„Der Mensch ist umso größer, je mehr er er selbst ist“. Arwed Vogels Autorenratgeber „Der Roman“
Mit Der Roman hat Arwed Vogel im Allitera Verlag (2014) einen ungewöhnlichen Schreibratgeber herausgebracht. Denn eigentlich ist es mehr ein poetologischer Essay. Der Autor gibt zwar gute Tipps zum Textaufbau und zum Veröffentlichen, aber das Wesentliche an dem Buch ist etwas anderes: Arwed Vogel holt das Schriftstellerdasein weg vom reinen Verwertungsgedanken.
Autoren wollen Erfolgsgeschichten schreiben, wollen aus Ratgebern lernen, wie sie sich am Markt richtig positionieren, wollen wissen, wie ein Bestseller zustande kommt. Von Arwed Vogel bekommen sie etwas anders erzählt: Der Schreibprozess als solcher ist erst mal wichtiger als der äußere Erfolg. Das Buch, das entsteht, hat Vorrang vor dem Abtaxieren möglicher Zielgruppen. Dies komme in einem späteren Schritt: Jeder ausgereifte Text finde schon seine Leser.
Vogel setzt beim Autor an und bei dessen Individualität: „Schreiben bedeutet, in einer Weise zu handeln, die ganz die eigene ist.“ (S. 12) Genauso, wie Antoine de Saint-Exupéry seinen kleinen Prinzen lernen ließ, dass seine Rose sich durch ihre Einzigartigkeit von allen anderen hervorhebt, so ermutigt Arwed Vogel jeden Autor, auf seine Einzigartigkeit zu achten und sie zu würdigen. Denn diese ist immer vorhanden, auch wenn der äußere Erfolg ausbleibt. Vogel appelliert an das Vertrauen in die eigene schöpferische Kraft: „Ich schreibe, weil ich schreiben möchte. Und wenn dabei ein Buch herauskommt, dann wird es mit dem richtigen Verlag auch die entsprechenden Leser finden.“ (S. 14) Die Frage, wer das Werk lesen möchte, solle man sich als Verfasser also erst am Schluss stellen.
Arwed Vogels Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, dass das literarische Werk sehr eng mit der inneren Wesensstruktur der Autorenpersönlichkeit zu tun hat. Von dem Amerikaner Barry Lane übernimmt er den Begriff der „Kerngeschichte“, die jeder Autor in sich trägt. Es sind die der Autorenpsyche innewohnenden grundlegenden Stoffe, die beim Schreiben immer wieder variiert und neu erzählt werden. Vogel belegt dies an den „Erzählmustern“ von Franz Kafka, in denen meistens eine ausweglose Lage beschrieben wird: „Man läuft durch einen endlosen Gang um schließlich überrascht festzustellen, dass man am Ende wieder am Anfang steht, weil man nicht gemerkt hat, dass der Gang gekrümmt ist.“ (S. 35)
Oftmals sind dem Schreibenden seine Kerngeschichten gar nicht bewusst und er entdeckt sie erst, während die Texte entstehen und während er sich mit seinen eigenen Texten beschäftigt.
Sollte man meinen, dass Arwed Vogel hier von autobiografischer Literatur spricht, so hat man weit gefehlt. Denn es gilt auch für Fiction und Spannungsliteratur. „Jedes Buch, auch jedes Kinderbuch, jeder Fantasy- und Science-Fiction-Roman, Unterhaltungsroman und Regionalkrimi, hat in irgendeiner Form mit der Persönlichkeit des Autors zu tun und gründet meistens auf ihr.“ (S. 23) Für den Schreibenden ist es ein ganz besonderes Geschenk, hinter die eigenen Kerngeschichten zu kommen. Dabei meint Vogel weniger traumatische Erfahrungen als die normalen persönlichen, sozialen und kulturellen Muster. Der Schreibende lernt, Distanz zu gewinnen und mit diesen Mustern kreativ zu spielen. Das bringt auch eine große Schreibmotivation. Arwed Vogel rät davon ab, Themen zu bearbeiten, die man innerlich ablehnt oder die einen nicht interessieren. Man soll die Stoffe wählen, die einen zum Schwingen bringen.
Natürlich enthält der Schreibratgeber auch praktische Tipps. Schreiben ist kein Selbsterguss, sondern Kunst. Und so rät Vogel den Autoren, selbst viel zu lesen, denn nur so gelangt man zu der erforderlichen Fertigkeit im Gebrauch mit der Sprache. Figuren, Plot, Erzählperspektive – alles wichtig. Aber das ist für ihn nicht das Wesentliche am Schreiben. Wesentlich ist für ihn die Aufforderung, sich selbst als Autor wertzuschätzen, einfach für den Tatbestand, dass man schreibt und dass man mit seinem persönlichen Werk einzigartig ist. Ein Schriftsteller ist bei Arwed Vogel wieder jemand, der schreibt, und nicht nur jemand, der auf dem Markt etwas darstellt:
„Im Vordergrund der Arbeit eines Schriftstellers steht nicht die Überlegung, wie man richtig viele Bücher verkauft. Die gestaltende Arbeit mit Sprache, das lustvolle Erfinden von Figuren, das Vergnügen, Handlungen zu bauen, ungewöhnliche Lösungen zu finden, sich selbst immer wieder in neuer Gestalt zu erfinden: Das ist Schreiben.“ (S. 171)
Arwed Vogel ist Schriftsteller und Dozent für literarisches Schreiben in München. Er betreibt zusammen mit Bernhard Horwatitsch die Website literaturprojekt.com. Für seine Texte hat der Autor zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Arwed Vogel ist zurzeit VS-Vorsitzender in Bayern.
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„Der Mensch ist umso größer, je mehr er er selbst ist“. Arwed Vogels Autorenratgeber „Der Roman“>
Mit Der Roman hat Arwed Vogel im Allitera Verlag (2014) einen ungewöhnlichen Schreibratgeber herausgebracht. Denn eigentlich ist es mehr ein poetologischer Essay. Der Autor gibt zwar gute Tipps zum Textaufbau und zum Veröffentlichen, aber das Wesentliche an dem Buch ist etwas anderes: Arwed Vogel holt das Schriftstellerdasein weg vom reinen Verwertungsgedanken.
Autoren wollen Erfolgsgeschichten schreiben, wollen aus Ratgebern lernen, wie sie sich am Markt richtig positionieren, wollen wissen, wie ein Bestseller zustande kommt. Von Arwed Vogel bekommen sie etwas anders erzählt: Der Schreibprozess als solcher ist erst mal wichtiger als der äußere Erfolg. Das Buch, das entsteht, hat Vorrang vor dem Abtaxieren möglicher Zielgruppen. Dies komme in einem späteren Schritt: Jeder ausgereifte Text finde schon seine Leser.
Vogel setzt beim Autor an und bei dessen Individualität: „Schreiben bedeutet, in einer Weise zu handeln, die ganz die eigene ist.“ (S. 12) Genauso, wie Antoine de Saint-Exupéry seinen kleinen Prinzen lernen ließ, dass seine Rose sich durch ihre Einzigartigkeit von allen anderen hervorhebt, so ermutigt Arwed Vogel jeden Autor, auf seine Einzigartigkeit zu achten und sie zu würdigen. Denn diese ist immer vorhanden, auch wenn der äußere Erfolg ausbleibt. Vogel appelliert an das Vertrauen in die eigene schöpferische Kraft: „Ich schreibe, weil ich schreiben möchte. Und wenn dabei ein Buch herauskommt, dann wird es mit dem richtigen Verlag auch die entsprechenden Leser finden.“ (S. 14) Die Frage, wer das Werk lesen möchte, solle man sich als Verfasser also erst am Schluss stellen.
Arwed Vogels Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, dass das literarische Werk sehr eng mit der inneren Wesensstruktur der Autorenpersönlichkeit zu tun hat. Von dem Amerikaner Barry Lane übernimmt er den Begriff der „Kerngeschichte“, die jeder Autor in sich trägt. Es sind die der Autorenpsyche innewohnenden grundlegenden Stoffe, die beim Schreiben immer wieder variiert und neu erzählt werden. Vogel belegt dies an den „Erzählmustern“ von Franz Kafka, in denen meistens eine ausweglose Lage beschrieben wird: „Man läuft durch einen endlosen Gang um schließlich überrascht festzustellen, dass man am Ende wieder am Anfang steht, weil man nicht gemerkt hat, dass der Gang gekrümmt ist.“ (S. 35)
Oftmals sind dem Schreibenden seine Kerngeschichten gar nicht bewusst und er entdeckt sie erst, während die Texte entstehen und während er sich mit seinen eigenen Texten beschäftigt.
Sollte man meinen, dass Arwed Vogel hier von autobiografischer Literatur spricht, so hat man weit gefehlt. Denn es gilt auch für Fiction und Spannungsliteratur. „Jedes Buch, auch jedes Kinderbuch, jeder Fantasy- und Science-Fiction-Roman, Unterhaltungsroman und Regionalkrimi, hat in irgendeiner Form mit der Persönlichkeit des Autors zu tun und gründet meistens auf ihr.“ (S. 23) Für den Schreibenden ist es ein ganz besonderes Geschenk, hinter die eigenen Kerngeschichten zu kommen. Dabei meint Vogel weniger traumatische Erfahrungen als die normalen persönlichen, sozialen und kulturellen Muster. Der Schreibende lernt, Distanz zu gewinnen und mit diesen Mustern kreativ zu spielen. Das bringt auch eine große Schreibmotivation. Arwed Vogel rät davon ab, Themen zu bearbeiten, die man innerlich ablehnt oder die einen nicht interessieren. Man soll die Stoffe wählen, die einen zum Schwingen bringen.
Natürlich enthält der Schreibratgeber auch praktische Tipps. Schreiben ist kein Selbsterguss, sondern Kunst. Und so rät Vogel den Autoren, selbst viel zu lesen, denn nur so gelangt man zu der erforderlichen Fertigkeit im Gebrauch mit der Sprache. Figuren, Plot, Erzählperspektive – alles wichtig. Aber das ist für ihn nicht das Wesentliche am Schreiben. Wesentlich ist für ihn die Aufforderung, sich selbst als Autor wertzuschätzen, einfach für den Tatbestand, dass man schreibt und dass man mit seinem persönlichen Werk einzigartig ist. Ein Schriftsteller ist bei Arwed Vogel wieder jemand, der schreibt, und nicht nur jemand, der auf dem Markt etwas darstellt:
„Im Vordergrund der Arbeit eines Schriftstellers steht nicht die Überlegung, wie man richtig viele Bücher verkauft. Die gestaltende Arbeit mit Sprache, das lustvolle Erfinden von Figuren, das Vergnügen, Handlungen zu bauen, ungewöhnliche Lösungen zu finden, sich selbst immer wieder in neuer Gestalt zu erfinden: Das ist Schreiben.“ (S. 171)
Arwed Vogel ist Schriftsteller und Dozent für literarisches Schreiben in München. Er betreibt zusammen mit Bernhard Horwatitsch die Website literaturprojekt.com. Für seine Texte hat der Autor zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Arwed Vogel ist zurzeit VS-Vorsitzender in Bayern.