur Spüle, um sie zu füllen. Jörg erschien in der Tür und begann zu lachen, warf den Kopf zurück und zeigte mit dem Finger auf Flo.
„Hehehe“, sagte Jörg, „ich will euch alle zusammen schwimmen sehen, ihr Seehundchen! Seezamperln!”
„Du wirst schon sehen. Der Chef hat gesagt, das Schwimmen würde vom Boot aus gefilmt und der Trailer dann auf der Internetseite der Firma veröffentlicht. Aber was ist daran so lustig?”
„Verstehst du das wirklich nicht?”
„Was?”
„Hast du Fantozzi gegen alle gesehen? Eine uralte italienische Komödie, in der es die gleiche Situation gibt: alle Angestellten der Firma werden gezwungen, ein Massenradrennen zu machen, nur weil der Chef der Firma gerne Rad fährt. Im Großen und Ganzen eine ziemlich lustige Komödie, ich habe als Kind viel gelacht, als ich sie gesehen habe, und jetzt muss ich genauso lachen. Das ist jetzt das Gleiche – Fantozzi Contro Tutti!“
„Unsinn“, sagte Flo und schaute auf die Kaffeemaschine, die laute Kehlkopfgeräusche von sich gab.
„Ja, es war eine Thrash-Komödie“, stimmte Jörg zu, „umso amüsanter, dass wir jetzt da drin sind.”
„So ist es nicht. Es ist nur so, dass ich gerne schwimme. Und wenn ich nicht wollte, würde ich nicht schwimmen. Das ist kein Zwang, das ist alles freiwillig, wenn man bedenkt, dass von siebenhundert Mitarbeitern zirka zweihundert teilnehmen. Ich glaube nicht, dass alle anderen nicht schwimmen können oder so schlecht schwimmen. Es ist einfach so: Wer schwimmen will, schwimmt, und wer nicht schwimmen will, schwimmt nicht. Du zum Beispiel!"
„Aber hast du mir nicht gerade gesagt, dass ich aufpassen muss, weil der Chef …”
„Das war doch ein Scherz!”
***
Als Flo den grünen Ball sah, der leise auf der silbernen Oberfläche rollte, erinnerte er sich daran, wie ihr Zimmer von der Straße aus aussah.
Der Ball war Jörg von einem Physiotherapeuten verschrieben worden, um seine Schmerzen im unteren Rücken zu lindern. Er hatte nicht lange darauf gesessen, weil er sich dann schlecht konzentrieren konnte, und der Ballon hatte angefangen, im Zimmer herumzurollen, bis Jörg ihn in die hintere Ecke des Raumes schob.
Jetzt, da sich der Abstand zum Ball verkürzt hatte, stellte Flo fest, dass dieser Ball wahrscheinlich halb so groß war wie der in ihrem Zimmer, und dass er nicht einfarbig grün war, sondern braune oder ockerfarbene Flecken hatte.
Trotzdem ließ ihn der Gedanke nicht los, dass es Jörgs Ball war, der aus dem Gebäude in den See gelangt war ... Flo erinnerte sich an einen Wasserball-Witz, den ihm ein neuer Mitarbeiter kürzlich erzählt hatte. „Gebt Fritz den Ball! – schreit der Trainer von der Tribüne, – gib Fritz den Ball! Sofort!!!“... Und nach dem Spiel kommt ein Spieler seiner Mannschaft zu ihm und sagt: „Warum haben Sie so geschrien, ich habe ein Tor geschossen?“ – „Du hast ein Tor geschossen“, sagt der Trainer traurig, „und Fritz ist ertrunken.”
Doch bald schrumpfte der Abstand zwischen ihm und dem Mann mit dem Ball noch weiter, und Flo erkannte, dass es ganz sicher nicht Jörg war, der sich auf diese Weise über seine Kollegen lustig machen wollte. Der Ball flog plötzlich nach oben, ziemlich hoch ... Flo schwamm nun etwas weiter weg, als ob er den Fremden einholen wollte, obwohl er gar nicht versuchte, ihn einzuholen, im Gegenteil, er versuchte, sich zu entfernen, indem er seinen Kurs änderte, aber da sie beide vom Ufer wegschwammen, machte er irgendwie – wie es eben so ist, wenn man einen Schritt nach rechts macht, um jemanden vorbeizulassen, und der macht zufällig auch einen Schritt dieselbe Richtung, und dann gleichzeitig – einen in die andere Richtung ... Durch dieses unwillkürliche Synchronschwimmen folgte Flo dem Fremden einige Zeit, und der Abstand zwischen ihnen verringerte sich so sehr, dass Flo in den Flecken auf dem türkisen Ball die Umrisse der Kontinente der Erde erkannte, und in dem Fremden nicht nur nicht Jörg, sondern auch keinen anderen Mitarbeiter der Firma.
Dieser Mann hatte keine gelben Käppchen, beeilte sich nicht und schwamm gerade gar nicht, sondern plätscherte in der Mitte des Sees. Es wirkte, als würde er über den Grund gehen, obwohl der See hier tief war.
Erneut warf der Fremde seine schwimmende Kugel nach oben, wahrscheinlich mit der Hand, aber von der Seite sah es so aus, als würde er sie mit der Nase stupsen wie ein Delphin oder ein Seehund im Zirkus.
Gleichzeitig blitzten in Flos Kopf Schwarzweißbilder auf: Charlie wirft den gleichen ... nein, nein, einen größeren, also den gleichen wie auf dem Schrank im Büro, aber genauso gefärbt wie der hier im See – den „Globus“ eben … der im Film unter der Kuppel des Büros des großen Diktators aufsteigt, die so hoch wie eine Kathedrale ist.
Die Kugel flog wieder hoch und landete ganz nah bei Flo, als würde der Fremde ihm tatsächlich ... unaufdringlich anbieten, mit ihm Wasserball zu spielen.
Flo begriff, dass er seinen Kurs schärfer ändern musste, und schwamm parallel zum Ufer, um dann seine Route fortsetzen zu können, aber ohne die Gefahr eines Zusammenstoßes, was besonders lächerlich gewesen wäre. Schließlich war das nicht das am Abend überfüllte Bad, in das Flo zweimal pro Woche ging, wo solche Zusammenstöße leider vorkamen. Das hier war der Starnberger See, wo sich in Sichtweise Flos außer dem Fremden in diesem Moment niemand aufhielt.
Es hatte etwas Faszinierendes, wenn ein Globus mitten in einem menschenleeren See aufflog.
Beim nächsten Halt hörte Flo den ersten Schrei – keinen lauten, denn er drang von weit her über das Wasser – vom grünen Ufer.
„Superposition, halt“, dachte Flo, „Wasserpolo aus der Anekdote und Landpolo aus dem Stadion, verdammt, die Meisterschaft ... Heute spielt unsere Mannschaft”, erinnerte sich Flo, „das heißt es gibt kein Entkommen, selbst wenn man mitten auf dem See ist.“
Es kam ihm vor, als hätte sich der ganze See für den Augenblick in ein Stadion verwandelt, nur dass anstelle eines grünen Feldes mit einem grauen Ring ein grüner Streifen um die abgerundeten Kanten geschmiert war, und in der Mitte war alles stahlgrau, und dieser Ball, ja ... war aus irgendeinem Grund wie ein Globus bemalt.
Irgendetwas daran war so bizarr, dass Flo das dringende Bedürfnis verspürte mit dem Denken aufzuhören ... Geleitet von dem Vorsatz „Hör auf zu denken!“, steigerte er sein Tempo, und nun schnitten seine Arme doppelt schnell ins Wasser, und Flos Ein- und Ausatmung waren nicht mehr vier, sondern zwei Striche: Strich – Einatmung unter dem Arm, und – Ausatmung ins Wasser, und – Einatmung ...
Er war so spät zum Schwimmstart gekommen, dass er keine Hoffnung mehr hatte, seine Kollegen einzuholen – sie waren nicht einmal mehr zu sehen. Er hatte nicht nur nicht die Absicht, ihnen bis zum anderen Ufer zu folgen, sondern stieg vom Steg ins Wasser, da er sowieso hierhergekommen war, um ein bisschen zu baden.
Das Wasser des Sees fühlte sich seltsamerweise wärmer an, als Flo vom Steg wegschwamm, und es war nicht die Gewöhnung, nein, es gab einen deutlichen Temperaturanstieg, eine Art warme Strömung.
Die Tiefe des „Golfstroms“ im See war gering, und beim Tauchen oder auch nur beim Absenken seiner Füße während seiner Zwischenstopps spürte Flo sofort die Unterwasser-Gefrierkammer.
Aber die Wärmeschicht war ausgedehnt – überall außer am Rand in Ufernähe befand sich eine Wärmeschicht unter der Oberfläche des Sees wie eine riesige Linse, und Flo beschloss, darin weiter zu schwimmen.
Er hatte nicht die Absicht, den See zu durchschwimmen, der an dieser Stelle etwa zweieinhalb Kilometer breit war, und wenn er dem Weg des Big Swim folgte (die Route war auf der Website des Unternehmens als gestrichelte Linie mit Pfeilen dargestellt), müsste er weiter schwimmen, denn der Swim verlief nicht senkrecht zum Ufer, sondern diagonal.
Flo wandte seinen Blick vom gegenüberliegenden Ufer in Richtung Seeshaupt und sah, dass sich das Ufer in dieser Entfernung in blauen Ozondunst auflöste, die Alpen schienen sich direkt aus dem metallisch glänzenden Wasser zu erheben, als würden die Wellen des Sees sie dort in der Ferne tatsächlich erreichen und ihre Ausläufer streifen.
Er hatte diese Perspektive selten gesehen, wenn er schwamm, mit dem rechten Auge, von dem das Wasser keine Zeit hatte abzulaufen, und fast immer schaute er auf die Wasserwand, die monoton grün war, während draußen das ganze Spektrum von Titanweiß bis Lichtblau zu sehen war, in das sich jetzt die Reflexe von Segeln verschiedener Farben und Schattierungen mischten – von irgendwoher war eine Regatta gekommen.
Doch mit demselben feuchten rechten Auge bemerkte Flo beim nächsten Schlag und Atemzug einen großen weißen Fleck, unterbrach für eine Weile das Kraulen und ließ die Füße in das eiskalte Wasser unter ihm, um leise mit den Füßen darüber zu gleiten.
Bevor das Schiff wendete und parallel zum Ufer weiterfuhr, bemerkte Flo, dass es sich um einen Katamaran mit drei Decks handelte, vor dem zwischen seinen beiden weißen Bögen eine grüne Menschengestalt stand, die Flo im ersten Moment wie ein Frosch erschien.
Flo schwebte in der Mitte des Sees, betrachtete das Schiff und dachte, dass dieses Ungetüm mit seinen Glasböden wie ein herausgebrochenes Stück aus dem Gebäude seiner Firma wirkte.
Er sah sich um und stellte fest, dass das ferne Ufer bereits zum nahen Ufer geworden war. „Trotzdem ist es Zeit, zurückzuschwimmen“, dachte er, „ich muss später sowieso zurückschwimmen, warum also an Land gehen ...“ Wieder schwamm er schnell vorwärts, was durch nichts zu erklären war, auch nicht durch den Wunsch, das ungewohnte Gefühl zu verlängern, das durch die Sauerstoffversorgung des Gehirns noch verstärkt wurde, denn die ganze Chemie hätte weiter funktioniert, wenn Flo in die andere Richtung geschwommen wäre.
Offenbar befand er sich auf einer Art Einbahnstraße.
***
Flo hielt an, hob den Kopf, um sich das Wasser aus den Augen perlen zu lassen, und suchte sich eine Stelle im Schilf, an der er aussteigen konnte – das Ufer war nur noch fünfzig Meter entfernt.
Als er die Äste beiseiteschob und das Zelt vor sich sah, trat Flo instinktiv zurück ins Wasser – er hatte immer noch einen Fuß im See ... Aber er dachte, dass es in Ordnung ging, da er hierher geschwommen war, warum sollte er weglaufen, als wäre er eine Krabbe oder ein Flusskrebs ... es wäre sogar lustig … als wäre er beim Schwimmen wild und hätte nun Angst vor Menschen.
Das Zelt war wahrscheinlich ein Tageszelt, d. h. ein Schattenspender – ein Vorzelt ... „Es ist unwahrscheinlich, dass die beiden darin geschlafen haben, aber andererseits – es gibt hier so viel Schatten, das Grün ist so dicht ... sie müssen doch darin geschlafen haben“, dachte Flo und wollte gerade am Ufer entlang weiter nach links gehen, wo er die zweite Lücke, d. h. Lichtung bemerkt hatte, als er heraufkam, doch plötzlich sah er aus dem Augenwinkel – er sah sie nicht an, nicht mal indirekt, sondern versuchte, sie überhaupt nicht anzusehen – das Gesicht des Mädchens … es kam ihm bekannt vor, also drehte er den Kopf und sah sie genauer an.
„Nein“, sagte er, „es tut mir leid, ich habe mich geirrt.”
Das Mädchen lachte, und auch der Junge lächelte.
Flo dachte, dass sie ungefähr in ihren Zwanzigern sein mussten.
„Bist du von dem anderen Ufer?” – fragte das Mädchen. Flo dachte, dass es ihm gefiel, dass sie ihn duzte, wenn sie „Sie“ gesagt hätte, wäre er verärgert gewesen, wie er es immer war, wenn junge Mädchen „siezen“.
Er stand mit dem Rücken zum See vor ihnen, das Wasser tropfte von ihm ab, er wollte immer noch seine Badehose ausziehen, um die Kälte in seinem Unterleib nicht zu spüren. Aber die Sonne schien, als wäre er nicht zwei oder drei, sondern zweitausend Kilometer nach Süden geschwommen, und als er aus dem Schatten trat, in dem er vorher gestanden hatte, spürte er nach einer Minute den nassen Stoff nicht mehr.
„Nun ja“, sagte Flo, „ich bin im Kriechgang hergekommen ... Tut mir leid, ich konnte euer Zelt vom See aus nicht sehen, ihr seid so gut getarnt ... Also habe ich sozusagen aus Versehen hier angedockt.”
„Kennen Sie den Spielstand?”, fragte der Kerl.
„Nein“, sagte Flo.
„Aber wir wissen ihn“, schüttelte der Junge sein iPhone in der Luft. „4:1! Für uns!”
„Ich bin froh“, sagte Flo.
„Was tippst du für das Finale?”, fragte das Mädchen.
„Wie bitte?” Plötzlich merkte er, dass seine Hände darum bettelten, weiter zu schwimmen, und er wollte weiter so tief atmen wie beim Kraulen ... aber er schämte sich, vor dem jungen Paar mit den Armen zu schlenkern: In ihren Augen sah er sicherlich aus wie ein alter Freak.
„Also, wer wird im Finale stehen?”
„Schau“, sagte Flo, „ich weiß es nicht. Was glaubst du, was ich bin, ein Oktopus? Der … wie heißt er?”
„Paul!“, sagte das Mädchen, und lachte.
„Stimmt, du musst mich mit Paul verwechseln.”
Der Junge lächelte auch und sagte: „Nein, wir verwechseln nichts.”
„Ihr schon“, sagte Flo und setzte sich plötzlich vor den beiden auf das Gras. „Du hast mich verwirrt, und ich war schon ein bisschen …” Er hörte auf zu reden.
„Was? Verwirrt im Leben?”, schlug das Mädchen vor.
„Nein”, sagte Flo, „gerade im Moment.“
„Warum so plötzlich?”
„Weiß der Teufel ... das Wasser, nehme ich an. So viel Wasser, eine ungeheure Masse von Wasser ... Es sieht sauber aus und schmeckt sauber ... Aber wer weiß, was drin ist.”
„Das Wasser hier ist ziemlich sauber“, sagte der Junge.
„Es sieht sauber aus”, sagte Flo, „aber ich habe neulich gelesen, es sind so viele Beruhigungsmittel und Neuroleptika in unseren Gewässern, dass zum Beispiel Krebse verrückt werden, stell dir vor: Krebse verlieren die Orientierung und gehen nicht in die dunklen Tiefen unter Wasser, wo sie normalerweise leben, sondern schwimmen nach oben zur Oberfläche ... und da sterben sie. Die Flusskrebspopulation ist deshalb stark rückläufig.
„Woran sterben sie dann?”, fragte das Mädchen. „An unseren Antidepressiva?”
„Das glaube ich nicht ... nicht an den Medikamenten selbst, sondern nur an der überschüssigen Wärme und dem Licht in den oberen Wasserschichten, so wie ich es verstehe”, sagte Flo, „kannst du dir das vorstellen?”
„Nö“, sagte der Junge, „ich meine, ich wusste, dass man so feststellen kann, wieviel Koks eine Stadt konsumiert – anhand der Konzentration im Küstenwasser, das habe ich gelesen, ja.”
„Nun, was macht das für einen Unterschied?” sagte Flo. „Ich kenne mich mit Pharmakologie nicht so gut aus, da stand etwas von Hormonen im Wasser der städtischen Reservoirs ... nun, Hormone bleiben im Urin und gelangen in die Reservoirs, so in der Art.”
„Lass uns über etwas Anderes reden!”, sagte das Mädchen und lächelte.
„Es tut mir leid“, sagte Flo, „dass ich störe, ich gehe jetzt.“
„Du meinst, du wirst schwimmen?”, lachte das Mädchen. Sie war wirklich gut, und Flo spürte, dass er zitterte, und dass es bei diesem Sonnenschein wohl kaum ein Nachzittern war, das Wasser auf seinem Körper war völlig weg, und seine Badehose war fast trocken.
„Ich will mich nur ein bisschen abtrocknen“, sagte Flo.
„Na, dann trockne dich hier ab“, sagte sie, „wir stehen dir nicht im Weg.”
„Ja“, sagte Flo, „aber ich euch, fürchte ich.”
„Und du uns auch nicht!”, sagte sie. „Stimmt’s, Nick?“
Nick nickte stumm, aber das reichte dem Mädchen nicht, und sie stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite.
„Wirklich, wirklich”, nickte Nick, „möchten Sie eins?”
„Wir können zum Du wechseln gehen“, sagte Flo.
„Willst du ein Bier?”
„Nein“, sagte Flo, „ich mag weder Bier noch Fußball ... Ich bin ein ziemlich seltsamer Münchner.”
„Du bist ein Münchner?"
„Ja, ich bin ein Münchner Kindl.”
„Du bist ein Mann vom anderen Ufer!”, sagte sie lächelnd. „Und wie heißt du?”
„Ich heiße Mathias“, sagte Flo, der sich aus irgendeinem Grund an seine Rolle in einem Amateurfilm erinnerte, den sein Schulfreund einmal gedreht hatte. „Mathias Kneißl.”
Der 2. Teil von Flo erscheint in einer Woche (21.3.25).