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Nachbericht zur Lesung von Olga Grjasnowa in Lauf an der Pegnitz

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Olga Grjasnowa (c) Stadtbücherei Lauf

Russisch, Aserbaidschanisch, Jüdisch oder Deutsch und Syrisch-Arabisch, vereint Olga Grjasnowa in ihrer Biografie. Flucht als intensive Familienerfahrung ebenso. Für ihren Roman Gott ist nicht schüchtern hat sie umfangreich recherchiert. Wie sie zu diesem Stoff kam, was sie selbst erlebt hat und was ihr Kulturen heute bedeuten, erfuhr das aufmerksame Publikum auf beeindruckende Weise bei ihrer Lesung am Mittwoch, 25. April, in der Stadtbücherei.

„Ich wusste erschreckend wenig von Syrien und den umliegenden Ländern“, hat Olga Grjasnowa festgestellt, als sie ihren syrischen Mann kennenlernte. Sie fing an zu lesen, zu recherchieren und führte schließlich viele Interviews mit Menschen, die aus Syrien geflohen waren. Eine journalistische Arbeit sei das gewesen, die ihr viel Spaß gemacht habe, erzählt sie im Gespräch mit Tom Viewegh vom Bayerischen Rundfunk, der den Abend moderierte. Sie fuhr nach Lesbos, besuchte den Libanon, war in der Türkei. Sie habe dieses Buch nie schreiben wollen, berichtet sie. Aber sie hatte schließlich so viele Geschichten gesammelt, dass sich ihr die Figuren des Buches und gleich drei Erzählstränge aufdrängten. Einen davon musste sie wieder streichen, habe die Lektorin verlangt. „Aber sie hatte Recht“, gibt Olga Grjasnowa zu.

Die junge in Baku geborene Autorin, die heute in Berlin lebt, war im Alter von 11 Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen, Mitte der 1990er-Jahre als sogenannte Kontingentflüchtlinge. „Ein Asylheim in Hessen ist auch nicht lustig“, erwähnt sie kurz. Ansonsten geht es ihr weniger um ihre eigene Geschichte, sondern um die intensive, realistische Darstellung der Lebenssituationen geflüchteter Menschen. Sie wählt eindrückliche Textstellen, die vom privilegierten Leben der beiden Hauptfiguren in Syrien, der aufreibenden Flucht und der tristen Atmosphäre in der Berliner Ausländerbehörde erzählen. Dennoch berichtet sie: „Die wirklichen Geschichten sind oft noch viel schlimmer, aber das glaubt mir ja kein Mensch in der Geschichte!“ Ein Teil des Publikums weiß es sehr genau, sind doch Teilnehmende eines Deutschkurses darunter. Die Lesung ist die zweite öffentliche Veranstaltung des Integrationsprojektes der Stadtbücherei.

Welche ihrer vielen kulturellen Plattformen für sie denn heute entscheidend sei, die russische, die jüdische, deutsche oder die arabische Kultur ihres syrischen Ehemannes, fragt ein Besucher bei der abschließenden Fragerunde. „Die Demokratie!“, antwortet sie. Nach all den eigenen Erfahrungen, aber auch den gehörten anderer sei für sie der Wert der Rechtsstaatlichkeit ein unschätzbarer. „Ich könnte nicht mehr leben in einem Land, wo man ständig ein Loblied auf einen Despoten singen muss.“ Mehrfach betont sie, für wie wertvoll sie Rechtsstaatlichkeit halte, wenn man Verfehlungen offen benennen dürfe und denen auch nachgegangen würde. Das alles sagt sie ruhig, aber mit großem Nachdruck. Ob ihr Buch wehtun soll, fragt Tom Viewegh. „Es muss wehtun, je mehr, umso besser!“