Literarischer POMONA-Salon in Kaufbeuren: Literatur aus der Vogelperspektive

Im vollbesetzten Sophie La Roche-Zimmer des Stadtmuseums Kaufbeuren haben Christa Berge, Wiltrud Fleischmann, Helga Ilgenfritz und Karin Klinger den Besuchern beim letzen Literarischen Salon unter dem Motto „Seht, wie fliegt der Vögel Schar“ einen Einblick in die literarische Behandlung des menschlichen Traums vom Fliegen und der mythischen Dimension der Vögel in der Literatur gegeben – angefangen bei Texten aus vorchristlicher Zeit bis hin zu Theodor Storm und Joachim Ringelnatz.

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Zunächst wurde das Thema des uralten Traums der Menschen vom Fliegen am Beispiel des fliegenden Paters Kaspar Mohr im Kloster Schussenried des 17. Jahrhunderts dargestellt. Eine Grundlage für die Verwirklichung dieses Menschheitstraums bildet die schon seit Jahrtausenden vorhandene und bereits in vorchristlicher Zeit einsetzende Mythenbildung um den Vogel.

So verlässt etwa „Ba“, ein Seelen-Vogel aus der ägyptischen Mythologie, beim Eintritt des Todes den Körper des sterbenden Menschen – eine Vorstellung, die sich auch in der christlichen Überlieferung findet. In vielen Kulturen (von der indischen bis hin zur christlich-abendländischen) bildet beispielsweise der Phoenix eine Erscheinungsform der Seele, oftmals literarisch dargestellt als Bachstelze oder Reiher. Daneben dient der Phoenix als Sinnbild für den Tod und die Auferstehung Christi.

Das Volkslied Wenn ich ein Vöglein wär (aus unbekannter Quelle), erfasst von der Sophie La Roche-Enkelgeneration mit Clemens Brentano und Achim von Arnim in Des Knaben Wunderhorn, wurde als Ausdruck des unerfüllt gebliebenen Wunschtraums, einen geliebten Freund zu erreichen, herausgegeben. Das Ikarus-Gedicht von Justinus Kerner beschreibt ebenfalls den Traum vom Fliegen: zunächst bis zu seiner Geliebten in Straßburg, am Vorabend seiner Hinrichtung sollte es in Augsburg erscheinen.

Die Nachtigall gehört neben dem Phoenix zu den am meisten literarisch verwendeten Vogelarten, ist sie doch das Sinnbild für die Romantik und dabei ganz besonders für die Liebenden. So haben vor allem die Romantiker, beispielsweise Clemens Brentano in Des Knaben Wunderhorn, aber auch viele andere Vertreter wie Theodor Storm in Die Nachtigall oder Joachim Ringelnatz in Am Sachsenplatz …, dem singenden Vogel ein literarisches Denkmal gesetzt.

Mit der Liebe in Verbindung steht unter anderem der Schwan als Verkörperung von Reinheit und Vollendung. Im christlichen Umfeld stehen sie in enger Verbindung mit der Jungfrau Maria. Der Schwan kann aber auch als Symbol für die erotische Liebe gelten, und weiße Schwäne erscheinen mit ihrem „Schwanengesang“ märchenhaft.

In der Heiligen Schrift werden die Vögel mit ihren jeweiligen Eigenschaften auch oft mit dem Tun der Menschen verglichen: Der Adler, der seine Jungen beschützt, kommt von allen Vogelarten wohl am häufigsten vor, die Fürsorge Gottes wird etwa am Beispiel von Elia und die Raben dargestellt. In der Sintflut-Geschichte und bei der Taufe Jesu im Jordan erscheint erstmals eine Taube als Sinnbild des Geistes Gottes. Und am oft gering geschätzten Sperling erklärt Jesus „Gottes Liebe zum Geringsten“.

Neben der „schweren“ Symbolik steht der Vogel in der Literatur aber immer wieder auch für Leichtes und Heiteres. Ein Beispiel dafür ist der Papagei: Der Papagei, wie von Dshu Tjing-Yü aus China beschrieben, symbolisiert immerwährende Lauschangriffe, die sogar eine besondere Tagesaktualität erkennen lassen.

 

Leise rauscht im frühlingsblauen

Abend des Palastes Tor.

Zwei geschmückte Nebenfrauen

steigen zum Altan empor.

Eh sie sprechen und vertrauen,

sehen sie sich atmend um.

Da erblicken sie den grauen

Papagei  und bleiben stumm.

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