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01.11.2023, 11:07 Uhr
Nicola Bardola
Text & Debatte
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© Hannibal Verlag

Literarisches und Sprachliches bei den Sportfreunden Stiller (1)

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Sportredaktion Stiller 2004. Zeichnung bzw. Selbstporträt von Florian Weber.

Die Sportfreunde Stiller sind eine der erfolgreichsten Bands Deutschlands. Mit dem Sommermärchen- und Wiesn-Hit ’54, ’74, ’90, 2006 und Songs wie Ein Kompliment faszinieren sie Generationen und sorgen seit bald dreißig Jahren für eine Euphorie, die ihresgleichen sucht. Der Münchner Autor Nicola Bardola spürt in seiner soeben erschienenen Band-Biografie APPLAUS, APPLAUS. SPORT FREUNDE STILLER der Stiller-Story nach. Für das Literaturportal Bayern arbeitet er in einer achtteiligen Serie literarische Bezüge und sprachliche Eigenheiten der Indie-Formation aus Germering bei München heraus.

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Was der Beat zu bieten hat

Das Hymnische und Rauschhafte, das geschickte Spiel mit Worten und Melodien, das die Band Sportfreunde Stiller gut beherrscht, begeistert nicht nur das große Publikum, sondern auch Autoren und Literaturkritiker. Volker Weidermann beschreibt in der FAZ im Jahr 2013 das Lied Applaus, Applaus als seinen Lieblingssommersong mit einem eigenen Text über Sonne, Meer und Wellen: „Und wenn du dann endlich wieder Luft bekommst und Licht und die Augen aufreißt, als wärst du ganz neu hier, geht es dann einfach weiter, mit diesem Sommer, mit diesem Lied, das man am besten hört mit ausgebreiteten Armen auf dem rasenden Weg in eine neue Welle hinein: ‚Applaus, Applaus. Für deine Art mich zu begeistern. Hör niemals damit auf. Ich wünsch mir so sehr – du hörst niemals damit auf!‘“

Wer sich etwas intensiver mit den Sportfreunden Stiller beschäftigt, findet zahlreiche literarische Spuren und sprachliche Besonderheiten. „Am schwierigsten war es, mit den Fußballschuhen die Klavierpedale zu betätigen“, schreibt der Schlagzeuger der Sportfreunde Florian Weber in seinem Fußball-Musik-Roman You’ll Never Walk Alone (Rowohlt, 2006). Und wenig später rechtfertigt sich der Ich-Erzähler dortselbst für seine Fußballleidenschaft: Als ein Lehrer ihn nervt, zitiert der Schüler (Florian Weber) Albert Camus. Der Literaturnobelpreisträger war in seiner Jugend begeisterter Fußballer und sagte: „Was ich über Moral weiß, verdanke ich dem Fußballspiel.“

Auch der Frontmann der Indie-Rock-Formation Sportfreunde Stiller Peter Brugger (Gesang und Gitarre) wurde durch seine Gymnasialzeit in Germering geprägt. Latein war sein Lieblingsfach. Im Frühling 2000 sagt er dem Spiegel: „Ich habe durch mein Latein-Studium die deutsche Sprache erst richtig begriffen. Latein hat meinen Blick für die deutsche Grammatik geschärft. Ich habe gelernt, punktgenau zu formulieren.“ Vierzehn Jahre später fragt die Süddeutsche Zeitung den inzwischen berühmten Liederschreiber, wie er sich berausche. Darauf Brugger: „Ich berausche mich an Worten, wenn sie sich im Ohr verorten / wenn sie im Gehörgang wandeln und mit Hirn und Herz anbandeln / wenn sie einwirken auf Handeln und einladen zum Sinnieren / sich im Gedankenüberschwang verlieren / und mich in die Stille führen – denn / ich mag den Moment, / der keine Worte kennt. / Prost.“

Schon die Namensgebung der Band spielt mit Worten. Das allererste Konzert findet am 9. Februar 1996 (die Süddeutsche Zeitung datiert das Debüt auf 1995) im Knast statt (so hieß die Jugendbegegnungsstätte in Germering damals, heute heißt sie Cordobar). Den Bass spielt noch nicht Rüdiger Linhof, sondern Andreas Erhard. Der Auftritt ist eine spontane Idee und es soll ein einmaliges Konzert bleiben. Die Band nennt sich für diesen Abend Endkrass. Stilrichtung: Punk. Anlass: Peter Brugger möchte sich auf der Bühne mit den Worten vorstellen: „Hallo! Wir sind Endkrass!“ Die Jugendlichen proben danach weiter in der Jugendbegegnungsstätte. Während eines Radiointerviews berichten sie davon. Die Moderatorin wagt es nicht, sie zu unterbrechen. Erst nachdem das Mikro ausgeschaltet ist, fragt sie zaghaft nach, ob die Sportfreunde wirklich im Gefängnis waren. Wenig später finden zwei Namensänderungen statt: Der Knast heißt nun JBS (für Jugendbegegnungsstätte) und die Band nennt sich nach ihrem Fußballtrainer Stiller. Wird heute in Kreuzworträtseln nach der Band gesucht, lauten die Stichworte: „Musikalische Sportfreunde, Roman von Max Frisch." Tatsächlich verweist Peter Brugger auch auf den Schweizer Schriftsteller als zusätzlichen Namenspatron. Der wichtigste literarische Einfluss auf die Sportfreunde Stiller ist jedoch der US-amerikanische Beatnik-Autor Jack Kerouac. Davon handelt die nächste Folge von „Was der Beat zu bieten hat - Literarisches und Sprachliches bei den Sportfreunden Stiller“.

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Nicola Bardola wird 1959 in Zürich geboren, studiert Germanistik und lebt seit über 40 Jahren in und um München. Während seiner Mitarbeit von 1986 bis 1993 in der Internationalen Jugendbibliothek beschäftigt sich Bardola mit Kinder- und Jugendliteratur und setzt sich für Leseförderung ein. Ein weiteres Gebiet, mit dem er sich seit seiner Zeit als Sekretär bei Michael Ende in den 1980er-Jahren beschäftigt, ist die phantastische Literatur. 2009 veröffentlicht er ein Buch über das „Twilight“-Phänomen (Heyne), das in mehrere Sprachen übersetzt wird, und 2012 die Anthologie Utopien (S. Fischer). Bekannt wird er 2005 mit dem Roman Schlemm (A1, Heyne, Piper), der den assistierten Suizid thematisiert. Ferner ist Bardola für seine Biografien über John Lennon und seine Frau Yoko Ono bekannt. Nach Büchern über Elena Ferrante, Ringo Starr, Freddie Mercury und Jack Kerouac widmet er sich zuletzt mit einer Bandbiografie den Sportfreunden Stiller (Hannibal).