FREISCHWIMMEN – DER ORT AN DEM ICH BIN. Ein mäandernder Text über Schreiben und Schwimmen (7)
Literatur und Bewegung gehen ein spannendes Gespann ein. Der Bewegung im Kopf setzen viele Autorinnen und Autoren eine körperliche Bewegung entgegen oder ergänzen die eine mit der anderen. Von den offensichtlichen gesundheitlichen Gründen abgesehen, ist das eine oftmals die Verlängerung des anderen.
Die Autorin Sara Goméz ist leidenschaftliche Schwimmerin ohne jede Ambition an sportliches Achievement. In dieser 9-teiligen Blogreihe lässt sie sich treiben wie in einem See und kommt dennoch immer wieder zurück in ihre Bahnen. Sie schreibt darüber, wie Schreiben und Schwimmen, wie Bewegung und Denken für sie zusammenhängen. Wir präsentieren hier die siebte Folge.
*
FREE THE...
Auch politisch ist die Dimension der „geeigneten Badekleidung“. Bis vor Kurzem wurde diese Regelung in allen – auch den größten – deutschen Städten genauso vage gehalten und war tatsächlich Auslegungssache des jeweiligen Badepersonals. Was de facto hieß, dass als Männer gelesene Menschen – Brust hin oder her – oberkörperfrei rumliefen und als Frauen gelesene Menschen ihre sekundären Geschlechtsmerkmale bedeckten. „[D]as »oben ohne«-Verbot fördert die Idee, dass es zwei Geschlechter gibt und eines davon privilegierter ist … Wenn Badepersonal, Barkeeper, Gastwirte oder Polizei entscheiden können, ob eine »Frau« sich obenrum auszieht, nicht aber darüber, ob ein »Mann« sich obenrum anzieht, macht das ein Gefälle klar“, schreibt Julia Fritzsche in Oben ohne.1
Gleichzeitig hat erst letztes Jahr das Personal des Freibads Daaden im Westerwald Yasemin Bayram den Zugang ins Becken im Burkini verboten – mit Verweis auf die ebenso vage gehaltene Vorschrift der „geeigneten Badekleidung“. Dass diese bei heute aktuellen Burkinis, die aus einem ähnlichen Material wie Neoprenanzüge hergestellt werden, definitiv eingehalten wird, interessierte das Badepersonal nicht. Aber erst ein aufwändig zu erringendes Gerichtsurteil würde Yasemin Bayram vor Ort Recht geben. Wer hat für so etwas schon genügend Zeit, Geld, Nerven und Kontakte? Once again ist also der Körper einer Frau nicht der Körper einer Frau, sondern die Verlängerung eines fremden Willens. Wieso sonst dürften andere in Neoprenanzügen oder UV-Schutzanzügen ins Wasser, ohne dass sich jemand daran stört? Manche Menschen sind eben, mit George Orwell, gleicher als andere.
Je nach Tagesfassung imaginiere ich mich mal mit Oberkörper frei, mal mit einem am Burkini angelehnten Badeanzug – um zu testen, wie das Umfeld jeweils reagiert und vor allem auch, um mich freizuschwimmen.
Seit Sommer 2023 ist es offiziell und ausdrücklich in München erlaubt, sich als Frau (gelesene Person) oberkörperfrei in allen städtischen Bädern aufzuhalten, respektive müssen alle Menschen explizit nur die primären Geschlechtsmerkmale bedecken.
[1] Oben ohne, Julia Fritzsche, Nautilus Flugschrift, 2024.
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Literatur und Bewegung gehen ein spannendes Gespann ein. Der Bewegung im Kopf setzen viele Autorinnen und Autoren eine körperliche Bewegung entgegen oder ergänzen die eine mit der anderen. Von den offensichtlichen gesundheitlichen Gründen abgesehen, ist das eine oftmals die Verlängerung des anderen.
Die Autorin Sara Goméz ist leidenschaftliche Schwimmerin ohne jede Ambition an sportliches Achievement. In dieser 9-teiligen Blogreihe lässt sie sich treiben wie in einem See und kommt dennoch immer wieder zurück in ihre Bahnen. Sie schreibt darüber, wie Schreiben und Schwimmen, wie Bewegung und Denken für sie zusammenhängen. Wir präsentieren hier die siebte Folge.
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Auch politisch ist die Dimension der „geeigneten Badekleidung“. Bis vor Kurzem wurde diese Regelung in allen – auch den größten – deutschen Städten genauso vage gehalten und war tatsächlich Auslegungssache des jeweiligen Badepersonals. Was de facto hieß, dass als Männer gelesene Menschen – Brust hin oder her – oberkörperfrei rumliefen und als Frauen gelesene Menschen ihre sekundären Geschlechtsmerkmale bedeckten. „[D]as »oben ohne«-Verbot fördert die Idee, dass es zwei Geschlechter gibt und eines davon privilegierter ist … Wenn Badepersonal, Barkeeper, Gastwirte oder Polizei entscheiden können, ob eine »Frau« sich obenrum auszieht, nicht aber darüber, ob ein »Mann« sich obenrum anzieht, macht das ein Gefälle klar“, schreibt Julia Fritzsche in Oben ohne.1
Gleichzeitig hat erst letztes Jahr das Personal des Freibads Daaden im Westerwald Yasemin Bayram den Zugang ins Becken im Burkini verboten – mit Verweis auf die ebenso vage gehaltene Vorschrift der „geeigneten Badekleidung“. Dass diese bei heute aktuellen Burkinis, die aus einem ähnlichen Material wie Neoprenanzüge hergestellt werden, definitiv eingehalten wird, interessierte das Badepersonal nicht. Aber erst ein aufwändig zu erringendes Gerichtsurteil würde Yasemin Bayram vor Ort Recht geben. Wer hat für so etwas schon genügend Zeit, Geld, Nerven und Kontakte? Once again ist also der Körper einer Frau nicht der Körper einer Frau, sondern die Verlängerung eines fremden Willens. Wieso sonst dürften andere in Neoprenanzügen oder UV-Schutzanzügen ins Wasser, ohne dass sich jemand daran stört? Manche Menschen sind eben, mit George Orwell, gleicher als andere.
Je nach Tagesfassung imaginiere ich mich mal mit Oberkörper frei, mal mit einem am Burkini angelehnten Badeanzug – um zu testen, wie das Umfeld jeweils reagiert und vor allem auch, um mich freizuschwimmen.
Seit Sommer 2023 ist es offiziell und ausdrücklich in München erlaubt, sich als Frau (gelesene Person) oberkörperfrei in allen städtischen Bädern aufzuhalten, respektive müssen alle Menschen explizit nur die primären Geschlechtsmerkmale bedecken.
[1] Oben ohne, Julia Fritzsche, Nautilus Flugschrift, 2024.