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21.03.2017, 12:00 Uhr
Sophie Obwexer
Spektakula
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Bericht über das 17. Wortspiele Festival im Muffatwerk

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(c) Wortspiele

Zum siebzehnten Mal fand in diesem Jahr das internationale Literaturfestival Wortspiele im Muffatwerk München statt. Vom 15. bis zum 17. März 2017 konnten insgesamt 18 junge deutschsprachige Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich, Russland und dem Iran ihre neuen Bücher vorstellen. Den Abschluss bildete traditionell die Verleihung des Bayern 2-Wortspiele-Preises, der in diesem Jahr an Andreas Stichmann ging.

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Ein mysteriöses Haus, die Suche nach dem wahren Leben oder der Wunsch nach einem Leben woanders, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit oder der Realität. Das alles thematisierten die sechs Autoren am Mittwoch im Rahmen des Wortspiele Festivals im Muffatwerk. Sie lasen nacheinander aus ihren Romanen, bis schließlich der Tagesgewinner gekürt wurde. Die Geschichten der Autorinnen und Autoren hätten verschiedener nicht sein können, auch ihre Art zu schreiben ähnelte sich kaum, und so entstand ein abwechslungsreicher, bunter Abend.

Den Anfang machte die junge Autorin Kristina Pfister, die aus ihrem Debütroman Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten las. Es geht darin um die Verlorenheit nach der Jugend, um den Wunsch nach etwas anderem als nur von einem Praktikum ins nächste zu rutschen. Die Hauptfigur Annika fängt erst an richtig zu leben, als sie Marie-Luise kennenlernt, der alles zuzufliegen scheint, was Annika sich wünscht.

Der Wunsch nach etwas anderem ist auch ein Thema, mit dem sich Alina Herbing in ihrem Roman Niemand ist bei den Kälbern beschäftigt. Ihre Hauptfigur träumt davon, aus dem erstickenden Landleben auszubrechen und in die Stadt zu ziehen.

Ein ganz anderes Thema schneidet hingegen Juliana Kálnay an, die in ihrem Roman Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens die Bewohner eines mysteriösen Hauses porträtiert, wie zum Beispiel die Familie Will, die nie jemand zu Gesicht bekommt, aber aus deren Wohnung nachts immer unheimlicher Lärm kommt.

Tagesgewinner am Mittwoch war Benjamin Lebert, der aus seinem Roman Die Dunkelheit zwischen den Sternen las. Dieser handelt von mehreren Kindern in einem Heim in Nepal, in dem der Autor eine Zeit lang für eine Hilfsorganisation tätig war.

Am Donnerstag folgten Julia Zange, Jasmin Ramadan, Kerstin Preiwuß, Martin Becker, Nina Bußmann und Andreas Stichmann dem Beispiel ihrer Kollegen und Konkurrenten vom Vortag. Der Tagessieg ging an Martin Becker für seinen autobiografischen Roman Marschmusik, der die Geschichte einer Arbeiterfamilie in der Kleinstadt am Rande des Ruhrgebiets erzählt.

Die Tagessieger von Mittwoch und Donnerstag: Benjamin Lebert und Martin Becker © Literaturportal Bayern

Den krönenden Abschluss des Festivals bildete der Freitag mit den Lesungen von Lena Gorelik, Hannah Dübgen, Jakob Nolte, Julia Wolf, Nadja Schlüter und Philipp Winkler und der Verleihung des Bayern 2-Wortspiele-Preises. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert und beinhaltet auch ein Auslandsstipendium in der Villa Aurora, der ehemaligen Feuchtwanger-Villa in Los Angeles. Der Gewinnertext wird dort ins Englische übersetzt und auf einer öffentlichen Lesung präsentiert. Der Preis geht in diesem Jahr an Andreas Stichmann für seinen Roman Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk. In der Jurybegründung heißt es dazu:

 

Bianca ist 17. Blaue Haare, Springerstiefel, neu auf dem Sonnenhof in Hamburg-Osdorf, wo sie Sozialstunden ableisten soll. Wie Alice im Wunderland rutscht sie durch einen Tunnel in diesen Mikrokosmos wundersamer Figuren, „marsig und nice“ allesamt. Aber richtig schräg wird es, als David van Gehlen alias Sydney Seapunk auf den Plan tritt und sich entführen lassen möchte, für den guten Zweck und seine Vision vom besseren Leben.  

Ohne missionarischen Gestus, erzählt Andreas Stichmann von einer Mission des Guten.

So vergnügt und originell, so einfühlsam und gewitzt schreibt selten einer über verlorene Utopien, einsame Glücksucher und Betreutes Wohnen als Schelmenroman. Schon wenige Seiten führen in das bizarre Szenario dieser märchenhaften Groteske wie auf eine Theater-Bühne voller fröhlicher Optimisten, die ihre Probleme auf ganz eigene Weise angehen.

Während Autoren heute eher Defizite und Kälte der Gesellschaft skizzieren, entwirft Andreas Stichmann mit heiterer Empathie ein phantastisches Szenario liebenswerter Komplizen, macht das Mögliche im Unmöglichen sichtbar und beschert mit seinem Roman „Die Entführung des Optimisten Sydney Seapunk“ ein Lese-Vergnügen, das ansteckend wirkt; Gefahren und Nebenwirkungen der Rebellion inbegriffen.

Für seine mit Cartoons gespickte Groteske, die den Ernst nicht aus den Augen verliert und das Utopische wagt, erhält Andreas Stichmann den Bayern 2-Wortspiele-Preis 2017 (...).

 

Festivalgründer Johan De Blank und der diesjährige Preisträger Andreas Stichmann © Literaturportal Bayern

Im Club Ampere im Muffatwerk, umrahmt von einer Musikauswahl des Autors und DJs Nikolai Vogel, wurde der Sieg und das Ende des diesjährigen Wortspiele Festivals anschließend gebührend gefeiert. Danach zieht das Festival weiter und gastiert am 30. und 31. März in Wien.

 

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