Von Wieland bis Cervantes – Lese- und Esels-Zeit im Freundeskreis Sophie La Roche
Esel werden gemeinhin und voreilig mit den abwertenden Vorurteilen 'dumm und störrisch', 'eigensinnig und blöd' versehen, bestenfalls als 'gutmütig' beschrieben. Die vier Salonieren des Freundeskreises Sophie La Roche e. V., Christa Berge, Wiltrud Fleischmann, Helga Ilgenfritz und Karin Klinger präsentierten dazu passend ein Werk von Christoph Martin Wieland, seinerseits Cousin, Verlobter und Weggefährte der Kaufbeurer Tochter Sophie La Roche, als Auftakt der letzten Salon-Veranstaltung und begaben sich dabei auf die Spur dieses Vorurteils.
Christoph Martin Wieland, der einst mit dem Prozess um des Esels Schatten seinen ersten satirischen Roman vorlegt hatte, konnte sicherlich nicht ahnen, dass die dort von ihm beschriebenen Verhältnisse auch noch im 21. Jahrhundert Gültigkeit behalten sollten. Es geht in dem Roman um kleingeistige Schildbürgerei, um kleinkarierte Bürokratie, um Zwietracht, Lobbyismus und Dummheit, die in Staat und Gesellschaft hier wie dort vorkommen. Auch das Esels-Denkmal, das erst vor einigen Jahren in der Wieland-Stadt Biberach, mit der auch Sophie La Roche eng verbunden war, am dortigen Marktplatz aufgestellt wurde, kann als eine Art Allegorie und Plädoyer für mehr Bürgerfrieden und Gemeinnutz statt Eigennutz verstanden werden. So skizziert Wielands literarisches Werk, angesiedelt in der antiken Gesellschaft Griechenlands, auch und gerade ein satirisches Bild zeitgenössischer politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen, die nicht zuletzt auf die aktuelle Gegenwart dieser Tage und Wochen des 21. Jahrhunderts beziehbar sind und dabei einen „Schatten“ werfen, der weit über Griechenland hinaus reicht …
Nachdem der Begriff des „Esels“ in seiner gesamten lexikalischen Bedeutung beleuchtet worden war, wurde der Roman Farm der Tiere von George Orwell vorgestellt. Der Roman von 1945 beschreibt die Erhebung der Tiere einer englischen Farm gegen die Herrschaft ihres menschlichen Besitzers und Ausbeuters. Doch nach anfänglichen Erfolgen und beginnendem Wohlstand übernehmen die Schweine immer mehr die Führung und errichten schließlich ihrerseits eine Gewaltherrschaft, die noch schlimmer ist als diejenige, welche die Tiere zuvor abgeschüttelt haben. Entsprechend wurde der Roman auch immer wieder als Parabel auf die Geschichte der Sowjetunion interpretiert, bei der auf die als 'befreiend' gedachte Oktoberrevolution von 1917 schließlich eine schlimme diktatorische Herrschaft folgte.
Der Esel wiederum tritt literarisch schon in William Shakespeares Sommernachtstraum in Erscheinung, der im griechischen Athen der Antike angesiedelt ist. Dort wird der Kopf des Webers Zettel in den eines Esels verwandelt; trotzdem verliebt sich die Elfenkönigin in ihn. Auch hier kommt der Gegensatz zum Ausdruck, der einerseits die Weisheit des Esels widerspiegelt und andererseits die vermeintliche Dummheit. Ebenso bekannt ist der Esel als literarische Figur aus Miguel Cervantes' Don Quijote, wo man gleichfalls auf das Gegenteil der üblichen Einschätzung des Esels trifft. Hier wird dieser liebevoll Rucio gerufen; aufgrund seiner zurückhaltenden Klugheit erweist er sich als Überlebenskünstler in allen Abenteuern des Romans.
Nach der Darstellung des Fabel- und Märchenhaften, das den Esel in der Literatur immer wieder umgibt, wurden auch biblische Esels-Gestalten näher untersucht, beispielsweise der Esel, der beim Einzug von Jesus in Jerusalem auftritt und dabei dessen Bescheidenheit versinnbildlicht. Den inhaltlichen Abschluss bildete die Beschäftigung mit Winnie the Pooh von Alan Alexander Milne – zufälligerweise wenige Tage vor dem Tod des Übersetzers Harry Rowohlt, der als deutschen Titel Pu der Bär verwendet hat. In dieser Geschichte gehört der depressive und schnell gelangweilte Esel „I-Aah“ zu den Tieren im „Hundert-Morgen-Wald“.
So gelang der Nachmittagsveranstaltung des Freundeskreises Sophie La Roche ein kurzweiliges und sinnfälliges kulturhistorisches Porträt, das die Rolle des Esels in der Literatur behandelte und diesen eher als sanftmütigen 'Rebellen' in Erscheinung treten ließ. Die Teilnehmer erfuhren am Ende nicht nur viel über den Esel und wie wir Menschen mit ihm umgehen – und umgekehrt – sondern auch über unseren menschlichen Charakter selbst. Nicht umsonst werben zur Zeit viele südliche Urlaubsländer mit „Eseltrecking“. Zuletzt erhielten alle TeilnehmerInnen noch kostenlos ein Heft zum Thema des Salons sowie eine Bildergeschichte aus dem Münchner Bilderbogen vom Anfang des 20. Jahrhunderts.
Von Wieland bis Cervantes – Lese- und Esels-Zeit im Freundeskreis Sophie La Roche>
Esel werden gemeinhin und voreilig mit den abwertenden Vorurteilen 'dumm und störrisch', 'eigensinnig und blöd' versehen, bestenfalls als 'gutmütig' beschrieben. Die vier Salonieren des Freundeskreises Sophie La Roche e. V., Christa Berge, Wiltrud Fleischmann, Helga Ilgenfritz und Karin Klinger präsentierten dazu passend ein Werk von Christoph Martin Wieland, seinerseits Cousin, Verlobter und Weggefährte der Kaufbeurer Tochter Sophie La Roche, als Auftakt der letzten Salon-Veranstaltung und begaben sich dabei auf die Spur dieses Vorurteils.
Christoph Martin Wieland, der einst mit dem Prozess um des Esels Schatten seinen ersten satirischen Roman vorlegt hatte, konnte sicherlich nicht ahnen, dass die dort von ihm beschriebenen Verhältnisse auch noch im 21. Jahrhundert Gültigkeit behalten sollten. Es geht in dem Roman um kleingeistige Schildbürgerei, um kleinkarierte Bürokratie, um Zwietracht, Lobbyismus und Dummheit, die in Staat und Gesellschaft hier wie dort vorkommen. Auch das Esels-Denkmal, das erst vor einigen Jahren in der Wieland-Stadt Biberach, mit der auch Sophie La Roche eng verbunden war, am dortigen Marktplatz aufgestellt wurde, kann als eine Art Allegorie und Plädoyer für mehr Bürgerfrieden und Gemeinnutz statt Eigennutz verstanden werden. So skizziert Wielands literarisches Werk, angesiedelt in der antiken Gesellschaft Griechenlands, auch und gerade ein satirisches Bild zeitgenössischer politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen, die nicht zuletzt auf die aktuelle Gegenwart dieser Tage und Wochen des 21. Jahrhunderts beziehbar sind und dabei einen „Schatten“ werfen, der weit über Griechenland hinaus reicht …
Nachdem der Begriff des „Esels“ in seiner gesamten lexikalischen Bedeutung beleuchtet worden war, wurde der Roman Farm der Tiere von George Orwell vorgestellt. Der Roman von 1945 beschreibt die Erhebung der Tiere einer englischen Farm gegen die Herrschaft ihres menschlichen Besitzers und Ausbeuters. Doch nach anfänglichen Erfolgen und beginnendem Wohlstand übernehmen die Schweine immer mehr die Führung und errichten schließlich ihrerseits eine Gewaltherrschaft, die noch schlimmer ist als diejenige, welche die Tiere zuvor abgeschüttelt haben. Entsprechend wurde der Roman auch immer wieder als Parabel auf die Geschichte der Sowjetunion interpretiert, bei der auf die als 'befreiend' gedachte Oktoberrevolution von 1917 schließlich eine schlimme diktatorische Herrschaft folgte.
Der Esel wiederum tritt literarisch schon in William Shakespeares Sommernachtstraum in Erscheinung, der im griechischen Athen der Antike angesiedelt ist. Dort wird der Kopf des Webers Zettel in den eines Esels verwandelt; trotzdem verliebt sich die Elfenkönigin in ihn. Auch hier kommt der Gegensatz zum Ausdruck, der einerseits die Weisheit des Esels widerspiegelt und andererseits die vermeintliche Dummheit. Ebenso bekannt ist der Esel als literarische Figur aus Miguel Cervantes' Don Quijote, wo man gleichfalls auf das Gegenteil der üblichen Einschätzung des Esels trifft. Hier wird dieser liebevoll Rucio gerufen; aufgrund seiner zurückhaltenden Klugheit erweist er sich als Überlebenskünstler in allen Abenteuern des Romans.
Nach der Darstellung des Fabel- und Märchenhaften, das den Esel in der Literatur immer wieder umgibt, wurden auch biblische Esels-Gestalten näher untersucht, beispielsweise der Esel, der beim Einzug von Jesus in Jerusalem auftritt und dabei dessen Bescheidenheit versinnbildlicht. Den inhaltlichen Abschluss bildete die Beschäftigung mit Winnie the Pooh von Alan Alexander Milne – zufälligerweise wenige Tage vor dem Tod des Übersetzers Harry Rowohlt, der als deutschen Titel Pu der Bär verwendet hat. In dieser Geschichte gehört der depressive und schnell gelangweilte Esel „I-Aah“ zu den Tieren im „Hundert-Morgen-Wald“.
So gelang der Nachmittagsveranstaltung des Freundeskreises Sophie La Roche ein kurzweiliges und sinnfälliges kulturhistorisches Porträt, das die Rolle des Esels in der Literatur behandelte und diesen eher als sanftmütigen 'Rebellen' in Erscheinung treten ließ. Die Teilnehmer erfuhren am Ende nicht nur viel über den Esel und wie wir Menschen mit ihm umgehen – und umgekehrt – sondern auch über unseren menschlichen Charakter selbst. Nicht umsonst werben zur Zeit viele südliche Urlaubsländer mit „Eseltrecking“. Zuletzt erhielten alle TeilnehmerInnen noch kostenlos ein Heft zum Thema des Salons sowie eine Bildergeschichte aus dem Münchner Bilderbogen vom Anfang des 20. Jahrhunderts.