[Moskau-Blog]: Erste Eindrücke
Am Anfang hatte ich Zweifel, ob wir in zwei Tagen die Werke von zehn Schriftstellern besprechen können. Ich war ja der einzige Dichter. Und einen Roman zu besprechen, braucht viel Zeit und eine intensive Beschäftigung. Klar, dass da Zweifel an dem Unterfangen aufkamen. Und in den ersten drei Stunden bestätigte sich auch dieser Eindruck. Aber schon mittags fühlten wir uns vertrauter, und was dann geschah, war erstaunlich, denn unter eigentlich noch Fremden redeten wir intensiv und konzentriert über ernste Themen. Und der zweite Tag unseres Workshops war einfach ganz unglaublich, es war eine große Offenheit und wir verhandelten komplizierte Themen mit einem großen Vertrauen. In Russland reden Schriftsteller in der Öffentlichkeit nur sehr selten über so intime Themen. Ich habe das noch nie erlebt. Das war eine sehr intensive Erfahrung. Und daher freue ich mich sehr auf den Gegenbesuch in München. Das wird schon ein Besuch bei Freunden.
Alexander Skidan, Dichter, St. Petersburg
Dieses Format einer Schriftstellerbegegnung ist sehr außergewöhnlich. Es ist ein echtes Seminar, in dem Ruhe herrscht, in dem konzentrierte Ruhe herrscht, man kann sich gegenseitig kennenlernen. Es entstehen immer wieder Pausen, wenn die Übersetzungen des Textes gelesen werden, und das ist ein wunderbarer Rhythmus, um einander zu begegnen. Diese Begegnung findet wirklich statt, sie ist greifbar und das ist im Leben etwas sehr kostbares. Sie setzt eine große Reflexion in Gang, man kann die eigenen Texte noch einmal kritisch überdenken und kommt auf andere Gedanken. Wir haben die Texte eines jeden besprochen, was für mich eine völlig neue Erfahrung ist. Ich habe das noch nie erlebt. Zu meinem großen Roman wurden auch einige kritische Fragen gestellt, die helfen, das Geschriebene noch einmal aus einer gewissen Distanz wahrzunehmen. Das kann nie schaden. Das Niveau der Diskussionen – wir sprachen über die Krise der Romantik, über Helden, über Tabus, über das Dunkle des Lebens und über Lebensheiterkeit, und kamen dabei zu dem Schluss, dass wir die Helden am besten mal in die Therapie schicken – war erstaunlich. Ich fand das unglaublich interessant, mich auszutauschen. Diese Begegnung bestärkt mich und gibt mir Hoffnung; ich bin selten auf so viel Verständnis gestoßen.
Alexander Ilichewskij, Romancier, Moskau
Ich war schon zwei Mal in Moskau und frage mich, ob es an mir liegt, dass ich mich wesentlich weniger unter einem Kulturschock fühle als die ersten beiden Male. Vieles erscheint mir etwas vertrauter, schwierig ist es natürlich immer noch, wenn man kein Russisch kann, die Schrift zu lesen, man wird fast wieder zum Analphabeten. Aber alle Leute sind sehr hilfsbereit und freundlich. Ich habe mir die ganze Diskussion formeller vorgestellt, ich hatte schon einige Diskussionen mit russischen Schriftstellern, die dann oft sehr offiziösen Charakter hatten. Und das war diesmal gar nicht so, es war wirklich eine workshop-Atmosphäre. Die Diskussion war immer dann am spannendsten, wenn wir an konkreten Texten gearbeitet haben, dann hat sich eigentlich am meisten offenbart. Dann konnte man am sichersten über unterschiedliche poetologische Ansätze sprechen. Ich fand es auffällig, dass sich alle Autoren, die hier waren, sehr, sehr gut auskennen in westlicher Literatur. Das erleichtert natürlich auch die Diskussion, weil man viele gemeinsame Lektüreerfahrungen auch Fernseh- und Filmerfahrung, eine kulturelle Basis, die sich eher annähert als ausdifferenziert.
Georg M. Oswald, Schriftsteller, München
Moskau der Moloch mit unglaublich viel Kraft in den Straßen, dass man immer unentschieden ist, ob man zusammenbricht oder mit dem Tempo der Moskauer weitermacht. Man denkt, man kennt sich als Russen und Deutsche, aber solche Zusammenfassungen Deutsche-Russen gibt es eben gar nicht; man trifft auf Menschen, Geschichten und ist dann doch immer wieder überrascht über das Neue. Und es ist so eine Art Verwandtschaft zwischen den Völkern spürbar, die sich so schwer definieren lässt, aber sie gehören zusammen und müssen ihre Geschichten, die zusammen hängen, immer wieder durchleben.
Hans Pleschinski, Schriftsteller, München
Ich habe mich bei diesem Workshop ein wenig gefühlt, als würde ich Fernsehen schauen. So viele kluge Leute. Ich konnte da gar nicht so mithalten. Aber ich habe unglaublich gespannt zugehört. Das ist natürlich auch eine Frage des Alters, denn ich gehörte ja zu den jüngeren Autoren. Ich habe mehr zugehört, aber das war sehr lehrreich. Sehr erhellend. Sehr interessant. Ich kannte bisher eigentlich nur Heinrich Böll aus der deutschen Literatur und ich werde sofort alles lesen, was ich bekommen kann. Ich habe mir schon eine Liste gemacht.
Natalja Kljutscharjowa, Schriftstellerin, Moskau
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Am Anfang hatte ich Zweifel, ob wir in zwei Tagen die Werke von zehn Schriftstellern besprechen können. Ich war ja der einzige Dichter. Und einen Roman zu besprechen, braucht viel Zeit und eine intensive Beschäftigung. Klar, dass da Zweifel an dem Unterfangen aufkamen. Und in den ersten drei Stunden bestätigte sich auch dieser Eindruck. Aber schon mittags fühlten wir uns vertrauter, und was dann geschah, war erstaunlich, denn unter eigentlich noch Fremden redeten wir intensiv und konzentriert über ernste Themen. Und der zweite Tag unseres Workshops war einfach ganz unglaublich, es war eine große Offenheit und wir verhandelten komplizierte Themen mit einem großen Vertrauen. In Russland reden Schriftsteller in der Öffentlichkeit nur sehr selten über so intime Themen. Ich habe das noch nie erlebt. Das war eine sehr intensive Erfahrung. Und daher freue ich mich sehr auf den Gegenbesuch in München. Das wird schon ein Besuch bei Freunden.
Alexander Skidan, Dichter, St. Petersburg
Dieses Format einer Schriftstellerbegegnung ist sehr außergewöhnlich. Es ist ein echtes Seminar, in dem Ruhe herrscht, in dem konzentrierte Ruhe herrscht, man kann sich gegenseitig kennenlernen. Es entstehen immer wieder Pausen, wenn die Übersetzungen des Textes gelesen werden, und das ist ein wunderbarer Rhythmus, um einander zu begegnen. Diese Begegnung findet wirklich statt, sie ist greifbar und das ist im Leben etwas sehr kostbares. Sie setzt eine große Reflexion in Gang, man kann die eigenen Texte noch einmal kritisch überdenken und kommt auf andere Gedanken. Wir haben die Texte eines jeden besprochen, was für mich eine völlig neue Erfahrung ist. Ich habe das noch nie erlebt. Zu meinem großen Roman wurden auch einige kritische Fragen gestellt, die helfen, das Geschriebene noch einmal aus einer gewissen Distanz wahrzunehmen. Das kann nie schaden. Das Niveau der Diskussionen – wir sprachen über die Krise der Romantik, über Helden, über Tabus, über das Dunkle des Lebens und über Lebensheiterkeit, und kamen dabei zu dem Schluss, dass wir die Helden am besten mal in die Therapie schicken – war erstaunlich. Ich fand das unglaublich interessant, mich auszutauschen. Diese Begegnung bestärkt mich und gibt mir Hoffnung; ich bin selten auf so viel Verständnis gestoßen.
Alexander Ilichewskij, Romancier, Moskau
Ich war schon zwei Mal in Moskau und frage mich, ob es an mir liegt, dass ich mich wesentlich weniger unter einem Kulturschock fühle als die ersten beiden Male. Vieles erscheint mir etwas vertrauter, schwierig ist es natürlich immer noch, wenn man kein Russisch kann, die Schrift zu lesen, man wird fast wieder zum Analphabeten. Aber alle Leute sind sehr hilfsbereit und freundlich. Ich habe mir die ganze Diskussion formeller vorgestellt, ich hatte schon einige Diskussionen mit russischen Schriftstellern, die dann oft sehr offiziösen Charakter hatten. Und das war diesmal gar nicht so, es war wirklich eine workshop-Atmosphäre. Die Diskussion war immer dann am spannendsten, wenn wir an konkreten Texten gearbeitet haben, dann hat sich eigentlich am meisten offenbart. Dann konnte man am sichersten über unterschiedliche poetologische Ansätze sprechen. Ich fand es auffällig, dass sich alle Autoren, die hier waren, sehr, sehr gut auskennen in westlicher Literatur. Das erleichtert natürlich auch die Diskussion, weil man viele gemeinsame Lektüreerfahrungen auch Fernseh- und Filmerfahrung, eine kulturelle Basis, die sich eher annähert als ausdifferenziert.
Georg M. Oswald, Schriftsteller, München
Moskau der Moloch mit unglaublich viel Kraft in den Straßen, dass man immer unentschieden ist, ob man zusammenbricht oder mit dem Tempo der Moskauer weitermacht. Man denkt, man kennt sich als Russen und Deutsche, aber solche Zusammenfassungen Deutsche-Russen gibt es eben gar nicht; man trifft auf Menschen, Geschichten und ist dann doch immer wieder überrascht über das Neue. Und es ist so eine Art Verwandtschaft zwischen den Völkern spürbar, die sich so schwer definieren lässt, aber sie gehören zusammen und müssen ihre Geschichten, die zusammen hängen, immer wieder durchleben.
Hans Pleschinski, Schriftsteller, München
Ich habe mich bei diesem Workshop ein wenig gefühlt, als würde ich Fernsehen schauen. So viele kluge Leute. Ich konnte da gar nicht so mithalten. Aber ich habe unglaublich gespannt zugehört. Das ist natürlich auch eine Frage des Alters, denn ich gehörte ja zu den jüngeren Autoren. Ich habe mehr zugehört, aber das war sehr lehrreich. Sehr erhellend. Sehr interessant. Ich kannte bisher eigentlich nur Heinrich Böll aus der deutschen Literatur und ich werde sofort alles lesen, was ich bekommen kann. Ich habe mir schon eine Liste gemacht.
Natalja Kljutscharjowa, Schriftstellerin, Moskau