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Der Flötist

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Alle Bilder (c) Alexander Kostinskij

Der Schriftsteller, Zeichner und Erzähler Alexander Kostinskij lebt seit Anfang der 1990er-Jahre in München. Er lässt in diesem Text eine alte Geschichte neu und überraschend erzählen.

*

Diese Begegnung fand im Herbst vor einigen Jahren statt.

Ich erinnere mich sehr gut an den hellen, trockenen Sonntag im September.

Im Park wimmelte es von Menschen, aber mein versteckter Lieblingsplatz, eine Bank, die inmitten von Büschen stand, war wie gewöhnlich nicht besetzt.

Oft dankte ich in Gedanken den mir unbekannten Verliebten, die diese schwere Bank mitten in den Park geschleppt und sie danach dort vergessen hatten oder, nachdem sie sich getrennt hatten, nicht mehr an diesen Platz der verlorenen Illusionen und Träume zurückkehren wollten.

Auf jeden Fall war ich diesen unbekannten Verliebten unendlich dankbar, dass sie mir ihr Erbe hinterlassen hatten.

Zu jeder beliebigen Jahreszeit war ich hier alleine. Niemand störte mich und auch ich wurde niemandem lästig.

An warmen Sommertagen legte ich mich auf die Bank. Mit dem Rucksack unter meinem Kopf las ich oder döste. Nicht einmal die Mücken störten mich. Ich war ein professioneller Faulpelz-Leser. Dank meines Großvaters, der mir genügend hinterlassen hat, konnte ich faul sein und war von niemandem abhängig. 

Sobald eine neue Freundin anfing, zu viel von mir zu verlangen und mich mit ihren Wünschen und Fragen zu belästigen, trennte ich mich leichten Herzens von ihr. Meine Bücher warteten immer geduldig auf mich und freuten sich auf unsere Treffen. 

An diesem Tag las ich Kurzgeschichten des genialen Sonderlings Charms.

Dieses Buch hatten mir meine Bekannten aus dem nicht mehr kommunistischen Russland geschickt und ich lachte leise vor mich hin als ich diesen paradoxen, russischen Ionesco las.

Viele dieser Geschichten waren mir neu und unbekannt und ich war begeistert von den unerwarteten Fantasiesprüngen des Schriftstellers.

„Ach, wie gut er doch schreibt!“, freute ich mich und sein Gefühl vollkommener Ungezwungenheit übertrug sich auf mich.

Und plötzlich fühlte ich, dass mich jemand beobachtete. 

Ich sah mich um.

Hinter mir stand ein großer, schlaksiger, unbekannter Bursche.

Zwischen den Löchern seiner Jeans leuchteten magere weiße Knie.

An seinem Ohr hing nicht nur ein Ohrring, wie ich später bemerkte. 

Seine Haare waren blau gefärbt.

Ein Junge wie viele. Von denen gibt es jetzt mehrere in der Stadt. 

Ohne um Erlaubnis zu bitten, setzte er sich neben mich auf die Bank. Ich las weiter und versuchte, dem ungebetenen Gast keine Aufmerksamkeit zu schenken. Von der Seite sah ich, dass der Bursche versuchte den Titel meines Buches zu entziffern. 

Endlich fragte der Blauhaarige (so nannte ich ihn insgeheim. Ich glaube, dieser Name passte besser zu ihm als die gewöhnlichen, mit denen uns unsere Eltern auszeichnen, ohne uns nach unserer Meinung zu fragen): 

„Was liest du?“

Ich mag es nicht, wenn ein Unbekannter mich duzt. 

„Ein Buch“, brummte ich gereizt.

„Das sehe ich. Du sprichst mit Akzent. Woher kommst Du?“

Die Stimme des Blauhaarigen klang zu meiner Verwunderung sanft und gönnerhaft. 

„Aus Russland“, antwortete ich.

„Aha“, lächelte der junge Bursche vielsagend. 

Ich schloss das Buch.

„Und du?“, fragte ich. „Woher kommst du?“

Der Blauhaarige ließ meine Frage unbeantwortet, so als hätte er sie nicht gehört.

„Ist das Buch auch aus Russland?“, fragte er nach einigen Sekunden.

„Ja, der Autor wurde von Stalin umgebracht.“

„Er war eine Bestie, euer Stalin. Wie hieß dieser Schriftsteller?“

„Charms. Daniil Charms. Er schrieb Märchen und absurde Geschichten.“

„Möchtest du, dass ich dir auch ein Märchen erzähle“, schlug er unvermittelt vor.

„Ein Neues?“, scherzte ich. 

„Es ist sowohl alt als auch neu“, entgegnete der Blauhaarige ernst. 

„Von mir aus.“ Ich legte das Buch in den Rucksack und stellte mich darauf ein zuzuhören.

„Du kennst bestimmt die Legende vom Rattenfänger von Hameln?“ 

Ich nickte wortlos.

„Also, alles darin ist Lüge. Das meiste ereignete sich gar nicht in Hameln. Hameln wurde später hinzugedichtet.“

„Und wo dann?“

„Das ist unwichtig. Es hätte auch in Paris, Rom, Hamburg oder Moskau passieren können. Nennen wir die Stadt ‚Stinkburg‘. Was denkst Du, warum tauchten gerade in dieser Stadt Millionen von Ratten auf?“

Ich antwortete nicht, sondern schwieg.

Der Blauhaarige zog aus der Tasche der mit Reißverschlüssen und Kleinkram verzierten Jacke Papier und Tabakbeutel, drehte sich eine Zigarette und nahm einen tiefen Zug.

Nach einigen Zügen fragte er:

„Du hast dir also, wie fast alle, nie Gedanken darüber gemacht, warum gerade in dieser Stadt die Ratten aufgetaucht sind. Damals hat sich keine Stadt durch Sauberkeit hervorgetan. Das ist wahr. Aber in dieser Stadt lag ein besonderer Gestank. Es stank nicht nur auf den Straßen und Plätzen. Die Menschen selbst stanken und sogar ihr Inneres miefte. In der Stadt regierten Kaufleute. Was denkst du, womit haben sie gehandelt?“

Ich wusste es nicht und zuckte mit den Schultern.

„Sie handelten mit dem Hunger. In ertragreichen Jahren kauften sie den Bauern spottbillig die Ernte ab und füllten ihre Kornkammern. Die Speicher der Stadt quollen über von Getreide. Die Regale der Lagerhallen bogen sich unter den geräucherten Schinken und dem fetten weißen Pökelfleisch. Überall türmten sich Fässer mit Hering und Kisten voller Käse. Die Ernte verfaulte, vermoderte, fing an zu stinken, aber die Händler verkauften sie nicht. Sie warteten solange, bis die Äcker der Nachbarn durch Dürre vernichtet war. Als der Weizen durch Stürme niedergelegt wurde und Seuchen das Vieh befielen, erst dann öffneten sie die Lagerhallen und Speicher, und nahmen den vor Hunger Sterbenden alles, was man ihnen noch nehmen konnte. Und als sie schon Gold hatten, kauften sie für eine Scheibe Brot und ein Stück Speck das Leben und die Freiheit der Menschen. Wenn dann die Sklavenmärkte voll waren, warfen die Händler das Getreide einfach ins Meer und den Käse und Räucherschinken die Schluchten hinab. Sie hielten damit den Preis und handelten geschickt. So ging es lang, sehr lang, aber, wie ich schon gesagt habe, verwandelten sich Land und Meer ringsum in eine stinkende Kloake.

Und als die Kloake bis zu den Mauern der Stadt reichte, da tauchten die Ratten auf. Heerscharen von Ratten. Unter ihrem Ansturm brachen die Mauern der Speicher und Lagerhallen zusammen. Sie fielen in Keller und Kornkammern ein, griffen einsame, nächtliche Passanten an, bissen Kinder und alte Menschen zu Tode. Nichts und niemand konnte sie aufhalten. Keine Fallen. Kein Gift. Keine Fangeisen. Die Ratten gruben nicht nur Fäulnis aus den Schluchten aus, sie wühlten auch in Gräbern und brachten Leichengift auf die Straßen. Der Stadt drohte der Untergang.

Genau zu dieser Zeit kam der Flötist in den Magistrat, wo die Reichsten der Reichen tagen.

Keiner kannte seinen wahren Namen. Er lebte schon lange in der Stadt und alle nannten ihn einfach ‚Flötist‘.

Und wie hätten sie ihn auch sonst nennen sollen? Denn ihrer Meinung nach hatte nur derjenige einen Namen verdient, dessen Truhen voll Silber und Gold sind und an dessen Fingern Ringe stecken. Der Flötist hatte weder Gold noch Schmuck. Ja, und ein richtiges Haus hatte der Flötist auch nicht, obwohl man es vielleicht ein Zuhause nennen könnte.

Weder Marmor, noch gekachelte Öfen, noch mit Perlmutt eingelegte Eichenholztische waren in seinem Heim. Es gab nur ein einziges Zimmer. Die Decke war blau, der Boden grün. Jeden Tag kamen Kinder zu ihm.“

Ich hörte aufmerksam zu und versuchte ihn nicht zu unterbrechen.

Die Stimme des Blauhaarigen klang mal schrill und zornig, mal war sie wärmer und wurde zu der, die sie während der ersten Minuten unserer Bekanntschaft gewesen war. „Die Kinder kamen morgens zu ihm und gingen erst spät abends wieder. Wenn sich die Kleinen auf den grünen Boden setzten, schien es, als würde von ihrem Lachen eine grüne Wiese aufblühen. Ja“, lächelte der Blauhaarige, das waren liebe Kinder. Sie lernten Flöte spielen und freuten sich. Und genauso freute sich der Flötist. Er war wie sie und sie waren wie er.

So war dieser Mensch, der zum Magistrat kam und den Kaufleuten sagte, dass er die Stadt vor der Rattenplage retten könne. ‚Ich beseitige die Ratten‘, sagte der Flötist, ‚und rette die Stadt, aber nur unter einer Bedingung. Ihr alle müsst mir euer Wort darauf geben, dass ihr euer Leben ändern werdet. Güte, Gerechtigkeit und Großmut sollen für euch alle zum Gesetz werden.‘“

Der Blauhaarige schwieg eine Weile und mir kam es gar nicht mehr so vor, als ob er einfach nur eine neue Version einer alten Legende die er von irgendjemandem gehört hatte, nacherzählte. In manchen Momenten schien mir, dass er vielmehr von etwas erzählte, von dem er selbst Zeuge geworden war.

Ich schwieg und wartete bis der Blauhaarige weitererzählte. Es vergingen einige Sekunden und plötzlich fragte er:

„Was, meinst Du, haben die Händler im Magistrat wohl zum Flötisten gesagt?“

„Sie waren einverstanden und nahmen die Bedingungen des Flötisten an.“

„Selbstverständlich, der Tod lauerte ja an jeder Ecke, lief über die Fußböden des Magistrats, piepste von den Mauern ihrer Häuser. Hinzu kam, dass keiner daran glaubte, dass dieser Musikant, ein Mensch nicht von dieser Welt, tatsächlich die Ratten beseitigen könnte. Sie waren einverstanden und versprachen, dass sie alle Bedingungen des Flötisten erfüllen würden.“

„Und dann trieb der Flötist alle Ratten ins Meer“, sagte ich.

„Ja, alle. Ohne Ausnahme. Alle Ratten gingen zu Grunde. Er säuberte die Stadt von den grauen Biestern, aber ...“

„Aber“, unterbrach ich den Blauhaarigen, „niemand war bereit die Bedingungen des Vertrags zu erfüllen.“

„Ja, sobald die Gefahr vorüber war, ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Du kennst ja Deine Stammesgenossen.“

Offensichtlicherweise erwartete er, dass ich anfangen würde ihm zu widersprechen, doch ich blieb stumm und der Blauhaarige fuhr fort:

„Sie änderten sich nicht. Die Händler warteten wie zuvor ab, bis sie die Menschen zwingen konnten, für ein Stück Brot das Letzte zu geben, und erledigten ihre Geschäfte genauso grausam wie früher. Zwar vergruben sie den Schinken und Käse nicht mehr, dafür verbrannten sie das Essen nun. Schwarzer, stinkender Qualm stieg über der Stadt auf, graue Asche lag auf Gras und Blättern. Da verstand der Flötist, dass die Herzen derer, die nach dem Gesetz des Goldes lebten, nicht zu ändern sind, und dass der einzige Ausweg war zu retten, wer noch zu retten war, und so führte er die Kinder fort.“

Der Blauhaarige rauchte wieder.

Ich schaute seine Hände an. Er hatte schlanke Finger, die an den Gelenken so stark wie Bambuszweige waren. Das könnten die Hände eines Zimmermanns genauso wie die eines Musikanten sein. Schön und stark waren seine Hände.

Der Blauhaarige zog ein-, zweimal an der Zigarette, drückte sie dann aus und erzählte weiter:

„Ja, der Flötist brachte die Kinder weg. Das passierte im Herbst. An einem Tag im September. Über der Stadt flogen Vögel, die ihre Nistplätze verlassen hatten. Der Musikant hörte die Rufe der Vögel und fasste einen Entschluss. Er legte die Flöte an die Lippen, wiederholte die Rufe der Vögel und führte die Kinder dorthin, wohin die Vögel flogen.“

Der Blauhaarige verstummte.

Ich war sicher, dass seine Geschichte zu Ende war, und bedankte mich aufrichtig.

„Du täuscht dich“, schüttelte der Blauhaarige verneinend den Kopf. „Das ist nicht das Ende, die Geschichte geht noch weiter und sie dauert sogar noch bis heute an.

Selbstverständlich gerieten die Kaufleute in Wut, als sie erfuhren, dass sie ihre Nachkommen und Geschäftsnachfolger verloren hatten. Sofort wurden Verfolger in alle Richtungen versandt. Bewaffnete Einheiten trieben sich wie Wölfe durch die Gegend, doch die Kinder und der Flötist blieben verschollen. Und da verfielen die Häuser und Straßen der Stadt in große Trauer. Das Leid der Händler war dieses Mal aufrichtig. Nicht einmal an Gewinn und Profit wurde während dieser Zeiten gedacht.

‚Für wen soll man jetzt noch handeln und Geld ansparen?‘, fragten sie sich. ‚Unsere Kinder sind nicht mehr da. Sie sind verschwunden, mit den Vögeln weggeflogen.‘

Aber die Trauer hielt nicht lange an.

An einem Sonntag versammelte ein junger Händler namens Dront die Einwohner auf dem Platz. Dront hatte einen Haufen Gold durch den Handel mit Hunger und Hungrigen zusammengerafft und zählte und zu den erfolgreichsten Händlern Stinkburgs.

‚Schaut her!‘, schrie er. ‚Jetzt zeige ich euch das, was unsere Stadt wieder zum Leben erwecken wird.‘ 

Er riss sich die Kleidung vom Leib, stand ohne Hemd und Gürtel vor der Menge, schlug sich auf die nackte Hüfte und zeigte sein Glied.

‚Hört auf zu schluchzen und zu stöhnen! Oder seid ihr etwa nicht die ruhmreichen Männer Stinkburgs, die keine Gnade und keinen Zweifel kennen?! Lasst eure Rüden von den Ketten. Sie sind ausgehungert nach dem frischen Fleisch der Hündinnen. Nehmt sie alle wahllos. Jetzt zählt nur ein Gesetz – das Gesetz des Samens, das Gesetz der Erhaltung der Sippe. Lasst eure Rüden los!‘ 

Das also schrie Dront.

Und dann begannen die ruhmreichen Männer von Stinkburg, Junge und Alte, Unschuldige und Dirnen zu vergewaltigen. Brüder trieben es mit ihren Schwestern, Väter mit ihren Töchtern.

Viele sagten nachher, dass ein Rausch an jenem Tag ihren Verstand verhüllt hätte. Aber dem war nicht so. Das war Rache. Genauer gesagt war es der Beginn der Rache. Die Ratten rächten sich an der Stadt.“

„Die Ratten?“

„Ja. Nichts verschwindet spurlos und die Ratten haben auch ihre Spur hinterlassen. In Stinkburg kamen Missgeburten auf die Welt – Säuglinge mit Schwänzen. Das war die Rache der Ratten. Und wieder erfasste Entsetzen und Angst die ruhmreichen Bewohner der stolzen Stadt Stinkburg und da kam Dront erneut auf den Platz. Vielleicht erahnst du schon, was er schrie? ‚Esel! Idioten!‘, schrie er, ‚freut euch und stöhnt nicht! Frohlockt! Wir haben eine neue Rasse geschaffen! Jetzt wird niemand nirgendwo mehr unsere Kinder mit den Kindern dreckiger Sklaven verwechseln. Ihr werdet sehen, dass die Länge des Schwanzes nach einiger Zeit zum Zeichen von Schönheit und Reinheit der Rasse werden wird. Freut euch über das, was passiert ist! Bewundert sie!‘ Dront lachte schallend und hob einen Säugling mit Schwanz hoch. ‚Das ist er – mein Sohn, mein Nachfolger! Eine neue Schöpfung, die niemals dem Abschaum ähneln wird, der auf der Suche nach einem Stück Brot auf dem Boden herumkriecht. Sie –  unsere Kinder – werden Herrscher werden! Sie werden Diktatoren und Machthaber!‘“

Die letzten Worte schrie der Blauhaarige und warf die Arme nach oben, wie es zweifellos auch Dront getan hatte, vor dem einst die dankbare Menge stand, die von der Last des Zweifels befreit war, und er wiederholte eine mir aus tausenden Chroniken bekannte Geste.

Niemals hätte ich damit gerechnet, dass diese Legende so enden würde. Ein kalter Schauer kroch mir über den Rücken.

„Warum fragst du nicht was mit den Kindern passiert ist, die der Flötist fortgeführt hat?“

„Was ist mit ihnen passiert?“, wiederholte ich folgsam.

„Sie wuchsen heran und kehrten in die Heimat zurück.“

„Weshalb?“

Der Blauhaarige wandte mir sein Gesicht zu. Sein Blick war direkt und ruhig. So einen Blick haben Menschen, die nicht wanken und die sich der Richtigkeit des von ihnen gewählten Weges bewusst sind.

„Ich habe dir doch gesagt, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist.“ 

Der Blauhaarige stand unerwartet, schlagartig von der Bank auf.

„Es ist höchste Zeit. Ich werde erwartet aber wir werden uns bestimmt wieder treffen. Ich weiß, wo du zu finden bist.“

Er warf seinen Leinensack über die Schulter und ging ohne sich umzudrehen schnellen Schrittes in Richtung Parkbrücke, dahin, wo die satte Menschenmenge lärmte und ein Bierorchester schmetterte.

Seitdem sind einige Jahre vergangen.

In der ersten Zeit nach unserer Bekanntschaft, ging ich nicht mehr in den Park, aber seit zwei Jahren gehe ich wieder hin. Der Blauhaarige tauchte nicht wieder auf. Aber ich warte trotzdem. Warum? Wozu? Ich weiß es nicht. Obwohl ich es wahrscheinlich doch weiß. Erwartung hat mein Leben erfüllt. 

Und noch etwas ... ich fing an meinen Schwanz zu hassen. Manchmal tröste ich mich damit, dass meiner nicht so groß ist, fast unmerklich, und bei den Anderen ist er viel größer.

Aber das ist eigentlich nur eine Ausrede, das ist mir klar.

Ich gehe durch das Stadtviertel, in dem sich die Blauhaarigen treffen, schaue in die Gesichter, aber Ihn treffe ich nicht, dann gehe ich in den Park, setze mich auf die Bank und warte darauf, dass er kommt. Er hat es versprochen und ich weiß, dass er kommen wird.

 

Aus dem Russischen von Nicole Marie Bertelshofer