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Gerd Holzheimer über den zwiespältigen literarischen Abenteurer Waldemar Bonsels

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Waldemar Bonsels in Ambach © Waldemar-Bonsels-Stiftung / Nachlass von Waldemar Bonsels

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern, die im Allitera Verlag erscheint. Seit über 30 Jahren informiert sie über das literarische Geschehen im Freistaat. Herausgeber Gerd Holzheimer hat sich für die 130. Ausgabe mit der zum 40. Jubiläum der Waldemar-Bonsels-Stiftung herausgegebenen Bonsels-Biographie von Bernhard Viel befasst, die einen nicht unkritischen Blick auf den Schöpfer der Biene Maja wirft.

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Ein Honigsammler des Lebens und der Literatur

Die Biene Maja kennt jeder – gleich in welcher Adaption. Anklänge an mystische Erfahrungen in Bonsels’ Werk sind weniger bekannt, an östliche Weisheitslehren, die sein ganzes Schrifttum durchziehen: ein Denken in Gegensätzen, das in ein Vereinigen von Gegensätzen mündet. Seine Erzählungen bergen »Helden und Verbrecher, Heilige und Kinder, Götter und Tiere« in sich, er selbst ist als Erzähler »alles und nichts«. Das Yin-Yang-Prinzip der Gegensatzpaare prägt die Struktur seines Schreibens, beispielhaft etwa im Wechsel von Licht und Schatten, von Erkenntnis und Trieb.

Die Auseinandersetzung zwischen einem naturreligiösen Ideal und der zerstörerischen Zivilisation wird ihm zum zentralen Thema. Naturmystische Gläubigkeit hat ihn freilich nicht davon abgehalten, sich der Protektion des Präsidenten der Reichsschrifttumskammer, Hanns Johst, opportunistisch zu erfreuen. Das ist nun vielfach noch weniger bekannt – oder es sollte auch gar nicht so recht bekannt werden. Vollkommen hingerissen von der Aura des weltberühmten Autors Bonsels im benachbarten Ambach ist dieser Hanns Johst im nahen Oberallmannshausen. »Johst hat den Gipfelpunkt seiner Karriere noch vor sich, und dem hofierten Waldemar Bonsels wird sein Anrainer bald von großem Nutzen sein«, so beschreibt es sein Biograf Bernhard Viel und zeichnet damit das »Bild eines Mannes, der stets bereit war, im Zweifelsfall persönliche Freiheit und Erfolg über Verantwortung zu stellen, sei sie privat oder politisch gewesen.«

 

   

Waldemar Bonsels © Waldemar-Bonsels-Stiftung / Nachlass von Waldemar Bonsels

Hohen Respekt verdient die Waldemar-Bonsels-Stiftung unter der Ägide von Ralf Kirberg, eine von ihr ermöglichte Biografie in Auftrag zu geben, ausdrücklich mit der Maßgabe, den Lesern eine kritische Arbeit zu diesem Autor an die Hand zu geben. Schon der Titel dieser Bonsels-Biografie Der Honigsammler von Bernhard Viel ist genial gewählt. Der Abenteuergeschichte der Biene entspricht eine Abenteuergeschichte ihres Verfassers.

Bonsels ist ein Rebell gegen bürgerliche Konventionen, denen er schon als Schüler entflieht, ein erotischer Abenteurer, ein Erfolgsschriftsteller, ein Weltreisender, ein konservativer Zivilisationskritiker – und freilich schon mehr als bloß ein politischer Abenteurer in der Weise, dass er sich dem Regime der Nazis andient und schließlich nach dem Krieg mit Publikationsverbot belegt wird. Der Mann sucht wie seine Biene unentwegt Honig in sich aufzusaugen: »In gewisser Weise versuchte er sein Leben lang, dem Weg seiner autobiografischen Honigsammlerin zu folgen und immer wieder den Ausbruch seiner ›kleinen Biene Maja‹ zu wiederholen, die ihm den ersehnten Ruhm einbrachte, die ihn vor dem Vergessen bewahrte – und unter der er doch ein wenig litt, da sie am Ende, bei allem Erfolg seiner Indienfahrt und der Tage der Kindheit, sein übriges Werk überstrahlte.«

Auch zeigt Viel, dass der romantische Mensch, wie ihn Bonsels zeichnet, »in seiner Anpassung an die Abläufe der Natur einen archaischen, kriegerisch barbarischen Zug hat, den Bonsels im Jargon der Zeit selbst oft als ›Willen‹ und ›Stärke‹ zeigt.« In seinen Werken, insbesondere den Mario-Romanen, entwirft Bonsels freilich dann wieder geradezu den Gegentypus zum techno-faustischen Menschen: den ökologisch-romantischen Einsiedler, der mit der Natur verschmilzt. »Der Dichter ist der Sieger. Er bestimmt das Bild, indem er, was er erlebt, im Kunstwerk neu erschafft. Das umfasst das ganze wirkliche Leben, das nur das Rohmaterial liefert, sich als Kunstwerk aber über sich selbst hinaushebt. Der Kunstglaube der Romantik ist in dieser Auffassung wiederbelebt. Bonsels steht nicht allein mit seiner Vorliebe für Novalis, der, neben Tieck, diesem Kunstglauben seinen Ausdruck gab.« So betrachtet »war Bonsels ein Ruheloser, hatte einen Zug des Wanderers und Gottsuchers, als der er sich seinen Zeitgenossen präsentierte.«

Wie es sich für eine fundierte Biografie gehört, wird der historische Kontext ausgeleuchtet, nicht nur im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, sondern auch mit der Bohème in München, einer Stadt, die »selbst ein großes Kunstwerk« ist, und das Privatleben ebenfalls nicht ausgespart, etwa die Kunst der Gefährtin Rose-Marie Bachofen, die weiß, »dass kaum etwas stärker fesselt als die lange Leine«.

Die Waldemar-Bonsels-Stiftung sorgte nicht nur für diese Biografie, sondern bringt sie immer wieder auch ebenso kreativ wie literatur-topografisch trefflich unter die Leute, in ausgewählten Veranstaltungen, um der Aura des Autors auch auf diese Weise nahezukommen. In der Ankündigung eines Abends im Hollerhaus in Irschenhausen finden sich diese Informationen: »1918 kaufte sich Bonsels ein Haus am Starnberger See. Da er für seine Arbeit, aber auch für seine vielen weiblichen Besuche Freiraum benötigte, mietete er kurz darauf zusätzlich das Hollerhaus, in dem er dann hauptsächlich seine Frau und seine drei Söhne unterbrachte. Allerdings entging Bonsels – wegen der nächtlichen Schleiertänze seiner Gespielinnen im Hollerhaus-Garten – damals nur knapp einer Ausweisung aus Irschenhausen …«

 

Historische Aufnahme der Bonsels-Villa in Ambach © Waldemar-Bonsels-Stiftung / Privatarchiv von Gábor Benczúr-Ürmössy

Am Abend des 18. November 2017 stellte Bernhard Viel einmal mehr sein Buch vor, auf der Gitarre begleitet vom Wedekind-Enkel Anatol Regnier, der zugleich selbst ebenfalls aus dem Nähkästchen plauderte, war doch auch seine Mutter, die legendäre Schauspielerin Pamela Wedekind, in den 30er-Jahren mit Waldemar Bonsels befreundet.

Zum Abschluss einer anderen Lesung, im Lyrik Kabinett, wurde von Bernhard Viel noch eine ganz andere »Korrespondenz« hergestellt, zu Baudelaires Correspondances aus Les Fleurs du mal

La nature est un temple où de vivants piliers
Laissent parfois sortir de confuses paroles :
L’homme y passe à travers des forêts de symboles
Qui l’observent avec des regards familiers ….

Die Natur ist ein Tempel mit Säulen, die leben
Denen manchmal verworrene Worte entweichen;
Darin wandert der Mensch durch Wälder von Zeichen
Die ihn wachsam-traulichen Blickes umgeben.

Alles, was Bonsels an allumfassender Liebe literarisch festhalten wollte, schlägt sich in seinem Tiermärchen Die Biene Maja und ihre Abenteuer nieder: »… ich habe mein Leben so geliebt, dass ich Herzklopfen bekam«, sagt der Schmetterling zur Biene Maja. Bis zum heutigen Tag steht auf dem Bogen des Gartentores von Bonsels’ Anwesen am Starnberger See: »Wenn du ein guter Mensch bist, so komm herein!«

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