Info
25.04.2018, 06:42 Uhr
Gerd Holzheimer
Text & Debatte
images/lpbblogs/autorblog/2018/holzheimer_164.jpg
© Volker Derlath

Gerd Holzheimer über den Bauer-Verlag in Thalhofen

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern, die im Allitera Verlag erscheint. Seit über 30 Jahren informiert sie über das literarische Geschehen des Freistaats. Herausgeber Gerd Holzheimer zeichnet in der 131. Ausgabe mit dem Schwerpunkt Literarische Landschaften ein kleines Porträt des Bauer-Verlags in Thalhofen.

*

Wer vom Ammersee aus in Richtung Westen fährt, kommt durch eine Gegend, die Aventin als erster – zumindest als erste uns bekannte schriftliche Quelle – namentlich hinterlassen hat: »An dem Lech Lycates oder Lycatios haissen wir nun Lechrainer.« Licates et Licati sind sie also die Lechrainer, die einen Raum zwischen Augsburg und den Alpen entlang des Lechs besiedeln. Sie sprechen »dej bsondare Sproch«, die Lechrainer Mundart, und wer nur langsam genug seine Fahrt anlegen kann, bemerkt bis heute, dass nicht, wie landläufig gerne angenommen wird, am Lech ein erstes Schwäbisch zu hören ist, sondern zum Teil schon ein gutes Stück östlich vom Ammersee. »Erscht«, sagen die Leute auf einmal, und nicht mehr mittelbairisch »erst«. Und »isch« sagen sie, und nicht mehr »ist« und »essa« und nicht »essn«. Pankraz Fried widmet dieser Sprache eine Seite in seiner umfassenden »historischen Heimatkunde« mit dem Titel Der Lechrain, erschienen im Bauer-Verlag, Thalhofen.

 

 

Wer vom Ammersee aus über die Dörfer noch weiter Richtung Westen fährt, kommt vielleicht durch Thalhofen, aber auch nur sehr vielleicht, eher nicht; genauer gesagt: seit 1964 »Thalhofen a. d. Gennach«. Es ist eine stille Gegend da, ein stiller Ort zwischen Kaufbeuren und dem Lech. Das heißt aber nicht, dass da nichts los wäre. Googelt man den Ort, leuchten einem gleich ein paar Fähnchen entgegen, eines mit der Aufschrift »Bauer-Verlag«. Genau den sucht man, weil er Bücher herstellt, die in den Siebzigerjahren ein junger Lehrer im Allgäu gebraucht hätte, der sich zum Beispiel mit seinen Schülern informieren wollte, was eigentlich im Dritten Reich passiert ist in dieser Gegend. Aber eben kaum etwas fand, abgesehen davon, dass er, gelinde gesagt, auf wenig Gegenliebe gestoßen ist bei seinen Dienstvorgesetzten mit diesem Vorhaben. Die Rede ist unter anderem von Publikationen wie Kaufbeuren unterm Hakenkreuz oder Entnazifizierung in Kaufbeuren, erschienen als Band 14 und 15 der »Kaufbeurer Schriftenreihe« im Bauer-Verlag. Was macht man, wenn es die Bücher nicht gibt, die man braucht oder sich wünscht? Man macht sie selber! Am besten erzählt das Ehepaar Bauer seine Geschichte selber:

Als unser Sohn Thomas sich 1993 auf den Probeunterricht für die Realschule vorbereiten wollte, stellten wir fest, dass es keine Hefte oder Bücher gab, die unseren Anforderungen und Vorstellungen entsprachen: Lösungen im Schülerheft, kein Notenschlüssel, Englischaufgaben, obwohl diese gar nicht prüfungsrelevant waren, zu kleines Format um vernünftig schreiben zu können, und so weiter und so fort … Mit einigen Kollegen haben wir deshalb »Ziel Realschule« entwickelt, die anderen 11 Hefte folgten im Laufe der Jahre. Mittlerweile sind wir Marktführer. Die Hefte des Bauer-Verlag belegen in der Bestsellerliste »Fächerübergreifendes Lernen” (Stand 6/2015) acht der ersten zehn Ränge der beliebtesten Lernhilfen. Unsere Lern- und Übungshilfen können teilweise bereits an den Grund- und Hauptschulen eingesetzt werden und bieten zudem beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Übertritt und Start an den weiterführenden Schulen. Alle unsere Produkte sind in Zusammenarbeit mit engagierten und erfahrenen Lehrern aus ganz Bayern entstanden und orientieren sich – im Gegensatz zu vielen anderen »allgemeinen Übungsmitteln« – an den Erfordernissen der jeweiligen Lehrpläne. So können wir mit Recht behaupten: Aus der Praxis für die Praxis.

 

 

Josef Bauer

Das ist natürlich längst nicht alles. In der oben genannten »Kaufbeurer Schriftenreihe« gibt es zum Beispiel auch einen über die Revolution in der Provinz. Kaufbeuren in den Jahren 1848 und 1849 (»Kaufbeurer Schriftenreihe« Band 5) mit einem Motto, das einem Leserbrief aus dem Jahre 1848 entnommen ist: »Darum erlasse ich hiemit eine Bitte an unsere begabten Mitbürger, aus unseren Volksversammlungen keine Gelehrten-Congresse zu machen, in denen der Bürgersmann als Statist figuriert, sondern einen volksthümlichen Ton in den Versammlungen anzuregen, damit Jeder seine Meinungen auszutauschen wage.« Man könnte dieses Motto gut und gern auch für die ganze Verlagsarbeit gelten lassen, in der es im Wesentlichen darum geht, Vorgänge so darzustellen, dass sie auch der berühmte Normal-Sterbliche verstehen kann.

Es wundert einen kaum, dass es gar nicht so einfach ist, einen Termin bei jemandem zu bekommen, der seit 1983 so viele Bücher in die Welt setzt. Gleichwohl ließ sich einer finden, wenn auch zwischen zwei anderen: Ging es ums Kegeln? Und oder Schafkopf? Ich weiß es nicht mehr, wichtige Termine waren es jedenfalls, sehr gewichtige! Solchermaßen gestaltet sich auch das Gespräch: ganz und gar entspannt, mit Brotzeit, gleichsam familiär. Und das ist er ja auch, der Bauer-Verlag: ein Familienbetrieb, aber eben ein Betrieb der groß herauskommt. Zu Band 15 der »Kaufbeurer Schriftenreihe« verfasste Peter Fassl, Heimatpfleger des Bezirks Schwaben, im Februar 2016 dieses Grußwort, das die ganze Reihe würdigt:

 

           

 

Kaufbeurer Schriftenreihe

»Die 1999 begründete Kaufbeurer Schriftenreihe, die seit 2013 von Stadtarchiv, Stadtmuseum und Heimatverein Kaufbeuren herausgegeben wird, zeichnet sich unter den landesgeschichtlichen Veröffentlichungen in Schwaben in mehrerer Hinsicht aus. Wie die Herausgeberschaft, zu der noch die Bibliotheken zu zählen sind, zeigt, haben sich hier die wichtigsten Akteure der Geschichts- und Erinnerungskultur der Stadt zusammengetan, um ein gemeinsames Publikationsorgan zu gestalten. Damit wurde dem engen Zusammenhang von Text, Bild und Objekt Rechnung getragen, der in den Kultur- und Bildwissenschaften wie in der Geschichtswissenschaft immer stärker betont wird. Außerdem hat man seine Kräfte gebündelt und eine weithin wahrgenommene Buch-, Katalog- und Quellenreihe etabliert. Die neue Reihe ermöglicht gegenüber den verdienten Kaufbeurer Geschichtsblättern auch die Veröffentlichung größerer Beiträge, Abhandlungen und zusammenhängender Beiträge zu einem Thema. Die Themenbände zur Reformation und NS-Zeit sind hoch verdienstvoll und gehen sorgsam auch mit schwierigen Themen der Erinnerungskultur (Euthanasie, Judenmord, Konzentrationslager) um.

Die Erinnerungskultur hat in Kaufbeuren mit dem Tänzelfest ein öffentlichkeitswirksames Ereignis mit einer langen Tradition. Dennoch hat man den Eindruck, dass mit der dreibändigen Stadtgeschichte von 1999 / 2001 / 2006, der neuen Schriftenreihe, einem sehr bewussten Umgang mit der historischen Baukultur und der breiten Anteilnahme der Bevölkerung am Heiligsprechungsprozess der weltklugen Klosterfrau Crescentia (Heiligsprechung 2001) seit etwa 2000 ein neuer, wissenschaftlich vertiefter Schub der Erinnerungskultur die Stadt belebt und ihr neue Chancen eröffnet. Dies ist für Kaufbeuren erfreulich und für Schwaben vorbildlich.«