Über Fremde und Fremdes bei Karl Valentin
Das Magazin aviso – Zeitschrift für Wissenschaft & Kunst in Bayern wird seit 2009 von dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst herausgegeben. Inhaltlich deckt die Zeitschrift das komplette Spektrum von Wissenschaft, Kunst und Kultur ab. Die Ausgabe 2/2016 widmete sich ganz dem Thema Fremde, in der Fremde. Ihr ist auch folgender Beitrag von Sabine Rinberger entnommen, die das Valentin-Karlstadt-Musäum in München leitet.
*
Fremde und Fremdes bei Karl Valentin
»Fremd ist der Fremde nur in der Fremde«, heißt ein vielzitierter und hochphilosophischer Satz aus dem Dialog Die Fremden von Karl Valentin, der zwar oft wiedergegeben, aber nicht unbedingt gleich immer ihm zugeschrieben wird. Vielzitiert ist dieser Satz wohl deshalb, weil er, wie kaum ein anderer, alles in sich birgt, was das Thema Fremde und fremd sein bedeutet, nämlich die einfache und zugleich ungeheuer komplizierte Tatsache, dass jeder gleichzeitig irgendwo fremd ist und irgendwo zu Hause. Einzig auf den Standort und die Perspektive kommt es an. Fremd ist das, was man nicht kennt, was einem nicht vertraut ist.
Dies ist auch bei Karl Valentin kein statischer, sondern ein veränderlicher Zustand: »Weil jeder Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder ist und zwar solange, bis er sich nicht mehr fremd fühlt – dann ist er kein Fremder mehr.« Dann ist er laut Valentin ein »Nichtmehrfremder«. Diese für Valentin typische Wortschöpfung beschreibt auf geniale Weise das Gegenteil von Fremder, das das Wort Bekannter oder gar Einheimischer nicht immer trifft. Denn auch dem Einheimischen – oder nach Valentin – Nichtmehrfremden kann durchaus in der eigenen Stadt vieles vertraut, einiges aber auch fremd sein. Im gleichen Dialog heißt es: »Den meisten Münchnern z. B. ist das Hofbräuhaus nicht fremd – hingegen ihnen die meisten Museen fremd sind.« Wie dem Einheimischen das eigentliche Vertraute, nämlich die eigene Stadt, fremd sein kann, finden sich laut Valentin auch »Fremde unter Fremden«, nämlich dann, »wenn Fremde mit dem Zug über eine Brücke fahren und ein anderer Eisenbahnzug mit Fremden unter derselben durchfährt, so sind die durchfahrenden Fremden – Fremde unter Fremden«.
Was nicht gleich so ohne Weiteres – wenn überhaupt – zu begreifen ist, führt freilich die ganze Diskussion darüber, was nun fremd ist und was nicht, wo man fremd ist und wo nicht, ad absurdum. Gleichzeitig verweist Valentin aber auf die räumliche und zeitliche Nähe von Fremdem und Vertrautem sowie auf die Flüchtigkeit dieses Zustandes.
Fremdenrundfahrt
Was kann also ein Fremder in einer fremden Stadt tun, um diese kennenzulernen und somit dort ein Nichtmehrfremder zu werden? Mit dem Aufstieg Münchens zu einer Metropole des Fremdenverkehrs erfreuten sich Mitte der 20er Jahre motorisierte Stadtrundfahrten zunehmender Beliebtheit. Eine solche »Fremdenrundfahrt« nimmt Karl Valentin zum Thema seines 1929 entstanden Films Münchner Fremdenrundfahrt. Auf einer Sightseeing-Tour, vorbei an berühmten und beliebten Orten Münchens, beschäftigt er sich satirisch mit der Münchner Stadtgeschichte. Neben dem 1. Erklärer (Karl Valentin), dem 2. Erklärer (Herr Liesl Karlstadt) und dem Fremdenautoführer (Josef Rankl) stehen auf der Liste der handelnden Personen der Fremdenwagen und die Fremden. Der Hauptbahnhof wird den Fremden als »Treffpunkt aller fremden Reisenden« vorgestellt. Wie bei Die Fremden nimmt Valentin auch hier den Topos wieder auf, dass dem Einheimischen die eigene Stadt oft fremder ist als dem Fremden: »Das Deutsche Museum ist der Treffpunkt aller Nationalen – es sollen auch schon Münchner drin gewesen sein.«
Filmstills aus Karl Valentin und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese und Mit dem Fremdenwagen durch München. Die »Fremdenführer« Karl Valentin und Liesl Karlstadt gönnen sich eine Maß
Andererseits wiederum ist der Fremde dem Einheimischen nicht fremd, weil er ihn im Fremdenomnibus als Fremden sofort erkennen kann: »Aber dem Einheimischen sind die fremdesten Fremden nicht fremd, – er kennt zwar den Fremden persönlich nicht, merkt aber sofort, dass es sich um einen Fremden handelt bzw. um Fremde handelt; zumal, wenn diese Fremden in einem Fremdenomnibus durch die Stadt fahren.«
Fremd und doch nicht fremd
Obwohl Karl Valentin nahezu panische Angst vor dem Reisen hatte und eigentlich nie über den deutschsprachigen Raum hinaus kam, taucht Fremdes, Fremdartiges und Exotisches immer wieder in Karl Valentins Werk auf. So findet das Duell im Film Die Mysterien eines Frisiersalons im »Senegalesischen Salon«, der mehr einem fernöstlichen Tempel gleicht, statt. Ein nicht unerhebliches Detail, denn die Dekoration spielt bei Valentin häufig mit und ist Teil Valentin’scher Verfremdungstechniken. Karl Valentin bedient sich schon sehr früh der Verfremdung, des Kunstkonzepts der Avantgardisten; als solchen darf man Karl Valentin auch deshalb ohne Scheu betrachten.
Ein beliebter Spielort bei Karl Valentin ist das Münchner Oktoberfest. Wie zu seiner Zeit sehr in Mode, ist auch in Valentins Szenario allerhand Exotisches zu finden, von Menschenfressern bis zu echten Indianern. Was zunächst fremd erscheint, wird bei näherer Betrachtung jedoch oft recht vertraut. Der messerwerfende Indianer in Valentins Film Karl Valentin und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese entpuppt sich in Wirklichkeit als ein alter Bekannter: »der kommt mir bekannt vor«, wird Karl Valentin im Stummfilm untertitelt. Nachdem er dem Indianer die Schminke aus dem Gesicht wischt, erkennt er den »Aloisl aus der Au«. Der orientalische Zauberer in Tingeltangel spricht in seinem fremdländischen Akzent von »Sauerei« und »Saubereien« statt von Zauberei und Zaubereien. Karl Valentin meint in ihm den türkischen Honigmann von der Dult zu erkennen, der Zauberer wiegelt zunächst ab: »Honigmann?!? – Bin ick nicht!! – Der ist meine Schwester!!« Schließlich entlarvt sich der vermeintliche Orientale aber selbst. Als sein unter dem Tisch versteckter Helfer ungeschickt den Trick verrät, schimpft er: »Hundsbua – miserablicher!« Ähnlich erscheint einem die Sprache im Chinesischen Couplet vollkommen fremd, chinesisch nämlich. Bei genauerem Hinhören kann man freilich aber die eigene Sprache erkennen: »Wann i ko na kimm i, kumm i aber nimmi, (...) Bier ham mi nimmi, sauf ma halt a Wassi (...)«.
Die erste im Vergnügungspark auftretende »Negergruppe«, Volksgarten Nymphenburg, 1892; rechts: orientalischer Zauberer im Tingel-Tangel, 1931 (Stadtarchiv München, aus der Altmünchner Bildersammlung Karl Valentins)
Mit der Metapher des Spiegelbildes als traditionelles Bild der Selbstwahrnehmung demonstriert Valentin seine Selbstverfremdung, d. h. das Phänomen, sich gleichzeitig bekannt und doch fremd zu sein. Ebenfalls in einer Szene im Film Karl Valentin und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese betrachten sich Liesl Karlstadt und Karl Valentin in einem Zerrspiegel. Ihr Spiegelbild, durch den Zerrspiegel verfremdet, ist ihnen dann freilich selbst fremd. Sie werden also selbst zur Attraktion und amüsieren sich darüber ebenso wie über den Flohzirkus und falsche Indianer.
Wie man sich aber im Zweifelsfall selbst entdecken kann, wird im Sprachforscher auf mehr als doppelbödige Art demonstriert. An die Grenzen der eigenen Sprache stoßend, erklärt Liesl Karlstadt als Frl. D. die Mehrdeutigkeit des Wortes »entdecken«: »Oder – Ich habe etwas entdeckt. – Wenn ich mich aufs Sofa lege, decke ich mich mit einer Decke zu; nehme ich die Decke wieder weg, so habe ich mich selbst entdeckt.«
Bei Valentin wird Fremdes vertraut und Vertrautes fremd. Jemand/etwas ist erst dann nicht mehr fremd, wenn man ihn/es nicht mehr als fremd empfindet, ein Idealzustand, dessen Flüchtigkeit Karl Valentin deutlich macht. Nur selten und meist nur kurz wird er erreicht. Plötzlich und unerwartet tritt ein verwirrendes Element ein, das das Gefühl der Vertrautheit oder Fremdheit zum Kippen bringt. So gewinnt man mit Karl Valentin nur eine Erkenntnis sicher: »man muss nur unter die Menschen gehen, um Fremde unter Fremden zu treffen.«
*
Sabine Rinberger ist seit 2004 Leiterin des Valentin-Karlstadt-Musäums, das sich nicht nur dem großen und unvergessenen Humoristen Karl Valentin und seiner Partnerin Liesl Karlstadt widmet, sondern auch der Münchner Volkssängerkultur im Allgemeinen.
Über Fremde und Fremdes bei Karl Valentin>
Das Magazin aviso – Zeitschrift für Wissenschaft & Kunst in Bayern wird seit 2009 von dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst herausgegeben. Inhaltlich deckt die Zeitschrift das komplette Spektrum von Wissenschaft, Kunst und Kultur ab. Die Ausgabe 2/2016 widmete sich ganz dem Thema Fremde, in der Fremde. Ihr ist auch folgender Beitrag von Sabine Rinberger entnommen, die das Valentin-Karlstadt-Musäum in München leitet.
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Fremde und Fremdes bei Karl Valentin
»Fremd ist der Fremde nur in der Fremde«, heißt ein vielzitierter und hochphilosophischer Satz aus dem Dialog Die Fremden von Karl Valentin, der zwar oft wiedergegeben, aber nicht unbedingt gleich immer ihm zugeschrieben wird. Vielzitiert ist dieser Satz wohl deshalb, weil er, wie kaum ein anderer, alles in sich birgt, was das Thema Fremde und fremd sein bedeutet, nämlich die einfache und zugleich ungeheuer komplizierte Tatsache, dass jeder gleichzeitig irgendwo fremd ist und irgendwo zu Hause. Einzig auf den Standort und die Perspektive kommt es an. Fremd ist das, was man nicht kennt, was einem nicht vertraut ist.
Dies ist auch bei Karl Valentin kein statischer, sondern ein veränderlicher Zustand: »Weil jeder Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder ist und zwar solange, bis er sich nicht mehr fremd fühlt – dann ist er kein Fremder mehr.« Dann ist er laut Valentin ein »Nichtmehrfremder«. Diese für Valentin typische Wortschöpfung beschreibt auf geniale Weise das Gegenteil von Fremder, das das Wort Bekannter oder gar Einheimischer nicht immer trifft. Denn auch dem Einheimischen – oder nach Valentin – Nichtmehrfremden kann durchaus in der eigenen Stadt vieles vertraut, einiges aber auch fremd sein. Im gleichen Dialog heißt es: »Den meisten Münchnern z. B. ist das Hofbräuhaus nicht fremd – hingegen ihnen die meisten Museen fremd sind.« Wie dem Einheimischen das eigentliche Vertraute, nämlich die eigene Stadt, fremd sein kann, finden sich laut Valentin auch »Fremde unter Fremden«, nämlich dann, »wenn Fremde mit dem Zug über eine Brücke fahren und ein anderer Eisenbahnzug mit Fremden unter derselben durchfährt, so sind die durchfahrenden Fremden – Fremde unter Fremden«.
Was nicht gleich so ohne Weiteres – wenn überhaupt – zu begreifen ist, führt freilich die ganze Diskussion darüber, was nun fremd ist und was nicht, wo man fremd ist und wo nicht, ad absurdum. Gleichzeitig verweist Valentin aber auf die räumliche und zeitliche Nähe von Fremdem und Vertrautem sowie auf die Flüchtigkeit dieses Zustandes.
Fremdenrundfahrt
Was kann also ein Fremder in einer fremden Stadt tun, um diese kennenzulernen und somit dort ein Nichtmehrfremder zu werden? Mit dem Aufstieg Münchens zu einer Metropole des Fremdenverkehrs erfreuten sich Mitte der 20er Jahre motorisierte Stadtrundfahrten zunehmender Beliebtheit. Eine solche »Fremdenrundfahrt« nimmt Karl Valentin zum Thema seines 1929 entstanden Films Münchner Fremdenrundfahrt. Auf einer Sightseeing-Tour, vorbei an berühmten und beliebten Orten Münchens, beschäftigt er sich satirisch mit der Münchner Stadtgeschichte. Neben dem 1. Erklärer (Karl Valentin), dem 2. Erklärer (Herr Liesl Karlstadt) und dem Fremdenautoführer (Josef Rankl) stehen auf der Liste der handelnden Personen der Fremdenwagen und die Fremden. Der Hauptbahnhof wird den Fremden als »Treffpunkt aller fremden Reisenden« vorgestellt. Wie bei Die Fremden nimmt Valentin auch hier den Topos wieder auf, dass dem Einheimischen die eigene Stadt oft fremder ist als dem Fremden: »Das Deutsche Museum ist der Treffpunkt aller Nationalen – es sollen auch schon Münchner drin gewesen sein.«
Filmstills aus Karl Valentin und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese und Mit dem Fremdenwagen durch München. Die »Fremdenführer« Karl Valentin und Liesl Karlstadt gönnen sich eine Maß
Andererseits wiederum ist der Fremde dem Einheimischen nicht fremd, weil er ihn im Fremdenomnibus als Fremden sofort erkennen kann: »Aber dem Einheimischen sind die fremdesten Fremden nicht fremd, – er kennt zwar den Fremden persönlich nicht, merkt aber sofort, dass es sich um einen Fremden handelt bzw. um Fremde handelt; zumal, wenn diese Fremden in einem Fremdenomnibus durch die Stadt fahren.«
Fremd und doch nicht fremd
Obwohl Karl Valentin nahezu panische Angst vor dem Reisen hatte und eigentlich nie über den deutschsprachigen Raum hinaus kam, taucht Fremdes, Fremdartiges und Exotisches immer wieder in Karl Valentins Werk auf. So findet das Duell im Film Die Mysterien eines Frisiersalons im »Senegalesischen Salon«, der mehr einem fernöstlichen Tempel gleicht, statt. Ein nicht unerhebliches Detail, denn die Dekoration spielt bei Valentin häufig mit und ist Teil Valentin’scher Verfremdungstechniken. Karl Valentin bedient sich schon sehr früh der Verfremdung, des Kunstkonzepts der Avantgardisten; als solchen darf man Karl Valentin auch deshalb ohne Scheu betrachten.
Ein beliebter Spielort bei Karl Valentin ist das Münchner Oktoberfest. Wie zu seiner Zeit sehr in Mode, ist auch in Valentins Szenario allerhand Exotisches zu finden, von Menschenfressern bis zu echten Indianern. Was zunächst fremd erscheint, wird bei näherer Betrachtung jedoch oft recht vertraut. Der messerwerfende Indianer in Valentins Film Karl Valentin und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese entpuppt sich in Wirklichkeit als ein alter Bekannter: »der kommt mir bekannt vor«, wird Karl Valentin im Stummfilm untertitelt. Nachdem er dem Indianer die Schminke aus dem Gesicht wischt, erkennt er den »Aloisl aus der Au«. Der orientalische Zauberer in Tingeltangel spricht in seinem fremdländischen Akzent von »Sauerei« und »Saubereien« statt von Zauberei und Zaubereien. Karl Valentin meint in ihm den türkischen Honigmann von der Dult zu erkennen, der Zauberer wiegelt zunächst ab: »Honigmann?!? – Bin ick nicht!! – Der ist meine Schwester!!« Schließlich entlarvt sich der vermeintliche Orientale aber selbst. Als sein unter dem Tisch versteckter Helfer ungeschickt den Trick verrät, schimpft er: »Hundsbua – miserablicher!« Ähnlich erscheint einem die Sprache im Chinesischen Couplet vollkommen fremd, chinesisch nämlich. Bei genauerem Hinhören kann man freilich aber die eigene Sprache erkennen: »Wann i ko na kimm i, kumm i aber nimmi, (...) Bier ham mi nimmi, sauf ma halt a Wassi (...)«.
Die erste im Vergnügungspark auftretende »Negergruppe«, Volksgarten Nymphenburg, 1892; rechts: orientalischer Zauberer im Tingel-Tangel, 1931 (Stadtarchiv München, aus der Altmünchner Bildersammlung Karl Valentins)
Mit der Metapher des Spiegelbildes als traditionelles Bild der Selbstwahrnehmung demonstriert Valentin seine Selbstverfremdung, d. h. das Phänomen, sich gleichzeitig bekannt und doch fremd zu sein. Ebenfalls in einer Szene im Film Karl Valentin und Liesl Karlstadt auf der Oktoberwiese betrachten sich Liesl Karlstadt und Karl Valentin in einem Zerrspiegel. Ihr Spiegelbild, durch den Zerrspiegel verfremdet, ist ihnen dann freilich selbst fremd. Sie werden also selbst zur Attraktion und amüsieren sich darüber ebenso wie über den Flohzirkus und falsche Indianer.
Wie man sich aber im Zweifelsfall selbst entdecken kann, wird im Sprachforscher auf mehr als doppelbödige Art demonstriert. An die Grenzen der eigenen Sprache stoßend, erklärt Liesl Karlstadt als Frl. D. die Mehrdeutigkeit des Wortes »entdecken«: »Oder – Ich habe etwas entdeckt. – Wenn ich mich aufs Sofa lege, decke ich mich mit einer Decke zu; nehme ich die Decke wieder weg, so habe ich mich selbst entdeckt.«
Bei Valentin wird Fremdes vertraut und Vertrautes fremd. Jemand/etwas ist erst dann nicht mehr fremd, wenn man ihn/es nicht mehr als fremd empfindet, ein Idealzustand, dessen Flüchtigkeit Karl Valentin deutlich macht. Nur selten und meist nur kurz wird er erreicht. Plötzlich und unerwartet tritt ein verwirrendes Element ein, das das Gefühl der Vertrautheit oder Fremdheit zum Kippen bringt. So gewinnt man mit Karl Valentin nur eine Erkenntnis sicher: »man muss nur unter die Menschen gehen, um Fremde unter Fremden zu treffen.«
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Sabine Rinberger ist seit 2004 Leiterin des Valentin-Karlstadt-Musäums, das sich nicht nur dem großen und unvergessenen Humoristen Karl Valentin und seiner Partnerin Liesl Karlstadt widmet, sondern auch der Münchner Volkssängerkultur im Allgemeinen.