Info
27.11.2015, 16:15 Uhr
Veronika Schöner
Text & Debatte
images/lpbblogs/redaktion/2015/klein/Merk_Emma_lpb_klein.jpg
Foto: Ingvild Richardsen/Haushofer-Archiv

Die Wiederentdeckung der Emma Haushofer-Merk

Die edition monacensia im Allitera Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, verborgene Schätze der Literatur zu heben. Nach der Herausgabe von Werken Carry Brachvogels sind nun zwei Bücher mit Texten von Emma Haushofer-Merk erschienen.

Emma Haushofer-Merk ist zu Lebzeiten eine erfolgreiche und anerkannte Schriftstellerin. Sie gilt als eine der wichtigen Vertreterinnen des Genres „Münchner Roman“, Zeitgenossen loben ihren flüssigen, heiteren Stil, ihr Einfühlungsvermögen in die Psychologie der Figuren und ihre enormen Kenntnisse von Geschichte, Sitten und Bräuchen des alten Münchens. Dazu kommt ihre Rolle in der Frauenbewegung: Zusammen mit ihrer Freundin Carry Brachvogel  gründet sie 1913 den Verein der Münchner Schriftstellerinnen. Ziel des Vereins ist es, schreibende Frauen vor ökonomischer Ausbeutung zu schützen. Autorinnen wie Ricarda Huch, Annette Kolb, Helene Böhlau und  Elsa Bernstein treten bei. Emmas bevorzugtes literarisches Personal sind Frauengestalten, die ihre Entfaltung und Selbstbestimmung in einer patriarchalischen Gesellschaft durchsetzen müssen gegen Sittenstrenge, bürgerliche Enge und biedermeierliches Spießbürgertum. Das macht ihre Texte heute noch lesenswert. Gleichzeitig sind ihre kenntnisreichen Schilderungen des Lebens in München und Bayern eine interessante literarische Quelle.

Trotz allem Erfolg zu Lebzeiten: Heute kennt die Texte der  Autorin fast niemand mehr. Emma Haushofer-Merk ist wie ihre Freundin Carry Brachvogel ein Opfer der literarischen Kanonbildung, die immer historisch zu verstehen ist. Das von ihr propagierte Frauen- und Geschlechterbild ist seit 1933 nicht mehr angesagt. Die Monacensia hat nun in Zusammenarbeit mit der Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen im Allitera Verlag einige München-Novellen und einen Roman von Emma Haushofer-Merk neu herausgebracht.

In den Alt-Münchner-Erzählungen sind fünf Texte versammelt, darunter die von Zeitgenossen stets als ihr Meisterwerk herausgehobene Erzählung Die Gewissensbisse des Ignatius Stupfer. Die Geschichte spielt in der herzoglichen Landeshauptstadt und erzählt vom Brauch der Fronleichnamsprozession. Ignatius Stupfer ist verantwortlich für die Zusammensetzung der Prozession. Die Teilnehmer der lebenden Bilder  müssen nicht nur optisch, sondern auch moralisch zum Dargestellten passen. Vor allem die Auswahl der 160 sittenreinen Jungfrauen, die Maria verkörpern sollen, bringt ihn in arge Bedrängnis, denn schon zu dieser Zeit, so Haushofer-Merk, seien die hässlichen Mädchen leichter tugendhaft geblieben als die schönen.

Der Roman Es wetterleuchtete spielt zur Zeit der Revolution 1848 in München und schildert den Ausbruch der Protagonistin Frieda aus ihrem biedermeierlichen Gefängnis von Enge, Langeweile und Sittenstrenge vor dem Hintergrund der Aufregung über Lola Montez und Ludwig I.

Beide Bücher sind versehen mit kenntnisreichen Vor- und Nachworten der Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen.

Tipp: Das Bayerische Fernsehen zeigt am 11. Dezember 2015 um 17 Uhr einen Film über Emma Haushofer-Merk („Evas Töchter“).