Von Schleiern und Schatten – was von Female Peace Palace übrigbleibt
Das Festival „Female Peace Palace“ widmete sich Frauen in Krieg und Widerstand. Mit Theater und Gesprächen spannte es den Bogen vom Ersten Weltkrieg zu aktuellen Konflikten. Dr. Ursula Wiest, Literaturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin des Thea Kulturklubs der Theatergemeinde München, war für das Literaturportal Bayern vor Ort und berichtete über das Theaterprojekt „Licht“. Ein Rückblick und Resümee auf das Festival.
*
Was wird bleiben von Female Peace Palace? Von der Veranstaltungsreihe über weibliches Erleben im Krieg, die Teil der geplanten Neuschreibung einer frauenperspektivischen Kulturhistorie Münchens sein sollte? Kuratiert vom Literaturarchiv Monacensia und den Münchner Kammerspielen, zwei Häusern mit dezidiert gendersensiblen Leitungsteams?
Female Peace Palace. Viola Hasselberg, Barbara Mundel, Anke Buettner, Olivia Ebert, Rebecca Faber. Foto: Gabriela Neeb
Es werden die digitalen und analogen Netzwerke bleiben, die während der Assemblies am 21. und 22. April auf Bühnen und Podien im Hildebrandhaus und in der Hildegardstraße geknüpft wurden. Die in Communities und Portalen weiter wirkenden Texte der Vorträge und Paneldiskussionen über feministische Außenpolitik in einer Welt sich multiplizierender Unruheherde und Kampfzonen, über Interventionsmöglichkeiten gegen die ebenso alte wie perverse Tradition sexualisierter Kriegsgewalt gegen Mädchen und Frauen, über weibliches Kulturschaffen unter den Bedingungen von Exil und Okkupation, über queeren Antimilitarismus in Russland und Syrien. Stets dargeboten von stolzen, engagierten, ihr Thema inkarnierenden Persönlichkeiten. Deren markanten Gesichtern. Deren prononcierten Stimmen. Deren Dresscode, deren Style. Vom kreolisch inspirierten Outfit der Dekolonisierungs-Expertin Françoise Vergès, vom minimalistischen Businesslook der jesidisch-kurdisch-deutschen Journalistin Düzen Tekkal. Von den vielfach getragenen Festival-T-Shirts, auf denen die ikonografischen Porträts von sechs „Leading Ladies“ der historischen Frauenbewegung prangten. In der subversiv-popkulturellen Version der feministisch-gendergerecht motivierten Illustratorin Roshi Rouzbekhani aus dem Iran. Vom allseits spürbaren Wunsch, sich mit dem Spirit jener weiblichen Identifikationsfiguren zu verbinden, die im Jahr 1915 von München aus die erste pazifistische Versammlung von Frauen im Friedenspalast in Den Haag organisiert hatten: Anita Augspurg. Lida Gustava Heymann. Und all die anderen …
Versammlung | Assembly. Kristina Lunz, Tessa Hart, Françoise Vergès. Foto: Gabriela Neeb
Weiterwirken werden natürlich die Bühnenkunstwerke, die für die Performance-Orte der Kammerspiele als Auftragsarbeiten zum Thema entstanden. Die trashigen Reenactments von Schlüsselsituationen und epiphaniehaften Momenten der globalen Frauenbewegung. Neotribales Singen und Tanzen. Panier-Rock-Wirbeln. Flaggbänder-Schwenken. Schlagzeugsoli mit fluoreszierenden Drumsticks zur Feier des großen Bühnenfetischs: einer aufpumpbaren Monumental-Klitoris aus signalrot glänzendem PU-Material. Bleiben wird auch die Erinnerung an den berührenden Anblick des massiven Knotengebildes aus mehrfach ineinander geflochtenen Hanftauen, das von sechs Schwarzen Performerinnen in blau-golden schimmernder Waxprint-Couture mit hoch über die Köpfe erhobenen Armen und ernsten Mienen durchs Foyer der Kammerspiele getragen wurde. Als Teil einer wortlosen Hommage an Leben und Werk der afro-amerikanischen Bürgerrechtskämpferin Mary Church Terell.
in my hands I carry. Foto: Judith Buss
Wer sich in alledem jedoch fragte, wie nun ein „weiblicher Palast des Friedens“ ganz genau vorstellbar sei, konnte am Schlusswochenende des Festivals während der letzten Uraufführung der Performance-Reihe für sich zu einer Antwort finden. Im Werkraum der Kammerspiele näherten sich drei quirlige, in ihrer türkischen Heimat äußerst beliebte Darstellerinnen dem Leben und der Persönlichkeit von Halide Edip Adivar an. Schillernd. Dramatisch. Von Epochenbrüchen und Multikulturalität gezeichnet. So trat das Porträt der hochintelligenten Autorin, Soldatin, Künstlerin und politischen Aktivistin nach 80 Minuten aus Schichten von Gazeschleiern hervor. Aus durchsichtigen, cremeweißen Stoffbahnen, die an schlichten Holzstangen von der Bühnenraumdecke herabhingen und Verletzlichkeit in sich trugen. Aus einem von Innen heraus sanft illuminierten Kokon, dessen Wände als Projektionsfläche für die sinistren Figuren des alt-osmanischen Karagöz-Schattentheaters dienten, welches Halides Kindheit geprägt hatte.
Halide. Words of flame. Esme Madra. Foto: Gabriela Neeb
Umschattet. Provisorisch. Temporär. Von Licht durchflutet. Von Wind umweht. Aus weichem Gewebe erschaffen und nicht erbaut aus respektgebietendem Stein: möglicherweise ist ja DIES der in München entstandene weibliche Palast des Friedens.
Von Schleiern und Schatten – was von Female Peace Palace übrigbleibt>
Das Festival „Female Peace Palace“ widmete sich Frauen in Krieg und Widerstand. Mit Theater und Gesprächen spannte es den Bogen vom Ersten Weltkrieg zu aktuellen Konflikten. Dr. Ursula Wiest, Literaturwissenschaftlerin und Mitarbeiterin des Thea Kulturklubs der Theatergemeinde München, war für das Literaturportal Bayern vor Ort und berichtete über das Theaterprojekt „Licht“. Ein Rückblick und Resümee auf das Festival.
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Was wird bleiben von Female Peace Palace? Von der Veranstaltungsreihe über weibliches Erleben im Krieg, die Teil der geplanten Neuschreibung einer frauenperspektivischen Kulturhistorie Münchens sein sollte? Kuratiert vom Literaturarchiv Monacensia und den Münchner Kammerspielen, zwei Häusern mit dezidiert gendersensiblen Leitungsteams?
Female Peace Palace. Viola Hasselberg, Barbara Mundel, Anke Buettner, Olivia Ebert, Rebecca Faber. Foto: Gabriela Neeb
Es werden die digitalen und analogen Netzwerke bleiben, die während der Assemblies am 21. und 22. April auf Bühnen und Podien im Hildebrandhaus und in der Hildegardstraße geknüpft wurden. Die in Communities und Portalen weiter wirkenden Texte der Vorträge und Paneldiskussionen über feministische Außenpolitik in einer Welt sich multiplizierender Unruheherde und Kampfzonen, über Interventionsmöglichkeiten gegen die ebenso alte wie perverse Tradition sexualisierter Kriegsgewalt gegen Mädchen und Frauen, über weibliches Kulturschaffen unter den Bedingungen von Exil und Okkupation, über queeren Antimilitarismus in Russland und Syrien. Stets dargeboten von stolzen, engagierten, ihr Thema inkarnierenden Persönlichkeiten. Deren markanten Gesichtern. Deren prononcierten Stimmen. Deren Dresscode, deren Style. Vom kreolisch inspirierten Outfit der Dekolonisierungs-Expertin Françoise Vergès, vom minimalistischen Businesslook der jesidisch-kurdisch-deutschen Journalistin Düzen Tekkal. Von den vielfach getragenen Festival-T-Shirts, auf denen die ikonografischen Porträts von sechs „Leading Ladies“ der historischen Frauenbewegung prangten. In der subversiv-popkulturellen Version der feministisch-gendergerecht motivierten Illustratorin Roshi Rouzbekhani aus dem Iran. Vom allseits spürbaren Wunsch, sich mit dem Spirit jener weiblichen Identifikationsfiguren zu verbinden, die im Jahr 1915 von München aus die erste pazifistische Versammlung von Frauen im Friedenspalast in Den Haag organisiert hatten: Anita Augspurg. Lida Gustava Heymann. Und all die anderen …
Versammlung | Assembly. Kristina Lunz, Tessa Hart, Françoise Vergès. Foto: Gabriela Neeb
Weiterwirken werden natürlich die Bühnenkunstwerke, die für die Performance-Orte der Kammerspiele als Auftragsarbeiten zum Thema entstanden. Die trashigen Reenactments von Schlüsselsituationen und epiphaniehaften Momenten der globalen Frauenbewegung. Neotribales Singen und Tanzen. Panier-Rock-Wirbeln. Flaggbänder-Schwenken. Schlagzeugsoli mit fluoreszierenden Drumsticks zur Feier des großen Bühnenfetischs: einer aufpumpbaren Monumental-Klitoris aus signalrot glänzendem PU-Material. Bleiben wird auch die Erinnerung an den berührenden Anblick des massiven Knotengebildes aus mehrfach ineinander geflochtenen Hanftauen, das von sechs Schwarzen Performerinnen in blau-golden schimmernder Waxprint-Couture mit hoch über die Köpfe erhobenen Armen und ernsten Mienen durchs Foyer der Kammerspiele getragen wurde. Als Teil einer wortlosen Hommage an Leben und Werk der afro-amerikanischen Bürgerrechtskämpferin Mary Church Terell.
in my hands I carry. Foto: Judith Buss
Wer sich in alledem jedoch fragte, wie nun ein „weiblicher Palast des Friedens“ ganz genau vorstellbar sei, konnte am Schlusswochenende des Festivals während der letzten Uraufführung der Performance-Reihe für sich zu einer Antwort finden. Im Werkraum der Kammerspiele näherten sich drei quirlige, in ihrer türkischen Heimat äußerst beliebte Darstellerinnen dem Leben und der Persönlichkeit von Halide Edip Adivar an. Schillernd. Dramatisch. Von Epochenbrüchen und Multikulturalität gezeichnet. So trat das Porträt der hochintelligenten Autorin, Soldatin, Künstlerin und politischen Aktivistin nach 80 Minuten aus Schichten von Gazeschleiern hervor. Aus durchsichtigen, cremeweißen Stoffbahnen, die an schlichten Holzstangen von der Bühnenraumdecke herabhingen und Verletzlichkeit in sich trugen. Aus einem von Innen heraus sanft illuminierten Kokon, dessen Wände als Projektionsfläche für die sinistren Figuren des alt-osmanischen Karagöz-Schattentheaters dienten, welches Halides Kindheit geprägt hatte.
Halide. Words of flame. Esme Madra. Foto: Gabriela Neeb
Umschattet. Provisorisch. Temporär. Von Licht durchflutet. Von Wind umweht. Aus weichem Gewebe erschaffen und nicht erbaut aus respektgebietendem Stein: möglicherweise ist ja DIES der in München entstandene weibliche Palast des Friedens.