Künstlerbande zwischen Stadt und Land
Der „fürstliche“ Würmsee zog bereits vor dem Bau der Eisenbahn 1865 damals hochgestellte und heute noch bekannte Persönlichkeiten aus Adel, Wissenschaft und Kunst an. Mit dem 1851 in Dienst gestellten Dampfschiff „Maximilian“ und dem späteren Anschluss an den Zug verbesserte sich die Verkehrsanbindung in die Residenzstadt München so erheblich, dass nun Tagesausflüge mit Kind und Kegel an den See möglich wurden. Das nutzten auch prominente Besucher aus dem In- und Ausland.
Wenn sie nicht Kutsche fuhren, wie die Mitglieder des Königshauses, ritten wie Kaiserin „Sisi“ von Österreich, spazierengingen wie Johannes Brahms oder segelten wie Thomas Mann, trafen sie sich in den Schlössern oder der Ende des 19. Jahrhunderts zahlreich entstandenen Villen zur Sommerfrische.
Julius Beck erinnert sich in seinem Artikel „Originelle Kritik“, erschienen in „Freie Neue Presse“ vom 15. Juli 1897 an Johannes Brahms:
Also, es war im Sommer 1872 [73]
Bemerkenswerth war zu der Zeit ein besonders frischer Zug der Sommergäste nach dem anmuthigen Tutzing, und es schien, als wollte dieses dem stattlichen Starnberg, das seit lange als das bevorzugte Ziel süd- und norddeutscher Wanderschaft galt, ganz energisch den Rang ablaufen. Unstreitig beherbergte Tutzing damals gegen Starnberg die größere Anzahl von Namen aus der Literatur= und Kunstwelt, sowie die in= und ausländischen Hocharistokratie. Diese auffallende Erscheinung fand jedoch ihren Grund in der ausgedehntesten Gastfreundschaft des dortigen Schlossherrn Eduard v. Hallberger, des berühmten Stuttgarter Verlegers, sowie in der Villegiatur mehrerer führender Geister im Reiche des Schriftthums und der Kunst am jenseitigen Ufer. Im nahen Garatshausen aber hatten König Franz II. von Sicilien und seine heldenmüthige Gemalin Marie, eine Tochter des an den See=Ortschaften besonders wohlgekannten
Herzogs Max von Bayern, ihr Schloß mit kleinem Hofstaate bezogen. Geburts= und Geistesadel hatten somit zwei große Anziehungspunkte, die einen sehr regen Verkehr erklärlich machten, so daß Tutzing damals das Gepräge des Außerordentlichen zur Schau trug. Wußte doch auch das in der Opernwelt bereits ruhmreich bekannte Ehepaar Vogl einen hübschen Kreis von Collegen, Freunden und Verehrern in seinem idyllischen Heim am See zu vereinigen.
Aber die annoch Unberühmten fanden sich zusammen.
In dem traulichen Extrastübchen einer kleinen feineren Restauration am Garatshauser Wege, wenn ich nicht irre, führte sie den poetischen Namen ‚Zur Seerose‘, gründete ein Kreis von jungen Schriftstellern, Malern, Musik-Eleven und angehenden Sängern ein feuchtfröhliches Symposion, in welchem neben vielerlei ergötzlichen, nächtlichen Allotris, die nicht immer den Beifall der ruhe= und schlafsuchenden Nachbarschaft erzielten, doch auch der Ernst gepflegt wurde: man tauschte Ideen aus, arrangirte Vortragsabende, in welchen poetische und musikalische Erzeugnisse aus Eigenem und Fremdem abwechselnd zu Gehör gebracht wurden, so daß wol jeder Theilnehmer einen Nutzen und Gewinn ausjenen Abenden zog, der zum bleibenden Werthe wurde.
Eines Tages nun, als sich unser Kreis gerade zum fröhlichen Treiben anschickte, erzählte der Wirth, daß heute Früh ein kleiner mürrischer Herr bei ihm abgestiegen wäre, das Dachkämmerchen im zweiten Stocke gemiethet hätte, aber gleich nachdem er ein wenig Toilette gemacht, ohne bis jetzt heimzukehren, wieder fortgeeilt sei mit der Bemerkung, ‚ihn nie mit Fragen zu belästigen und sich auch sonst um ihn nicht weiter zu kümmern; was er wünsche, werde er stets bestimmtest verlangen, und sonst im Uebrigen leben wie er wolle‘.
Ein mürrischer Herr? Der müsse curirt werden, das war die Ansicht einiger der Uebermüthigsten.
‚Ist er noch jung?‘ fragte Einer.
‚Na, so in den mittleren Jahren,‘ war die Antwort des Wirthes. ‚Muß seiner Sprache nach ein Norddeutscher sein,‘ setzte er noch hinzu.
‚Wissen Sie seinen Namen nicht?‘ bemerkte ein Anderer.
‚O ja! Warten Sie – wie er heißt? – aber er schrieb sich ja ins Fremdenbuch.‘
Der Wirth brachte dieses herbei und las: ‚Johannes Brahms‘.
[Die Begebenheit hat sich 1873 – im „Brahmsjahr“ zugetragen. Es muss „Herzog Max *in* Bayern“, die Nebenlinie des Wittelsbacher Königshauses, heißen.]
Die Weinwirtschaft „Seerose“ in Garatshausen
Auf dem Ortsplan von 1850 in Garatshausen hat das Schloss die Nr. 1a, seine Nebengebäude werden bis Nr. 1g durchgezählt. „Beim Hauber“, Nr. 1d – nach dem bis 1933 dort wohnenden Schlossdiener auch Eisele-Haus genannt –, gehörte seit 1845 dem Schreiner und Musiker Heinrich Müller.
Er schenkte Bier aus, so dass das Anwesen zur Hoftaverne wurde. 1871 kaufte es der damalige Schlossherr König Franz von Neapel. Damit konnte Müller ein Jahr später westlich der Ortsstraße seine Gaststätte erbauen und nannte sie „Zur Seerose“. Er hatte bereits 1864 während des Bahnbaus die Erlaubnis erhalten, eine Kantine zu führen, die wohl mobil den Arbeitern im Zuge des Baufortschritts Richtung Tutzing folgte. Als die Strecke fertig war, wurde ihm auf seinen Antrag hin die Konzession zum Wirtschaftsbetrieb verliehen.
Das nun im Ort als Haus Nr. 9, Gastwirtschaft, geführte Anwesen übernahm 1876 nach dem Tode Müllers der Gendarm Ignaz Dusold, der die Tochter Theres des Müllers geheiratet hatte (Chronik Garatshausen).
Seitdem war das Lokal als „Beim Dusold“ bekannt, aber auch „ois ‘Seeros’n‘ kenna ma‘s no“, wie der Garatshauser Ortschronist Willi Eisele berichtet. Denn in den 1950er Jahren wurde das Ausflugsziel immer beliebter, so dass eine Postkarte von 1962 nun für das Haus als „Hotel Pension Seerose“ wirbt. Heute ist es immer noch ein Lokal.
Gemälde von Franz Ferry Hauber (1903-87), v.l.n.r.: Ferry Hauber mit Frau Monika, Lukas Kristl, Wolfgang von Weber, PPA, Marietta di Monaco, Josef Mehrle, Oswald Malura, vorne links Toni Kuchler, rechts ein junges Mädchen. (c) Dr. Hans Althaus, Köln
1942 ist Krieg, die ersten Münchner treffen auf dem Lande ein. Unter ihnen auch der österreichische Dichter, Humorist und Kabarettist Theo Prosel (1889-1955).
Im Ersten Weltkrieg geriet der gebürtige Wiener in russische Gefangenschaft, wo er sein dichterisches Talent entdeckte. Nach dem Krieg kam er als Rezitator seiner Gedichte nach München. Sein erstes Engagement hatte er bei Karl Valentin und trat ab 1920 regelmäßig bei Kathi Kobus im Simplicissimus auf, den er 1935 als Pächter und 1941 als Käufer von Alfred Gondrell übernahm.
Für einige Familienmitglieder wich der künstlerische Gastwirt aus seiner Münchner Wohnung in der Rheinstraße in das Garatshauser Lokal aus. Das kaufte er laut Auskunft seiner heute 95-jährigen Tochter Theodora (Dorle) Diehl gemeinsam mit „dem Wursthuber, der einen Metzgereibetrieb gegenüber vom KZ in Dachau hatte“. Sie erinnert sich gut an die Aufenthalte auf dem Land: „Das ganze Haus war voll von Berliner Schauspielerinnen, auch die Lia Dahms, und der Hans Albers [seit 1933 Villenbesitzer in Garatshausen] saß öfter in der Künstlerstube.“ Prosel behielt die Wirtschaft dann bis 1946, ein Namensverweis findet sich auf der neu angebrachten Haustafel der noch existenten Gaststätte.
Nachdem der Simplicissimus 1944 durch eine Sprengbombe zerstört wurde, eröffnete Prosel 1946 den „Neuen Simpl“ am Platzl und setzte – zunächst sehr erfolgreich – die Tradition des literarischen Kabaretts fort. Als nach der Währungsreform die Gäste ausblieben, musste er 1950 Konkurs anmelden.
Noch eine „Seerose“ – in Schwabing
Bereits seit 1909 war in der Feilitzschstraße das „Gasthaus zur Seerose“ in der Gewerbekartei vorgetragen (Münchener Stadtarchiv). Den Namen erhielt sie vom ebenfalls nahen See: dem Kleinhesseloher. Seit 1936 bewirtete der Müller Schorsch, der gemeinsam mit seiner Frau Maria der Schwabinger Bohème ein künstlerisches „Wohnzimmer“ mit guter Küche zu schaffen wusste. Da die Wirtschaft den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstand, versammelten sich dort bald nach Öffnung 1946 die Übriggebliebenen und Versprengten der vergangenen Jahre.
So auch der 1892 in Münster geborene Dichter Peter Paul Althaus, der 1922 nach einem Besuch seines Verlegers in München beschloss, sich hier anzusiedeln und in die literarische Welt einzutauchen.
Von 1929 bis 1930 lebte er bei dem Maler Hermann Ebers, der ihn auch malte, in dessen Seeshaupter Villa. Wie sein Biograph und Großneffe Dr. Hans Althaus berichtet, kam er nach vielen Reisen, einer Zeit am Berliner Deutschlandsender und langjährigem Kriegseinsatz 1945 erneut an den Starnberger See. In Tutzings Kustermannstraße fand der Dichter ein Zimmer in der heutigen Nr. 12. Die Spaziergänge mit dem ebenfalls neu zugezogenen Religionsphilosophen Heinz Flügel sind in dessen Buch festgehalten. Und der Garatshauser Weg entlang des Sees ist noch heute eine beliebte Strecke. In der Folge entstanden Althaus‘ berühmte „Traumstadtgedichte“, die sich auf die „goldenen“ Jahre des Künstlerlebens in Schwabing beziehen und 1951 unter dem Titel „In der Traumstadt“ erschienen.
„Und als wir alten Schwabinger, die Schwabinger aus dem Goldenen, dem Silbernen und dem Eiszeitalter mehr oder minder heil zurückgekommen waren, da war alles wüst und leer. Nur etwas blühte noch, und zwar im Verborgenen; kein Veilchen, sondern die Seerose. Eine kleine Vorstadtkneipe ...“, beschreibt Althaus die „Wiedergeburtsstätte Schwabings“. Und so fand er sich wie Prosel und viele andere in der Stadt zum Neustart ein.
Als die Währungsreform 1948 wieder eine Perspektive bot, gründete PPA, wie er sich nannte, mit engen Freunden wie Gustl Weigert im Stammlokal den „Seerosenkreis“. Bis zu seinem Tod 1965 war er der „Bürgermeister der Traumstadt“. Heute ist es sein Großneffe. Den Künstlerkreis gibt es auch noch, und seit 1962 verleihen er und das Kulturreferat der Stadt München den wichtigen Kunstpreis mit dem Signet der Seerose.
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Der „fürstliche“ Würmsee zog bereits vor dem Bau der Eisenbahn 1865 damals hochgestellte und heute noch bekannte Persönlichkeiten aus Adel, Wissenschaft und Kunst an. Mit dem 1851 in Dienst gestellten Dampfschiff „Maximilian“ und dem späteren Anschluss an den Zug verbesserte sich die Verkehrsanbindung in die Residenzstadt München so erheblich, dass nun Tagesausflüge mit Kind und Kegel an den See möglich wurden. Das nutzten auch prominente Besucher aus dem In- und Ausland.
Wenn sie nicht Kutsche fuhren, wie die Mitglieder des Königshauses, ritten wie Kaiserin „Sisi“ von Österreich, spazierengingen wie Johannes Brahms oder segelten wie Thomas Mann, trafen sie sich in den Schlössern oder der Ende des 19. Jahrhunderts zahlreich entstandenen Villen zur Sommerfrische.
Julius Beck erinnert sich in seinem Artikel „Originelle Kritik“, erschienen in „Freie Neue Presse“ vom 15. Juli 1897 an Johannes Brahms:
Also, es war im Sommer 1872 [73]
Bemerkenswerth war zu der Zeit ein besonders frischer Zug der Sommergäste nach dem anmuthigen Tutzing, und es schien, als wollte dieses dem stattlichen Starnberg, das seit lange als das bevorzugte Ziel süd- und norddeutscher Wanderschaft galt, ganz energisch den Rang ablaufen. Unstreitig beherbergte Tutzing damals gegen Starnberg die größere Anzahl von Namen aus der Literatur= und Kunstwelt, sowie die in= und ausländischen Hocharistokratie. Diese auffallende Erscheinung fand jedoch ihren Grund in der ausgedehntesten Gastfreundschaft des dortigen Schlossherrn Eduard v. Hallberger, des berühmten Stuttgarter Verlegers, sowie in der Villegiatur mehrerer führender Geister im Reiche des Schriftthums und der Kunst am jenseitigen Ufer. Im nahen Garatshausen aber hatten König Franz II. von Sicilien und seine heldenmüthige Gemalin Marie, eine Tochter des an den See=Ortschaften besonders wohlgekannten
Herzogs Max von Bayern, ihr Schloß mit kleinem Hofstaate bezogen. Geburts= und Geistesadel hatten somit zwei große Anziehungspunkte, die einen sehr regen Verkehr erklärlich machten, so daß Tutzing damals das Gepräge des Außerordentlichen zur Schau trug. Wußte doch auch das in der Opernwelt bereits ruhmreich bekannte Ehepaar Vogl einen hübschen Kreis von Collegen, Freunden und Verehrern in seinem idyllischen Heim am See zu vereinigen.
Aber die annoch Unberühmten fanden sich zusammen.
In dem traulichen Extrastübchen einer kleinen feineren Restauration am Garatshauser Wege, wenn ich nicht irre, führte sie den poetischen Namen ‚Zur Seerose‘, gründete ein Kreis von jungen Schriftstellern, Malern, Musik-Eleven und angehenden Sängern ein feuchtfröhliches Symposion, in welchem neben vielerlei ergötzlichen, nächtlichen Allotris, die nicht immer den Beifall der ruhe= und schlafsuchenden Nachbarschaft erzielten, doch auch der Ernst gepflegt wurde: man tauschte Ideen aus, arrangirte Vortragsabende, in welchen poetische und musikalische Erzeugnisse aus Eigenem und Fremdem abwechselnd zu Gehör gebracht wurden, so daß wol jeder Theilnehmer einen Nutzen und Gewinn ausjenen Abenden zog, der zum bleibenden Werthe wurde.
Eines Tages nun, als sich unser Kreis gerade zum fröhlichen Treiben anschickte, erzählte der Wirth, daß heute Früh ein kleiner mürrischer Herr bei ihm abgestiegen wäre, das Dachkämmerchen im zweiten Stocke gemiethet hätte, aber gleich nachdem er ein wenig Toilette gemacht, ohne bis jetzt heimzukehren, wieder fortgeeilt sei mit der Bemerkung, ‚ihn nie mit Fragen zu belästigen und sich auch sonst um ihn nicht weiter zu kümmern; was er wünsche, werde er stets bestimmtest verlangen, und sonst im Uebrigen leben wie er wolle‘.
Ein mürrischer Herr? Der müsse curirt werden, das war die Ansicht einiger der Uebermüthigsten.
‚Ist er noch jung?‘ fragte Einer.
‚Na, so in den mittleren Jahren,‘ war die Antwort des Wirthes. ‚Muß seiner Sprache nach ein Norddeutscher sein,‘ setzte er noch hinzu.
‚Wissen Sie seinen Namen nicht?‘ bemerkte ein Anderer.
‚O ja! Warten Sie – wie er heißt? – aber er schrieb sich ja ins Fremdenbuch.‘
Der Wirth brachte dieses herbei und las: ‚Johannes Brahms‘.
[Die Begebenheit hat sich 1873 – im „Brahmsjahr“ zugetragen. Es muss „Herzog Max *in* Bayern“, die Nebenlinie des Wittelsbacher Königshauses, heißen.]
Die Weinwirtschaft „Seerose“ in Garatshausen
Auf dem Ortsplan von 1850 in Garatshausen hat das Schloss die Nr. 1a, seine Nebengebäude werden bis Nr. 1g durchgezählt. „Beim Hauber“, Nr. 1d – nach dem bis 1933 dort wohnenden Schlossdiener auch Eisele-Haus genannt –, gehörte seit 1845 dem Schreiner und Musiker Heinrich Müller.
Er schenkte Bier aus, so dass das Anwesen zur Hoftaverne wurde. 1871 kaufte es der damalige Schlossherr König Franz von Neapel. Damit konnte Müller ein Jahr später westlich der Ortsstraße seine Gaststätte erbauen und nannte sie „Zur Seerose“. Er hatte bereits 1864 während des Bahnbaus die Erlaubnis erhalten, eine Kantine zu führen, die wohl mobil den Arbeitern im Zuge des Baufortschritts Richtung Tutzing folgte. Als die Strecke fertig war, wurde ihm auf seinen Antrag hin die Konzession zum Wirtschaftsbetrieb verliehen.
Das nun im Ort als Haus Nr. 9, Gastwirtschaft, geführte Anwesen übernahm 1876 nach dem Tode Müllers der Gendarm Ignaz Dusold, der die Tochter Theres des Müllers geheiratet hatte (Chronik Garatshausen).
Seitdem war das Lokal als „Beim Dusold“ bekannt, aber auch „ois ‘Seeros’n‘ kenna ma‘s no“, wie der Garatshauser Ortschronist Willi Eisele berichtet. Denn in den 1950er Jahren wurde das Ausflugsziel immer beliebter, so dass eine Postkarte von 1962 nun für das Haus als „Hotel Pension Seerose“ wirbt. Heute ist es immer noch ein Lokal.
Gemälde von Franz Ferry Hauber (1903-87), v.l.n.r.: Ferry Hauber mit Frau Monika, Lukas Kristl, Wolfgang von Weber, PPA, Marietta di Monaco, Josef Mehrle, Oswald Malura, vorne links Toni Kuchler, rechts ein junges Mädchen. (c) Dr. Hans Althaus, Köln
1942 ist Krieg, die ersten Münchner treffen auf dem Lande ein. Unter ihnen auch der österreichische Dichter, Humorist und Kabarettist Theo Prosel (1889-1955).
Im Ersten Weltkrieg geriet der gebürtige Wiener in russische Gefangenschaft, wo er sein dichterisches Talent entdeckte. Nach dem Krieg kam er als Rezitator seiner Gedichte nach München. Sein erstes Engagement hatte er bei Karl Valentin und trat ab 1920 regelmäßig bei Kathi Kobus im Simplicissimus auf, den er 1935 als Pächter und 1941 als Käufer von Alfred Gondrell übernahm.
Für einige Familienmitglieder wich der künstlerische Gastwirt aus seiner Münchner Wohnung in der Rheinstraße in das Garatshauser Lokal aus. Das kaufte er laut Auskunft seiner heute 95-jährigen Tochter Theodora (Dorle) Diehl gemeinsam mit „dem Wursthuber, der einen Metzgereibetrieb gegenüber vom KZ in Dachau hatte“. Sie erinnert sich gut an die Aufenthalte auf dem Land: „Das ganze Haus war voll von Berliner Schauspielerinnen, auch die Lia Dahms, und der Hans Albers [seit 1933 Villenbesitzer in Garatshausen] saß öfter in der Künstlerstube.“ Prosel behielt die Wirtschaft dann bis 1946, ein Namensverweis findet sich auf der neu angebrachten Haustafel der noch existenten Gaststätte.
Nachdem der Simplicissimus 1944 durch eine Sprengbombe zerstört wurde, eröffnete Prosel 1946 den „Neuen Simpl“ am Platzl und setzte – zunächst sehr erfolgreich – die Tradition des literarischen Kabaretts fort. Als nach der Währungsreform die Gäste ausblieben, musste er 1950 Konkurs anmelden.
Noch eine „Seerose“ – in Schwabing
Bereits seit 1909 war in der Feilitzschstraße das „Gasthaus zur Seerose“ in der Gewerbekartei vorgetragen (Münchener Stadtarchiv). Den Namen erhielt sie vom ebenfalls nahen See: dem Kleinhesseloher. Seit 1936 bewirtete der Müller Schorsch, der gemeinsam mit seiner Frau Maria der Schwabinger Bohème ein künstlerisches „Wohnzimmer“ mit guter Küche zu schaffen wusste. Da die Wirtschaft den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstand, versammelten sich dort bald nach Öffnung 1946 die Übriggebliebenen und Versprengten der vergangenen Jahre.
So auch der 1892 in Münster geborene Dichter Peter Paul Althaus, der 1922 nach einem Besuch seines Verlegers in München beschloss, sich hier anzusiedeln und in die literarische Welt einzutauchen.
Von 1929 bis 1930 lebte er bei dem Maler Hermann Ebers, der ihn auch malte, in dessen Seeshaupter Villa. Wie sein Biograph und Großneffe Dr. Hans Althaus berichtet, kam er nach vielen Reisen, einer Zeit am Berliner Deutschlandsender und langjährigem Kriegseinsatz 1945 erneut an den Starnberger See. In Tutzings Kustermannstraße fand der Dichter ein Zimmer in der heutigen Nr. 12. Die Spaziergänge mit dem ebenfalls neu zugezogenen Religionsphilosophen Heinz Flügel sind in dessen Buch festgehalten. Und der Garatshauser Weg entlang des Sees ist noch heute eine beliebte Strecke. In der Folge entstanden Althaus‘ berühmte „Traumstadtgedichte“, die sich auf die „goldenen“ Jahre des Künstlerlebens in Schwabing beziehen und 1951 unter dem Titel „In der Traumstadt“ erschienen.
„Und als wir alten Schwabinger, die Schwabinger aus dem Goldenen, dem Silbernen und dem Eiszeitalter mehr oder minder heil zurückgekommen waren, da war alles wüst und leer. Nur etwas blühte noch, und zwar im Verborgenen; kein Veilchen, sondern die Seerose. Eine kleine Vorstadtkneipe ...“, beschreibt Althaus die „Wiedergeburtsstätte Schwabings“. Und so fand er sich wie Prosel und viele andere in der Stadt zum Neustart ein.
Als die Währungsreform 1948 wieder eine Perspektive bot, gründete PPA, wie er sich nannte, mit engen Freunden wie Gustl Weigert im Stammlokal den „Seerosenkreis“. Bis zu seinem Tod 1965 war er der „Bürgermeister der Traumstadt“. Heute ist es sein Großneffe. Den Künstlerkreis gibt es auch noch, und seit 1962 verleihen er und das Kulturreferat der Stadt München den wichtigen Kunstpreis mit dem Signet der Seerose.