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16.06.2020, 14:03 Uhr
Eva Winter
Text & Debatte
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Eine Reise durch die Welt Olaf Gulbranssons

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Olaf Gulbransson, 1929 porträtiert von Eduard Wasow

Die 139. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmet sich dem Schwerpunktthema In Worten wohnen. Eva Winter schreibt darin über die Person Olaf Gulbransson, seine Karikaturen und dem spannenden Programm im Olaf Gulbransson Museum am Tegernsee.

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Wer den Namen Olaf Gulbransson hört, dem erscheinen vermutlich gesellschaftskritische und politische Karikaturen vor dem geistigen Auge – Zeichnungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Simplicissimus publiziert wurden. Der gebürtige Norweger verließ 1902 seine Heimat, um über 40 Jahre lang für das berühmte Satiremagazin in München zu zeichnen. Die Zeitschrift, die 1896 gegründet wurde und durch ihre wöchentlichen satirischen, literarischen und vor allem künstlerischen Beiträge bestach, ist heute ein wahrer Schatz für Historiker, Politikwissenschaftler und natürlich Kunsthistoriker. Nicht nur im Schulunterricht werden die Karikaturen immer wieder herangezogen, um geschichtliche Zusammenhänge zu verdeutlichen. Doch sind sie weit mehr als Zeitzeugen einer sich wandelnden gesellschaftlichen und sozialen Struktur, mehr als ein Destillat komplexer historischer Zusammenhänge. Schließlich engagierte der Verleger Albert Langen für sein Satiremagazin herausragende Zeichner, die inhaltlich und künstlerisch höchst anspruchsvolle Werke schufen. Die Karikaturen sind Kunstwerke und zugleich äußerst lebendige Geschichte, deren formal-ästhetische, handwerkliche und inhaltliche Ebene es zu entdecken gilt. Wer sich die Zeit nimmt, genau hinzusehen, dem werden sich die künstlerischen Eigenheiten, der Humor, die Freude an der Provokation, die Menschen hinter den Werken und das damalige Publikum zu erkennen geben. Gerade der Künstler Olaf Gulbransson erleichtert dem Betrachter den Einstieg in die Welt des Simplicissimus. Seine klare Bildsprache, seine rundlichen Figuren, die trotz scharfer Kritik zugleich immer etwas Freundliches, Besänftigendes haben, erzählen von einem Leben, das Jahrzehnte zurückliegt und zugleich so vertraut erscheint. Gulbransson hielt in seinen Zeichnungen – ob allgemein gesellschaftskritischen, tagespolitischen oder schlichtweg humoristischen Inhalts – immer wieder die Eigentümlichkeiten des menschlichen Miteinanders fest, die damals wie heute das Leben prägten. Sie vermitteln dem heutigen Betrachter eine überzeitliche Botschaft: Den Herausforderungen des Lebens mit einem Lächeln zu begegnen und nicht die Fähigkeit zu verlieren, sich über das Alltägliche zu wundern. Wer sich auf den Spuren Olaf Gulbranssons bewegt, wird nicht nur die Bedeutung der Karikatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdecken, sondern auch einen einzigartigen Künstler kennenlernen, der das Leben in vollen Zügen genoss.

Ohne Scheu davor, sich Wissenslücken eingestehen zu müssen, treten Kinder dem Simplicissimus mit einer natürlichen Unbefangenheit gegenüber, die ihnen erlaubt, Dinge zu entdecken, die anderen verborgen bleiben. Diesem neugierigen, staunenden Blick geben sich jene Feinheiten zu erkennen, die über tagespolitische Inhalte erhaben sind und beweisen, dass die Zeichner ihre Themen mitten aus dem Leben griffen. Sie zeugen von einem Alltag, der vor Jahrzehnten gelebt wurde – ohne Computer, Smartphone oder Internet –, zeugen von einer Publikationsform, die damals genauso modern war wie Blog- oder Instagrambeiträge und von einem Publikum, das in seinen politischen Überzeugungen bestätigt, ähnlich wie die Leserschaft von TITANIC oder Charlie Hebdo, herausgefordert und amüsiert werden wollte. Die Karikatur ist auch heute noch eine wichtige Waffe. Sie gilt als Instrument der Meinungsäußerung und -bildung, wobei im digitalen Zeitalter natürlich längst andere Formen der kritischen Äußerung hinzugekommen sind. Die Wirkungskraft der Karikatur war im Kaiserreich und der Weimarer Republik daher umso größer.

Spielerisch werden auch die kleinsten Besucher des Olaf Gulbransson Museums, Tegernsee, zunächst an den Ort Museum und dann an die Themen Olaf Gulbransson und Simplicissimus, dessen berühmte rote Dogge die Besucher im Untergeschoss empfängt, herangeführt. Der Künstler, der sich Ende der 1920er-Jahre am Tegernsee niederließ, ist heute vor allem für seine zahlreichen Karikaturen bekannt, doch war er vieles mehr: Illustrator, Maler, Menschenbeobachter. Neben Führungen, Workshops und einem jährlichen Tag der offenen Tür, der einen spannenden Blick hinter die Kulissen ermöglicht, bietet das Museum für Vorschul- und Grundschulkinder zwei kostenlose Hefte an, die den gemeinsamen Familienbesuch des Museums in ein kleines Abenteuer verwandeln. Mittels einer Bilderjagd, verschiedener Bilderrätsel, Quizfragen und Ausmalbildern begeben sich Groß und Klein auf eine Entdeckungsreise durch die Dauerausstellungen – vom gemalten Selbstporträt bis hin zur Simplicissimus-Karikatur. Dabei wird deutlich, dass hinter der Signatur Olaf Gulbransson zu allererst ein großer Menschenfreund, ein Liebhaber der Natur, ein Freund der Tiere und vor allem der Kinder steckt. Der gebürtige Norweger, der am liebsten nur Gartenschürzen oder Fellhosen trug, war selbst immer Kind geblieben. Seinen neugierigen Augen entging nichts. Mit rundlichen Konturen fing er die Welt ein, die ihn umgab. Seine illustrierte Autobiografie liest sich wie eine Graphic Novel. Wunderliche Geschichten hat er in seiner Kindheit in Norwegen erlebt. Aus seine Ankunft in Deutschland, zunächst in Berlin, dann in München, und das Leben in der neuen Heimat war nicht minder von sonderbaren bis hin zu aberwitzigen Erlebnissen geprägt. Neugier, Offenheit und Humor, insbesondere die Fähigkeit über sich selbst zu lachen, prägten das Leben und Schaffen Olaf Gulbranssons. So tritt er in seinen Zeichnungen auch gerne mal als stolzer Kater, als großer Seehund oder als nacktes glücklich im Gras liegendes Männchen auf. Eine Lebenseinstellung, die noch heute in seinen Werken zu spüren ist, und den kleinen Besuchern beweist, dass ein Museum ein Ort ist, der alle Menschen willkommen heißt, der offen ist für neue Blickwinkel. Es ist ein Ort, an dem man den Gedanken freien Lauf lassen kann, ebenso wie dem Drang zu lachen.