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Beschreibung eines Kampfes – Ein Artikel aus der 20. Ausgabe von Philtrat über Franz Kafkas Verhältnis zu den Frauen

Das Münchner Studentenmagazin Philtrat feiert im Sommersemester 2015 sein zehnjähriges Jubiläum. Bereits seit 20 Ausgaben schreiben die Studierenden hier über die Universität, Politik, Kultur, das Großstadtleben – und Literatur: Philtrat-Autor Teseo La Marca hat sich mit Franz Kafkas Verhältnis zu den Frauen in seinem Leben auseinandergesetzt.

 

Franz Kafka und die Frauen – so könnte der Titel eines Trauerspiels lauten. Allerdings eines Trauerspiels in sehr wenigen Akten.

Dass der Schriftsteller Franz Kafka (geboren 1883 in Prag, gestorben 1924) ein schwieriges Verhältnis zu seiner Umwelt hatte, wird aus seinem Werk schnell ersichtlich. Erzählungen wie Die Verwandlung oder Der Landarzt offenbaren, wie Wirklichkeit und Albtraum, Notwendiges und Absurdes, Dunkelheit und blendende Klarheit in der Tinte aus Kafkas Feder untrennbar ineinanderfließen. So komplex, wie Kafka seine Umwelt verarbeitete, so komplex waren auch seine Beziehungen zu Frauen.

Da waren zwei Verlobungen mit Felice Bauer, einer fröhlichen Frau voller Tatendrang, die den schwermütigen Kafka gerade durch ihre lebenszugewandte Geschäftstüchtigkeit faszinierte. Beide Male war es aber Kafka, der die Verlobung wieder löste. Eine dritte Verlobung mit der Kaufmannstochter Julie Wohrycek fiel Kafkas leidenschaftlicher und aussichtsloser Liebe zur Journalistin Milena Jesenská zum Opfer.

In jeder dieser Beziehungen zeichnete sich das gleiche, wiederkehrende Muster ab: Auf der einen Seite der Drang, durch die angestrebte Symbiose mit einer Frau die Aufhebung seiner existenziellen Isoliertheit zu erreichen. Auf der anderen Seite aber die Angst vor Nähe, die Furcht, das Alleinsein aufgeben zu müssen, und der Impuls, vor der Geliebten wieder zu flüchten. Dieser innere Widerstreit zwischen Anziehungskräften und Fluchtinstinkten rieb Kafka während seiner Beziehungen seelisch auf. Am deutlichsten tritt dies aus dem Briefwechsel mit Milena Jesenská hervor. Ihr Verhältnis beendete er mit den Worten: „Nicht schreiben und verhindern, dass wir zusammenkommen, nur diese Bitte erfülle mir im stillen, sie allein kann mir irgendein Weiterleben ermöglichen, alles andere zerstört weiter.“

Am Ende stand jedes Mal die bedrückende Erleichterung, wieder allein zu sein. Bedrückend war die Enttäuschung über den erneut gescheiterten Versuch zu leben. Erleichternd war die wiedererrungene Seelenruhe des Alleinseins.

Liebe und Schreiben: Beschreibung eines Kampfes (c) Teseo La Marca

Kafkas Ohnmachtsgefühl gegenüber dem Leben ist die Grundstimmung seiner literarischen Arbeiten. Einige von ihnen entstanden ausgerechnet nach solchen gescheiterten Beziehungen, so zum Beispiel Das Urteil. An sich eine komische Angelegenheit: Nachdem Felice Bauer durch ihre Freundin Grete Bloch von Kafkas Heiratszweifeln erfährt, stellt sie ihren Verlobten zusammen mit Grete zur Rede. Der durchsetzungsschwache und im Reden ungewandte Kafka nimmt das als unmenschlich qualvolles Verhör wahr. Das Erlebnis verarbeitet er danach in der besagten Erzählung, in der die Hauptperson aber nicht lediglich einer gereizten Verlobten, sondern tatsächlich einem übermächtigen, undurchschaubaren Gericht ausgeliefert ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem unvollendeten Roman Das Schloss, den Kafka einige Zeit nach dem Kontaktabbruch mit Milena begann. Das Grundthema des Romans ist das Unvermögen der Hauptperson K., in ein ominöses und rätselhaftes Schloss zu gelangen. Wofür das Schloss steht, bleibt bis heute eine umstrittene Forschungsfrage. Als Hypothesen konkurrieren etwa ein totalitäres System (Theodor W. Adorno), die göttliche Gnade (Max Brod) oder die Welt der Väter, also ein bürgerliches, verheiratetes Leben.

Eine letzte wichtige Frau gab es aber noch in Kafkas kurzem Leben: Dora Diamant. Sie lernte er ein Jahr vor seinem Tod kennen. Ohne langes Briefeschreiben ziehen die beiden bald zusammen und Dora pflegt den Lungenkranken bis zu seinem Tod. Entgegen dem gewohnten Bild von Kafka beschreibt sie ihn als sinnenfreudig und verspielt wie ein Kind. Ein gutes Ende, möchte man also sagen, erleichtert und zugleich aber auch enttäuscht darüber, dass gerade diese letzte und erste glückliche Beziehung kein bedeutsames Werk mehr angeregt hat. Der Grund dafür war vielleicht Kafkas nunmehr prekäre gesundheitliche Verfassung – oder aber auch nur die alte Tatsache: Wer zufrieden ist, hat es nicht mehr nötig zu schreiben.