Zum 150. Geburtstag von Olaf Gulbransson
Olaf Gulbransson und Hermann Hesse waren beide für den berühmten Simplicissimus tätig. Die beiden unterschiedlichen Temperamente verband eine lange Freundschaft, von der wenige, doch berührende Briefe des norwegischen Malers und Karikaturisten zeugen. Ein Gruß zum 150. Von Thomas Lang.
*
Der Dichter Hermann Hesse mochte keine Städte. In der Reichshauptstadt Berlin weilte er Zeit seines Lebens nur ein einziges Mal, aus medizinischen Gründen. Und auch die schweizerische Hauptstadt Bern bewohnte er in den 1910er-Jahren nicht direkt, sondern zog ein Haus auf einem stadtnahen Hügel vor. Basel, wo er als junger Mann lebte, bildete eine Ausnahme. Und München – München mochte er. Vor dem Ersten Weltkrieg besuchte Hesse wiederholt die bayerische Hauptstadt. Insgesamt verbrachte er wohl an die 50 Tage dort, wie der Herausgeber der Werke und hervorragende Kenner Hesses Volker Michels einmal ausgerechnet hat.
Warum München? Wir wissen, dass es Hesse in die Kunstausstellungen dort zog, aber auch zum Schleißheimer Schloss oder das Isartal hinauf. Frühe Erzählungen lassen durchschimmern, dass der junge Starautor sich auch im (Nacht-)Leben der Münchener Boheme auskannte. Albert Langen, der ihm schließlich einen seiner Romane abgewann (Gertrud, 1910, die anderen erschienen bei S. Fischer), bewog ihn unter anderem zur Mitarbeit beim neuen, antiwilhelminischen Simplicissimus, für den er bis 1936 rund 150 Beiträge verfasste. Und hier wird er wohl Olaf Gulbransson begegnet sein, den er in den Jahren bis 1934 auch in seinem ländlichen Domizil, dem Schererhof am Tegernsee besuchte.
Briefe von Hesse an Gulbransson fehlen in der Ausgabe von Hesses Briefen bis 1923. Lediglich ein paar knappe Erwähnungen finden sich. Die wunderbaren, halb gezeichneten Nachrichten des norwegischen Künstlers an den alemannischen Dichter lassen sich dagegen im Schweizerischen Nationalarchiv einsehen. Sie zeigen, dass Gulbransson kein Mann der Worte war oder, besser gesagt, kein Mann der großen Worte. Denn diese kurzen Botschaften gehen einem nah. Da scheint einer ein großes Herz gehabt zu haben. Häufiger bedankt sich der Maler für die Übersendung von Büchern oder Zeitschriften mit Beiträgen Hesses. Immer bekundet er seine Sympathie für den nur zwei Jahre Jüngeren. Bei der Lektüre des ihm geschenkten Peter Camenzind habe er gleich heulen müssen, gesteht Gulbransson in seinem orthografisch frei flottierenden Deutsch. „Ich kann dir nicht genug danken. Du muss dan nur meine Hand nehmen“, schreibt er und zeichnet die ausgestreckte Rechte gleich daneben.
© Schweizerische Nationalbibliothek, Bern (Sign.: Ms-L-81-Gulbransson-Olaf)
Auch ein weiterer Hesse-Roman rührt den Künstler: „Du bist ein zu schöner Kerl[!] Heute Abend ist deine „Gertrud“ mi[r] durch Haut und Adern in schwere heise Wallungen gegangen und ich habe oft die Tischplatte fest halten müssen um nicht heulen zu müssen.“ Einmal ist er krank und zeichnet sich recht eindrücklich mit einer verdüsterten linken Gesichtshälfte. Im letzten überlieferten Zeugnis schreibt er an den Freund: „Wenige sind wir die uns gegenseitig begreifen und lieben. Aber um zu schöner ist es. Mein lieber alter großer Grenadier ich danke dir!“ Es folgen ein paar Zeichnungen der alten Weggefährten Otto Julius Bierbaum, Albert Langen, Ludwig Thoma. Selbst in diesen vermutlich schnell gekritzelten Skizzen zeigt sich das gute Auge Gulbranssons, seine Fähigkeit, Persönlichkeiten mit wenigen Strichen herauszuarbeiten. Und er seufzt dem Freund zu: „Schöne Zeiten. Kommen nie wieder [...] Wie schön wars wie du mit deine Frau bei mir warst. Aber viel zu kurz. Tausen[d] liebe Grüße von deinem alten Olaf.“
Hesse zog bereits 1912 in die Schweiz. Nach dem Ersten Weltkrieg sah München den Dichter nur noch selten. Doch auch beim letzten Besuch der bayerischen Hauptstadt 1934, als die Nationalsozialisten bereits an der Macht waren, ließ er einen Besuch bei dem Norweger nicht aus. Nachher schrieb Hesse einen Brief an Sohn Bruno, der hier nach dem schönen, von Rainer Wittmann herausgegebenen Katalog zur Ausstellung des Münchner Literaturhauses (2013) über Hermann Hesse und München zitiert sei: „In der Höhe zwischen den Wäldern über Tegernsee besuchte ich eines Tages meinen alten Freund Olaf Gulbransson, er hat dort einen alten Bauernhof ... Olaf ... hieß uns sehr willkommen, füllte uns mit Kaffee, Schnaps, Wein, wir saßen draußen erst auf der Laube an der Sonne, später am Kaminfeuer, dann schlittelte ich den Berg hinunter heim.“
© Schweizerische Nationalbibliothek, Bern (Sign.: Ms-L-81-Gulbransson-Olaf)
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Olaf Gulbransson und Hermann Hesse waren beide für den berühmten Simplicissimus tätig. Die beiden unterschiedlichen Temperamente verband eine lange Freundschaft, von der wenige, doch berührende Briefe des norwegischen Malers und Karikaturisten zeugen. Ein Gruß zum 150. Von Thomas Lang.
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Der Dichter Hermann Hesse mochte keine Städte. In der Reichshauptstadt Berlin weilte er Zeit seines Lebens nur ein einziges Mal, aus medizinischen Gründen. Und auch die schweizerische Hauptstadt Bern bewohnte er in den 1910er-Jahren nicht direkt, sondern zog ein Haus auf einem stadtnahen Hügel vor. Basel, wo er als junger Mann lebte, bildete eine Ausnahme. Und München – München mochte er. Vor dem Ersten Weltkrieg besuchte Hesse wiederholt die bayerische Hauptstadt. Insgesamt verbrachte er wohl an die 50 Tage dort, wie der Herausgeber der Werke und hervorragende Kenner Hesses Volker Michels einmal ausgerechnet hat.
Warum München? Wir wissen, dass es Hesse in die Kunstausstellungen dort zog, aber auch zum Schleißheimer Schloss oder das Isartal hinauf. Frühe Erzählungen lassen durchschimmern, dass der junge Starautor sich auch im (Nacht-)Leben der Münchener Boheme auskannte. Albert Langen, der ihm schließlich einen seiner Romane abgewann (Gertrud, 1910, die anderen erschienen bei S. Fischer), bewog ihn unter anderem zur Mitarbeit beim neuen, antiwilhelminischen Simplicissimus, für den er bis 1936 rund 150 Beiträge verfasste. Und hier wird er wohl Olaf Gulbransson begegnet sein, den er in den Jahren bis 1934 auch in seinem ländlichen Domizil, dem Schererhof am Tegernsee besuchte.
Briefe von Hesse an Gulbransson fehlen in der Ausgabe von Hesses Briefen bis 1923. Lediglich ein paar knappe Erwähnungen finden sich. Die wunderbaren, halb gezeichneten Nachrichten des norwegischen Künstlers an den alemannischen Dichter lassen sich dagegen im Schweizerischen Nationalarchiv einsehen. Sie zeigen, dass Gulbransson kein Mann der Worte war oder, besser gesagt, kein Mann der großen Worte. Denn diese kurzen Botschaften gehen einem nah. Da scheint einer ein großes Herz gehabt zu haben. Häufiger bedankt sich der Maler für die Übersendung von Büchern oder Zeitschriften mit Beiträgen Hesses. Immer bekundet er seine Sympathie für den nur zwei Jahre Jüngeren. Bei der Lektüre des ihm geschenkten Peter Camenzind habe er gleich heulen müssen, gesteht Gulbransson in seinem orthografisch frei flottierenden Deutsch. „Ich kann dir nicht genug danken. Du muss dan nur meine Hand nehmen“, schreibt er und zeichnet die ausgestreckte Rechte gleich daneben.
© Schweizerische Nationalbibliothek, Bern (Sign.: Ms-L-81-Gulbransson-Olaf)
Auch ein weiterer Hesse-Roman rührt den Künstler: „Du bist ein zu schöner Kerl[!] Heute Abend ist deine „Gertrud“ mi[r] durch Haut und Adern in schwere heise Wallungen gegangen und ich habe oft die Tischplatte fest halten müssen um nicht heulen zu müssen.“ Einmal ist er krank und zeichnet sich recht eindrücklich mit einer verdüsterten linken Gesichtshälfte. Im letzten überlieferten Zeugnis schreibt er an den Freund: „Wenige sind wir die uns gegenseitig begreifen und lieben. Aber um zu schöner ist es. Mein lieber alter großer Grenadier ich danke dir!“ Es folgen ein paar Zeichnungen der alten Weggefährten Otto Julius Bierbaum, Albert Langen, Ludwig Thoma. Selbst in diesen vermutlich schnell gekritzelten Skizzen zeigt sich das gute Auge Gulbranssons, seine Fähigkeit, Persönlichkeiten mit wenigen Strichen herauszuarbeiten. Und er seufzt dem Freund zu: „Schöne Zeiten. Kommen nie wieder [...] Wie schön wars wie du mit deine Frau bei mir warst. Aber viel zu kurz. Tausen[d] liebe Grüße von deinem alten Olaf.“
Hesse zog bereits 1912 in die Schweiz. Nach dem Ersten Weltkrieg sah München den Dichter nur noch selten. Doch auch beim letzten Besuch der bayerischen Hauptstadt 1934, als die Nationalsozialisten bereits an der Macht waren, ließ er einen Besuch bei dem Norweger nicht aus. Nachher schrieb Hesse einen Brief an Sohn Bruno, der hier nach dem schönen, von Rainer Wittmann herausgegebenen Katalog zur Ausstellung des Münchner Literaturhauses (2013) über Hermann Hesse und München zitiert sei: „In der Höhe zwischen den Wäldern über Tegernsee besuchte ich eines Tages meinen alten Freund Olaf Gulbransson, er hat dort einen alten Bauernhof ... Olaf ... hieß uns sehr willkommen, füllte uns mit Kaffee, Schnaps, Wein, wir saßen draußen erst auf der Laube an der Sonne, später am Kaminfeuer, dann schlittelte ich den Berg hinunter heim.“
© Schweizerische Nationalbibliothek, Bern (Sign.: Ms-L-81-Gulbransson-Olaf)