Tagung des Deutschen Akademikerinnenbundes: Verleihung des Sophie La Roche-Preises 2016
Nachdem der Freundeskreis Sophie La Roche aus Kaufbeuren zur diesjährigen Verbandstagung des Deutschen Akademikerinnenbundes von dessen 2. Vorsitzender, Frau Maria von Welser, eingeladen wurde, nahmen Helga Ilgenfritz als Vorsitzende und Ingrid Zasche als Beisitzerin des Freundeskreises an dieser hochkarätigen Verbandstagung in der Katholischen Akademie Berlin teil. Die Tagung stand einerseits im Zeichen des 90-jährigen Bestehens des Deutschen Akademikerinnenbundes 2016 und hatte andererseits mit der Verleihung des „Sophie La Roche-Preises“ 2016 an Frau Prof. Dr. Havenith-Newen ihren eindrucksvollen Höhepunkt. Der Sophie La Roche-Freundeskreis war darum um ein offizielles Grußwort gebeten worden.
Seit 2010 verleiht der Deutsche Akademikerinnenbund den „Sophie La Roche-Preis“ an Frauen, die sich auf Grund ihrer Leistungen und ihres persönlichen Engagements für Frauen besonders hervorgetan haben. Der Preis war zuvor zweimal verliehen worden:
Im Jahr 2010 wurde die ehemalige Bundeswissenschaftsministerin und heutige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Edelgard Bulmahn, als erste Preisträgerin ausgezeichnet. Den zweiten „Sophie La Roche-Preis“ erhielt 2012 Maria von Welser, bekannte Journalistin und Gründerin des ZDF-Frauenjournals „Mona Lisa“, für ihre ungeschminkte weltweite Berichterstattung über die Situation von Frauen.
Nach der Laudatio von Frau Dr. Patricia Aden, der Vorsitzenden des Deutschen Akademikerinnenbundes, auf die neue Preisträgerin, Frau Prof. Dr. Havenith-Newen, übermittelten die ehemalige Bundesministerin und Präsidentin des Deutschen Bundestags, Frau Prof. Dr. Rita Süßmuth, und die ehemalige Bundesministerin und aktuelle Bundestagsvizepräsidentin, Frau Edelgard Bulmahn, jeweils Grußworte.
Helga Ilgenfritz vom Freundeskreis Sophie La Roche aus Kaufbeuren stellte im Rahmen ihres Grußworts die erste deutschsprachige Romanautorin als eine frühe, „empfindsame“ Kosmopolitin dar und verwies dabei auf den 2014 verstorbenen Prof. Dr. Dr. h. c. Wilfried Barner, der im Jahr 2007 im Rahmen des „Sophie La Roche-Symposiums“ im Schillerarchiv Marbach einen höchst interessanten Exkurs über diese Dimension der Kaufbeurer Autorin vorlegte. Augenfällig wird dabei, wie visionär ihr Kosmopolitismus auf die heutige globalisierte Welt wirken kann und wie dies von der Wissenschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts vermittelt wird, um auch im Rahmen der aktuellen Integrationsdebatten angewandt werden zu können.
Sophie La Roche wünschte sich im Brief vom 11. Dezember 1806 an Georg Wilhelm Petersen, also kurz vor ihrem Lebensende 1807, als ganz Europa von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen umgeben war, eine Stiftungsprofessur zum Vergleich der Kulturen einzurichten: „Ach, wie wünschte ich mir Geld genug, um eine Professur zu stiften, wo junge Leute [...] den Unterschied der Nationalcharakter studieren könnten, wie diese in Frieden und Streit sich zeigen. [...] O mein Freund! sagen Sie: Würde dieser Lehrstuhl unnütz sein für die Zukunft?“ Ein Zitat, das so sehr ihr fortschrittliches Denken erkennen lässt.
***
Grußwort: Sophie von La Roche (1730-1807) im literarischen und kultur-politischen Feld von Aufklärung und Empfindsamkeit
Sehr geehrte Frau Vorsitzende Dr. Aden,
sehr geehrte Frau von Welser,
sehr geehrte Frau Professor Süßmuth und Frau Bulmahn,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich darf Ihnen zunächst herzlich danken für die Einladung zu Ihrer Tagung, die auch im Zeichen des 90-jährigen Bestehens Ihres Verbandes steht, zu dem ich Sie herzlich beglückwünsche.
Da die Verleihung des diesjährigen Sophie La Roche-Preises an Frau Prof. Dr. Martina Havenith-Newen einer der Höhepunkte der Tagung bildet, liegt es natürlich nahe, zwischen den Erziehungs- und Bildungsidealen der Sophie La Roche vor über 200 Jahren und der Gegenwart, die aktuell mit der Preisverleihung sinnfälligen Ausdruck findet, einen historischen Bogen zu spannen.
Lassen Sie mich daher eine kleine Rückschau nehmen auf einige Inhalte eines Symposiums, das aus Anlass des 200. Todestages von Sophie La Roche im Jahr 2007 im Schillerarchiv Marbach unter Beteiligung von 18 Professorinnen und Professoren aus aller Welt durchgeführt wurde und an dem ich ebenfalls teilhaben durfte. Sie porträtieren die erste deutsche Romanautorin aus verschiedenen Blickwinkeln, die Sophie La Roche im literarischen und kulturpolitischen Feld von Aufklärung und Empfindsamkeit einen besonderen Rang verleihen:
Ich zitiere:
Als Frau war La Roche aber per se darauf festgelegt, didaktisch zu schreiben, sich zum Beispiel auch in ihrer Zeitschrift Pomona und den Briefen an Lina nicht selbst darzustellen und zu „verkaufen“, sondern den Leserinnen vielmehr eine mütterliche Hilfe zu sein. Die Beiträge von Nina Birkner und York-Gothart Mix sowie von Reiner Wild verdeutlichen, dass La Roche die geschlechtlichen Grenzen stets einhielt: Ihr fiktionales wie faktuales Schreiben bezieht sich auf weibliche Interessensbereiche. Das Wissen, das sie anderen Frauen weitergeben möchte, erstreckt sich dabei bis auf andere Kulturen. So machen unter anderem das Vorwort der Herausgeberinnen und der Beitrag von Wilfried Barner wie auch Loster-Schneiders Untersuchungen zu La Roches Amerika-Roman noch eine weitere ihrer Gesinnungen deutlich, die bislang wenig beachtet worden sind:
La Roche war eine Kosmopolitin, eine Weltbürgerin.
Barner [Anm.: im Jahr 2014 verstorben] liefert einen höchst informativen Exkurs über dieses philosophische Konzept, wobei augenfällig wird, wie visionär La Roches Kosmopolitismus auf die heutige globalisierte Welt verweist. La Roche wünschte sich eine Stiftungsprofessur zum Vergleich der Kulturen: „Ach, wie wünschte ich mir Geld genug, um eine Professur zu stiften, wo junge Leute [...] den Unterschied der Nationalcharakter studieren könnten, wie diese in Frieden und Streit sich zeigen. [...] O mein Freund! sagen Sie: Würde dieser Lehrstuhl unnütz sein für die Zukunft?“ – Ein Zitat, das so sehr ihr fortschrittliches Denken erkennen lässt [...]. Es sei also wohlgemerkt: La Roche und die vorliegenden Aufsätze über sie geben Anregungen! Denn vielleicht kann ihr empfindsamer Kosmopolitismus sogar ein Wegweiser in der aktuellen Integrationsdebatte sein. Für La Roche und die Figuren ihrer Werke stellt das Fremde keine Bedrohung dar, sondern eine Bereicherung. Die Begegnung mit fremden Kulturen ist für sie immer auch eine Wissenserweiterung.
Ende des Zitats.
Lassen Sie mich diesen kleinen Exkurs nun abschließen:
Mit dem vorstehenden Literaturhinweis aus dem Jahr 2010/2011 treten auch, oft unfreiwillige, auf die aktuellen Zeitumstände des beginnenden 21. Jahrhunderts – also über 200 Jahre nach dem Tode von Sophie La Roche – beziehbare internationale Nationalitäten- und Kulturvergleiche auf, die die erste deutschsprachige Roman-Autorin, geboren in Kaufbeuren (1730-1807) nicht nur als frühe Europäerin in diesem Geiste, sondern mehr noch auch als Weltbürgerin definieren lässt.
Sophie La Roche, ob nun als erste deutschsprachige Romanautorin, als ebensolche erste weibliche deutschsprachige Herausgeberin/Verlegerin einer Frauenzeitschrift, als erste (Reise-)Journalistin, aber auch als die oft allein Enkel-erziehende „Großmutter der Brentanos“, lässt gerade in ihren Reiseberichten eine durchgängige „vergleichende“ Erfassung und Betrachtung der positiven und negativen Eindrücke über die Länder erkennen. Sophie La Roche will dabei möglichst alle, seien es die geistes- oder auch schon die naturwissenschaftlichen Aspekte und die sonstigen spezifischen Erscheinungsformen, Besonderheiten und Merkmale der „Systeme“ der bereisten Länder erfahren, erfassen und bewerten. Dies wird umso interessanter als sie sich im zeitlichen Umfeld der französischen Revolution, die einen europäischen Epoche-Wechsel markiert, auf ihren Reisen bewegte. Sie bleibt dabei immer beseelt von dem Willen, dass sich die Menschen gegenseitig verstehen, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit üben und achten. Dabei sollen die Menschen auch das jeweils Gute im anderen erkennen, gegenseitig fördern und voneinander lernen um auf diese Weise die noch vorhandenen negativen Erscheinungsformen zum Nutzen aller nach und nach abzulegen.
Diese ihre Ziele finden heute Fortsetzung in dem Engagement der Frauen für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, wie es von vielen Frauenorganisationen in der heutigen Zeit propagiert und angewandt wird. Dabei nenne ich allen voran Ihre Organisation des Deutschen Akademikerinnenbundes.
Die Wirkungsgeschichte von Sophie La Roche kann daher zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch längst nicht als abgeschlossen angesehen werden. Bevor Christoph Martin Wieland im Jahr 1772 als Erster des großen „Viergestirns“, mit Goethe, Schiller und Herder, dem Ruf nach Weimar folgt, wollte Sophie La Roche mit Wieland an der Spitze und mit den Gebrüdern Jacobi eine – auch frauenorientierte – Pädagogische Akademie in der Grafschaft Neuwied gründen.
Der seit über zehn Jahren bestehende Freundeskreis Sophie La Roche e.V. in Kaufbeuren befasst sich ebenfalls, neben dem Andenken an Sophie La Roche, mit seinen Zielen nach einer friedlichen Welt und versucht ihr literarisches Erbe in die Gegenwart zu überführen. Auch der frauenpolitische Gedanke und die Genderpolitik ist ein großer Teil unserer Aufgaben, die von unserer Arbeitsgruppe „Frauengeschichtskreis Kaufbeuren“ erarbeitet wird und bereits im Kaufbeurer Frauenlexikon Ausdruck gefunden hat.
In unserem Literarischen Salon POMONA versuchen wir, die Werke Sophie von La Roches zeitgemäß aufzubereiten und einem interessierten Publikum nahe zu bringen. Der Erfolg unseres immer ausgebuchten Salons bestätigt das Interesse an der erfolgreichen Romanautorin.
Die vorstehend nur kurz dargestellte Wirkungsgeschichte ist und wird im Zeitalter der Globalisierung und im Rahmen der jetzt „beschleunigten“ Begegnungen der Kulturen dieser Welt mit einer Aktualität und Dynamik versehen, die uns auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen und begleiten wird.
Herzlichen Glückwunsch an Sie, sehr verehrte Frau Prof. Havenith-Newen als Trägerin des aktuellen Sophie La Roche-Preises 2016.
Erlauben Sie mir, Sie alle herzlichst einzuladen, der Geburtsstadt unserer Namenspatronin einen Besuch abzustatten.
Schließen möchte ich mit einem weiteren Zitat von Sophie La Roche aus Briefe an Lina:
Man muss den Menschen helfen sich zu bilden, damit sie sich selbst helfen können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Tagung des Deutschen Akademikerinnenbundes: Verleihung des Sophie La Roche-Preises 2016>
Nachdem der Freundeskreis Sophie La Roche aus Kaufbeuren zur diesjährigen Verbandstagung des Deutschen Akademikerinnenbundes von dessen 2. Vorsitzender, Frau Maria von Welser, eingeladen wurde, nahmen Helga Ilgenfritz als Vorsitzende und Ingrid Zasche als Beisitzerin des Freundeskreises an dieser hochkarätigen Verbandstagung in der Katholischen Akademie Berlin teil. Die Tagung stand einerseits im Zeichen des 90-jährigen Bestehens des Deutschen Akademikerinnenbundes 2016 und hatte andererseits mit der Verleihung des „Sophie La Roche-Preises“ 2016 an Frau Prof. Dr. Havenith-Newen ihren eindrucksvollen Höhepunkt. Der Sophie La Roche-Freundeskreis war darum um ein offizielles Grußwort gebeten worden.
Seit 2010 verleiht der Deutsche Akademikerinnenbund den „Sophie La Roche-Preis“ an Frauen, die sich auf Grund ihrer Leistungen und ihres persönlichen Engagements für Frauen besonders hervorgetan haben. Der Preis war zuvor zweimal verliehen worden:
Im Jahr 2010 wurde die ehemalige Bundeswissenschaftsministerin und heutige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Edelgard Bulmahn, als erste Preisträgerin ausgezeichnet. Den zweiten „Sophie La Roche-Preis“ erhielt 2012 Maria von Welser, bekannte Journalistin und Gründerin des ZDF-Frauenjournals „Mona Lisa“, für ihre ungeschminkte weltweite Berichterstattung über die Situation von Frauen.
Nach der Laudatio von Frau Dr. Patricia Aden, der Vorsitzenden des Deutschen Akademikerinnenbundes, auf die neue Preisträgerin, Frau Prof. Dr. Havenith-Newen, übermittelten die ehemalige Bundesministerin und Präsidentin des Deutschen Bundestags, Frau Prof. Dr. Rita Süßmuth, und die ehemalige Bundesministerin und aktuelle Bundestagsvizepräsidentin, Frau Edelgard Bulmahn, jeweils Grußworte.
Helga Ilgenfritz vom Freundeskreis Sophie La Roche aus Kaufbeuren stellte im Rahmen ihres Grußworts die erste deutschsprachige Romanautorin als eine frühe, „empfindsame“ Kosmopolitin dar und verwies dabei auf den 2014 verstorbenen Prof. Dr. Dr. h. c. Wilfried Barner, der im Jahr 2007 im Rahmen des „Sophie La Roche-Symposiums“ im Schillerarchiv Marbach einen höchst interessanten Exkurs über diese Dimension der Kaufbeurer Autorin vorlegte. Augenfällig wird dabei, wie visionär ihr Kosmopolitismus auf die heutige globalisierte Welt wirken kann und wie dies von der Wissenschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts vermittelt wird, um auch im Rahmen der aktuellen Integrationsdebatten angewandt werden zu können.
Sophie La Roche wünschte sich im Brief vom 11. Dezember 1806 an Georg Wilhelm Petersen, also kurz vor ihrem Lebensende 1807, als ganz Europa von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen umgeben war, eine Stiftungsprofessur zum Vergleich der Kulturen einzurichten: „Ach, wie wünschte ich mir Geld genug, um eine Professur zu stiften, wo junge Leute [...] den Unterschied der Nationalcharakter studieren könnten, wie diese in Frieden und Streit sich zeigen. [...] O mein Freund! sagen Sie: Würde dieser Lehrstuhl unnütz sein für die Zukunft?“ Ein Zitat, das so sehr ihr fortschrittliches Denken erkennen lässt.
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Grußwort: Sophie von La Roche (1730-1807) im literarischen und kultur-politischen Feld von Aufklärung und Empfindsamkeit
Sehr geehrte Frau Vorsitzende Dr. Aden,
sehr geehrte Frau von Welser,
sehr geehrte Frau Professor Süßmuth und Frau Bulmahn,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich darf Ihnen zunächst herzlich danken für die Einladung zu Ihrer Tagung, die auch im Zeichen des 90-jährigen Bestehens Ihres Verbandes steht, zu dem ich Sie herzlich beglückwünsche.
Da die Verleihung des diesjährigen Sophie La Roche-Preises an Frau Prof. Dr. Martina Havenith-Newen einer der Höhepunkte der Tagung bildet, liegt es natürlich nahe, zwischen den Erziehungs- und Bildungsidealen der Sophie La Roche vor über 200 Jahren und der Gegenwart, die aktuell mit der Preisverleihung sinnfälligen Ausdruck findet, einen historischen Bogen zu spannen.
Lassen Sie mich daher eine kleine Rückschau nehmen auf einige Inhalte eines Symposiums, das aus Anlass des 200. Todestages von Sophie La Roche im Jahr 2007 im Schillerarchiv Marbach unter Beteiligung von 18 Professorinnen und Professoren aus aller Welt durchgeführt wurde und an dem ich ebenfalls teilhaben durfte. Sie porträtieren die erste deutsche Romanautorin aus verschiedenen Blickwinkeln, die Sophie La Roche im literarischen und kulturpolitischen Feld von Aufklärung und Empfindsamkeit einen besonderen Rang verleihen:
Ich zitiere:
Als Frau war La Roche aber per se darauf festgelegt, didaktisch zu schreiben, sich zum Beispiel auch in ihrer Zeitschrift Pomona und den Briefen an Lina nicht selbst darzustellen und zu „verkaufen“, sondern den Leserinnen vielmehr eine mütterliche Hilfe zu sein. Die Beiträge von Nina Birkner und York-Gothart Mix sowie von Reiner Wild verdeutlichen, dass La Roche die geschlechtlichen Grenzen stets einhielt: Ihr fiktionales wie faktuales Schreiben bezieht sich auf weibliche Interessensbereiche. Das Wissen, das sie anderen Frauen weitergeben möchte, erstreckt sich dabei bis auf andere Kulturen. So machen unter anderem das Vorwort der Herausgeberinnen und der Beitrag von Wilfried Barner wie auch Loster-Schneiders Untersuchungen zu La Roches Amerika-Roman noch eine weitere ihrer Gesinnungen deutlich, die bislang wenig beachtet worden sind:
La Roche war eine Kosmopolitin, eine Weltbürgerin.
Barner [Anm.: im Jahr 2014 verstorben] liefert einen höchst informativen Exkurs über dieses philosophische Konzept, wobei augenfällig wird, wie visionär La Roches Kosmopolitismus auf die heutige globalisierte Welt verweist. La Roche wünschte sich eine Stiftungsprofessur zum Vergleich der Kulturen: „Ach, wie wünschte ich mir Geld genug, um eine Professur zu stiften, wo junge Leute [...] den Unterschied der Nationalcharakter studieren könnten, wie diese in Frieden und Streit sich zeigen. [...] O mein Freund! sagen Sie: Würde dieser Lehrstuhl unnütz sein für die Zukunft?“ – Ein Zitat, das so sehr ihr fortschrittliches Denken erkennen lässt [...]. Es sei also wohlgemerkt: La Roche und die vorliegenden Aufsätze über sie geben Anregungen! Denn vielleicht kann ihr empfindsamer Kosmopolitismus sogar ein Wegweiser in der aktuellen Integrationsdebatte sein. Für La Roche und die Figuren ihrer Werke stellt das Fremde keine Bedrohung dar, sondern eine Bereicherung. Die Begegnung mit fremden Kulturen ist für sie immer auch eine Wissenserweiterung.
Ende des Zitats.
Lassen Sie mich diesen kleinen Exkurs nun abschließen:
Mit dem vorstehenden Literaturhinweis aus dem Jahr 2010/2011 treten auch, oft unfreiwillige, auf die aktuellen Zeitumstände des beginnenden 21. Jahrhunderts – also über 200 Jahre nach dem Tode von Sophie La Roche – beziehbare internationale Nationalitäten- und Kulturvergleiche auf, die die erste deutschsprachige Roman-Autorin, geboren in Kaufbeuren (1730-1807) nicht nur als frühe Europäerin in diesem Geiste, sondern mehr noch auch als Weltbürgerin definieren lässt.
Sophie La Roche, ob nun als erste deutschsprachige Romanautorin, als ebensolche erste weibliche deutschsprachige Herausgeberin/Verlegerin einer Frauenzeitschrift, als erste (Reise-)Journalistin, aber auch als die oft allein Enkel-erziehende „Großmutter der Brentanos“, lässt gerade in ihren Reiseberichten eine durchgängige „vergleichende“ Erfassung und Betrachtung der positiven und negativen Eindrücke über die Länder erkennen. Sophie La Roche will dabei möglichst alle, seien es die geistes- oder auch schon die naturwissenschaftlichen Aspekte und die sonstigen spezifischen Erscheinungsformen, Besonderheiten und Merkmale der „Systeme“ der bereisten Länder erfahren, erfassen und bewerten. Dies wird umso interessanter als sie sich im zeitlichen Umfeld der französischen Revolution, die einen europäischen Epoche-Wechsel markiert, auf ihren Reisen bewegte. Sie bleibt dabei immer beseelt von dem Willen, dass sich die Menschen gegenseitig verstehen, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit üben und achten. Dabei sollen die Menschen auch das jeweils Gute im anderen erkennen, gegenseitig fördern und voneinander lernen um auf diese Weise die noch vorhandenen negativen Erscheinungsformen zum Nutzen aller nach und nach abzulegen.
Diese ihre Ziele finden heute Fortsetzung in dem Engagement der Frauen für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit, wie es von vielen Frauenorganisationen in der heutigen Zeit propagiert und angewandt wird. Dabei nenne ich allen voran Ihre Organisation des Deutschen Akademikerinnenbundes.
Die Wirkungsgeschichte von Sophie La Roche kann daher zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch längst nicht als abgeschlossen angesehen werden. Bevor Christoph Martin Wieland im Jahr 1772 als Erster des großen „Viergestirns“, mit Goethe, Schiller und Herder, dem Ruf nach Weimar folgt, wollte Sophie La Roche mit Wieland an der Spitze und mit den Gebrüdern Jacobi eine – auch frauenorientierte – Pädagogische Akademie in der Grafschaft Neuwied gründen.
Der seit über zehn Jahren bestehende Freundeskreis Sophie La Roche e.V. in Kaufbeuren befasst sich ebenfalls, neben dem Andenken an Sophie La Roche, mit seinen Zielen nach einer friedlichen Welt und versucht ihr literarisches Erbe in die Gegenwart zu überführen. Auch der frauenpolitische Gedanke und die Genderpolitik ist ein großer Teil unserer Aufgaben, die von unserer Arbeitsgruppe „Frauengeschichtskreis Kaufbeuren“ erarbeitet wird und bereits im Kaufbeurer Frauenlexikon Ausdruck gefunden hat.
In unserem Literarischen Salon POMONA versuchen wir, die Werke Sophie von La Roches zeitgemäß aufzubereiten und einem interessierten Publikum nahe zu bringen. Der Erfolg unseres immer ausgebuchten Salons bestätigt das Interesse an der erfolgreichen Romanautorin.
Die vorstehend nur kurz dargestellte Wirkungsgeschichte ist und wird im Zeitalter der Globalisierung und im Rahmen der jetzt „beschleunigten“ Begegnungen der Kulturen dieser Welt mit einer Aktualität und Dynamik versehen, die uns auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen und begleiten wird.
Herzlichen Glückwunsch an Sie, sehr verehrte Frau Prof. Havenith-Newen als Trägerin des aktuellen Sophie La Roche-Preises 2016.
Erlauben Sie mir, Sie alle herzlichst einzuladen, der Geburtsstadt unserer Namenspatronin einen Besuch abzustatten.
Schließen möchte ich mit einem weiteren Zitat von Sophie La Roche aus Briefe an Lina:
Man muss den Menschen helfen sich zu bilden, damit sie sich selbst helfen können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.