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Alles Echt. Alles Fiktion. 8. Literaturfest München zieht Bilanz

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© Juliana Krohn

Mit dem Markt der unabhängigen Verlage im Literaturhaus München und dem Auftritt des Historikers und Bestsellerautors Philipp Blom ging am Sonntagabend das 8. Literaturfest München zu Ende. Zum Festival vom 15. November bis 3. Dezember 2017 kamen rund 80 internationale Autorinnen und Autoren in die Landeshauptstadt. Mit „Alles Echt. Alles Fiktion“ stellte Doris Dörrie in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus München ein aktuell brisantes Thema in den Mittelpunkt und beleuchtete aus Perspektiven der Literatur, des Films, des Hörspiels, der Wissenschaft und des Journalismus, wie Imagination und Wirklichkeit, Fakt und Fiktion zueinanderstehen.

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Besuchermagnet der 58. Münchner Bücherschau war die große Buchausstellung mit über 300 Verlagen im Münchner Gasteig und einem Programm für Leserinnen und Leser jeder Generation. Im Rahmen des Literaturfests wurden zwei Preise verliehen: der Geschwister-Scholl-Preis an den Autor Hisham Matar für sein Buch Die Rückkehr und der Preis für einen Bayerischen Kleinverlag an den Augsburger Maro-Verlag.

Die Veranstalter des Literaturfests München freuen sich, 2017 einen neuen Besucherrekord verkünden zu dürfen: Zur 58. Münchner Bücherschau, dem von Doris Dörrie kuratierten forum:autoren, zum Festprogramm des Literaturhauses München sowie zur Geschwister-Scholl-Preisverleihung kamen insgesamt rund 23.000 Besucher, darunter erneut die beeindruckende Zahl von rund 7.000 Gästen beim Kinder- und Schulklassenprogramm der Münchner Bücherschau. Die große Buchausstellung im Gasteig zog insgesamt rund 160.000 Interessierte an.

 

Das zersplitterte Ich: Sven Regener © Juliana Krohn

 

Besonders lebhaft wurde das Literaturfest München dieses Jahr auf den Social-Media-Kanälen begleitet und diskutiert. Der Auftritt von Bestseller-Autor Ken Follett wurde auf Facebook übertragen, Medienpartner BR Capriccio hat die Abende mit Ijoma Mangold und Catherine Millet sowie mit Colson Whitehead gestreamt – über blog.litmuc.net werden die Videos noch rund sechs Monate verfügbar sein. Alle Live-Streams zusammen brachten bisher über 10.000 Video-Aufrufe. Insgesamt begleiteten das Literaturfest München rund 6.500 Follower, einzelne auf den Social Media Plattformen gepostete Beiträge erzielten eine Reichweite von über 130.000 Aufrufen.

 

Kuratorin Doris Dörrie moderiert Sven Regener an © Juliana Krohn

 

Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers betont: „Die achte Auflage des Münchner Literaturfests war wieder ein großer Erfolg. Doris Dörrie holte beim forum:autoren starke Autorinnen und Autoren wie Deborah Feldman, Ariel Levy, Sven Regener, Ingo Schulze oder Verena Kast aufs Podium. Unter dem Motto ‚Alles echt. Alles Fiktion‘ haben sie die Grenzen zwischen Fakt, Fake und Fiktion ausgeleuchtet. Wie hochaktuell diese Fragen sind, zeigen auch die beeindruckenden Besucherzahlen.“

Tanja Graf, Geschäftsführerin des Literaturfests München unterstreicht: „Das Literaturfest war lebendig und anregend wie nie zuvor, die Resonanz unseres Publikums überwältigend. Neben literarischen Weltstars wie Péter Nádas, Colson Whitehead und Salman Rushdie konnten auch diesmal wieder großartige Debüts entdeckt werden. Unser Wunsch, dass das Literaturhaus dem Festival neue Glanzlichter verleihen konnte, ist aufgegangen: Dazu hat auch unsere Pop-up-Festivalbar ‚Panoptikum‘ beigetragen.“

Michael Then, Vorsitzender des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern stellt heraus: „Besonders beeindruckt hat mich, dass die Münchner Bücherschau den Leserinnen und Lesern so viele ausgezeichnete Autoren präsentieren konnte: Stellvertretend seien hier genannt der diesjährige Geschwister Scholl-Preisträger Hisham Matar, der Preisträger des Deutschen Buchpreises Robert Menasse und der Georg Büchner-Preisträger Marcel Beyer. Nicht zu vergessen die beeindruckende Vielfalt der Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und was wäre die Bücherschau ohne die vielen Gäste, die täglich vom Morgen bis spät in die Nacht im Gasteig stöbern, schmökern, staunen, diskutieren und zuhören konnten“.

 

Friedrich Christian Delius im Literaturhaus München © Juliana Krohn

 

forum:autoren und Festprogramm des Literaturhauses München über Wirklichkeit und Fiktion

Wie unterschiedlich wird Realität wahrgenommen? Welche Lesarten gibt es? fragte Doris Dörrie beim forum:autoren. Mehrere der hauptsächlich im Literaturhaus stattfindenden Veranstaltungen waren schon vor Beginn des Festivals ausverkauft bzw. mussten kurzfristig in größere Räume verlegt werden. Besuchermagnete waren unter anderem die Auftritte von Olli Dittrich, Ken Follett, Sven Regener, Salman Rushdie, Ingo Schulze und Colson Whitehead. Zudem bot die Kooperation mit der Hochschule für Fernsehen und Film HFF und dem DOK.fest München einen fruchtbaren neuen Impuls, worüber sich Doris Dörrie besonders freut. Ein wichtiges Anliegen war ihr, das Crossover und Zusammenspiel unterschiedlicher Disziplinen anzuregen. So kamen Filmbegeisterte ins Literaturhaus und Buchleser zu den Filmvorführungen und -gesprächen in die HFF. Doris Dörrie erläuterte dort in einer Master Class ihren Weg zum Dokumentarfilm als einen Balanceakt zwischen Wahrheit und Fiktion, zeigte das für sie Faszinierende am Beobachten und Fiktionalisieren der Realität. Filmemacherin und Dozentin Maya Reichert bilanziert: „Die HFF war dieses Jahr besonderer Spielort des Literaturfests München mit dem spannenden Format ‚Filme lesen‘. Das ist Festival – zum Genuss des Literaturevents noch ein weiteres Plus an Horizonterweiterung hinzuzufügen.“

 

Maya Reichert und Jakob Schneider in der Hochschule für Fernsehen und Film © Juliana Krohn

 

Ein weiteres Crossover der Disziplinen boten zwei Symposien im Literaturhaus München über „Lüge und Fiktion“ sowie „Lüge in Erinnerung“, lebendig gestaltet durch das japanische Pecha Kucha-Konzept: Für seinen Vortrag wählte jeder/ jede zehn passende Bilder aus, die in jeweils vierzig Sekunden erläutert werden mussten. Die Zeit auf dem Podium blieb damit für alle gleich: In exakt sechs Minuten und vierzig Sekunden legten die Vortragenden ihr Thema anhand von Bildern dar. Eine andere kreative Perspektive auf die Verbindung von Bild und Wort warf der Graphic Novel-Abend. Hier traten die Comic-Autorin Barbara Yelin auf, Paco Roca, der erfolgreichste Comic-Zeichner Spaniens sowie der syrische Zeichner Hamid Sulaiman. Die Profis führten ihre Künste nicht nur vor, sondern animierten das Publikum mit zu zeichnen und selbst zu erleben, wie Graphic Novels entstehen können.

Eigens für das Literaturfest München wurde das „Panoptikum“ in der Ausstellungshalle des Literaturhaues errichtet, mit Requisiten und Kulissen aus legendären Filmen wie Grand Budapest Hotel und einem beeindruckenden Wachsfigurenkabinett. Der neue zentrale Festivaltreff war bis spät in die Nacht gut gefüllt und zog vor allem ein junges Publikum an. Zusätzlich zur Inspiration durch die besondere Kulisse lockte das eigene (Musik-) Programm des Panoptikums, etwa mit der Band Isolation Berlin, der Münchner Impro-Opern-Truppe La Triviata, mit Dmitrij Kapitelman oder Pollyester-Frontfrau Polly Lapkovskaja.

 

Polly Lapkovskaja und Jovana Reisinger als Friends forever im Panoptikum © Juliana Krohn

 

58. Münchner Bücherschau: ein Lesefest für Erwachsene, Kinder und Jugendliche

Die 58. Münchner Bücherschau freut sich erneut über einen großen Besucherzustrom. Die Buchausstellung im Münchner Gasteig bot umfassende Gelegenheit, in den Neuerscheinungen des Herbstes zu stöbern. Beim Abend- oder Familienprogramm konnten die Leserinnen und Leser zahlreichen Autoren persönlich begegnen oder auch beim Bayern 2-Diwan ihre Lieblingsmoderatoren des Kulturkanals live in Gesprächen mit Festival-Autoren erleben. Hier waren regelmäßig nicht nur die Stühle, sondern auch sämtlich verfügbare Bodenplätze belegt. Highlights waren die Diwan-Gespräche mit Sven Regener, Robert Menasse, Thomas Lehr, Marcel Beyer und Ingo Schulze sowie der Live-Diwan. Verbunden hat die Autoren-Begegnungen ihr Blick auf die aktuelle Gegenwart und Geschichte sowie auf die gesellschaftliche Relevanz von Literatur.

Besonders groß war das Publikumsinteresse an den Veranstaltungen mit Spannungsautor Sebastian Fitzek, nach dessen Lesung es die längste Signierschlange in der Geschichte der Münchner Bücherschau gab. Außerdem mit Ulrich Wickert, der sein neues Buch Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen vorstellte sowie mit Robert Menasses Lesung aus Die Hauptstadt. Nora Gomringer und Baby Sommer zeigten eine beeindruckende Performance mit der Vertonung von Grimms Wörter, Günter Grass‘ Liebeserklärung an die deutsche Sprache.

Das Kinder- und Familienprogramm der Münchner Bücherschau war fast immer ausgebucht. Hier traten Publikumslieblinge auf wie Ute Krause, Andreas Steinhöfel, Ursula Poznanski und Paul Maar. Ute Krause signierte geschlagene zwei Stunden lang und beglückte jeden kleinen Fan mit einer Muskeltier-Originalzeichnung. Chris Bradford brachte mit vollem Körpereinsatz und vielen Fans ‚Action pur‘ auf die Bühne. Als neuer Trend im Buch-Jahr 2017 zeigten sich anspruchsvolle Jugendbücher zu politischen Themen wie die Flüchtlingsproblematik und der Rechtsradikalismus. So löste etwa Martin Schäuble mit seinem Buch Endland lange Diskussion unter Jugendlichen und Erwachsenen aus. Das Finale im Münchner Gasteig setzten die Bestsellerautorinnen Ursula Poznanski und Angie Sage.

 

Büchner-Preisträger Frank Witzel © Juliana Krohn

 

Geschwister-Scholl-Preis 2017 an Hisham Matar

Am 20. November 2017 nahm Hisham Matar vor rund 650 geladenen Gästen den Geschwister-Scholl-Preis entgegen. Der Preis wurde ihm von der Landeshauptstadt München und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern für sein Buch Die Rückkehr. Auf der Suche nach meinem verlorenen Vater verliehen. Susanne Mayer (DIE ZEIT) sagte in ihrer Laudatio: „Es gibt in diesen Büchern eine Ineinanderfaltung von Motiven, und zwischen den einzelnen Falten nisten: Schock. Trauer. Trauma. Das, was Diktatur den Menschen antut. Überall, nicht nur in Libyen, nicht nur damals in Deutschland, als die jungen Menschen der Weißen Rose gegen das Unrechtregime antraten, überall dort, wo der Wunsch der Menschen nach Freiheit und Demokratie aufgerieben und zerstört wird oder nie eine Chance bekommt. In diesem Sinne überragen die Bücher von Hisham Matar das persönliche Schicksal, das Autobiographische. Auch wenn sie aus dem autobiographischen Erleben schöpfen, um ein Verhängnis zu schildern, das Menschen überschattet, die ihr Leben unter den Bedingungen von Diktatur leben.“

 

Markt der unabhängigen Verlage: Bayerischer Kleinverlagspreis 2017 an Augsburger Maro-Verlag

Den farbenfrohen Schlussakkord des Literaturfests setzte der Independent-Markt Andere Bücher braucht das Land im Literaturhaus München. Rund 30 unabhängige Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentierten Bücher jenseits des Mainstream: Neu- und Wiederentdeckungen, Prosa, Pop und Poesie, Comics, Kinderbücher und Kalender, druckgrafische Werke und buch-künstlerische Editionen. Der Preis für einen Bayerischen Kleinverlag 2017 ging an den Augsburger Maro Verlag. Mit dem Preis würdigt das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst die Leistungen bayerischer Verlegerinnen und Verleger, die den Buchmarkt mit qualitätvollen Programmen bereichern. Bayerns Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle betonte. „Seit fast 50 Jahren sorgt der Maro Verlag für literarische Überraschungen. Er hat die freiheitsliebenden und wortmächtigen Autoren der Beat-Generation aus den USA in den deutschsprachigen Raum gebracht und zeigt bis heute besonderen Spürsinn für bemerkenswerte Autorinnen und Autoren“. Der Kleinverlagspreis ist mit 7.500 Euro dotiert und wurde 2017 zum neunten Mal vom Bayerischen Kunstministerium auf Vorschlag einer Jury vergeben.

Die Veranstalter des Literaturfests München bedanken sich sehr herzlich bei ihren Förderern und Sponsoren: dem Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, bei den Firmen DATEV und PwC sowie bei den Medienpartnern Bayern 2 und Capriccio!

 

   

Mein Ich in Bildern mit Paco Roca und Barbara Yelin © Juliana Krohn

 

Das 9. Literaturfest München findet vom 14. November bis 2. Dezember 2018 statt.

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