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09.08.2016, 13:57 Uhr
Veronika Schöner
Spektakula
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Ein Besuch der Friedrich Rückert-Ausstellung

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Manuskript von Friedrich Rückert: Lieder und Sprüche der Minnesänger - BSB Cgm 6810

Der Poet und geniale Übersetzer Friedrich Rückert (1788-1866) ist am 31. Januar 1866 vor 150 Jahren verstorben. Ihm zu Ehren wird in Schweinfurt, Erlangen und Coburg – seinen wichtigsten Lebensstationen – die Ausstellung „Der Weltpoet“ gezeigt.

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Friedrich Rückert war ein außergewöhnlicher Mann: Schon äußerlich musste er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einer Größe von fast zwei Metern ins Auge gestochen sein. Aus der Riege der Künstler und Wissenschaftler ragt er aber insbesondere durch seine Doppelrolle als Poet und Übersetzer heraus. Rückert beherrschte und übersetzte aus 44 Sprachen – die Liste reicht von Afghanisch, Albanisch, Arabisch über Finnisch und Französisch zu Syrisch, Tamil und Türkisch. Seine Übersetzungen sind nie einfache Wort-zu-Wort-Übertragungen, sondern Kunstwerke für sich, freie Nachdichtungen, die Melodie und Klang des Originals über eigens entwickelte Strophenformen, wie dem Ghasel, einfangen und dadurch ihren Zauber bewahren.

Dazu kommt Rückerts erstaunliche literarische Produktivität, die zu einer Fülle vor allem von Gedichten führt, zumeist zu den Themen Natur, Liebe und Glaube. Über 2.000 seiner Gedichte wurden vertont. Ein berühmtes Beispiel sind die von Gustav Mahler in Musik gesetzten Kindertotenlieder, die Rückert zur Verarbeitung seines Schmerzes nach dem Verlust zweier seiner Kinder geschrieben hat.

Die Ausstellung „Der Weltpoet“ zu Friedrich Rückert im Stadtmuseum Erlangen
(c) Literaturportal Bayern

Trotz aller Verdienste und Erfolge ist Friedrich Rückert heute nur einem kleineren Kreis an Interessierten ein Begriff. Das mag an der Vereinahmung seiner Person durch den Nationalsozialismus liegen, die sich auf Rückerts frühnationalistische Lyrik zu Zeiten der Befreiungskriege stützte (die Geharnischten Sonette) und deretwegen er nach 1945 aus dem Lehrkanon verbannt wurde. Vielleicht sind auch seine Leistungen auf dem Gebiet der Orientalistik, wie es im Vorwort des Ausstellungskatalogs zu lesen ist, einer breiten Masse ebenso schwer zu vermitteln wie seine mit Vorliebe bespielte Gattung, die Lyrik.

Weltpoesie ist Weltversöhnung

Friedrich Rückert, der fränkische Kosmopolit, verdient aber mehr Aufmerksamkeit denn je: Westen und Osten rücken in politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen plötzlich ganz nahe zusammen, ohne miteinander vertraut zu sein. Dem interkulturellen Dialog mit Menschen aus dem orientalischen Kulturkreis kommt eine geradezu existenzielle Bedeutung für gegenseitiges Verständnis und friedliches Zusammenleben zu. Dafür ist nicht nur Sprachkompetenz Voraussetzung, wie sie Rückert wie kein Zweiter vorweisen konnte, sondern auch die Fähigkeit, Gemeinsamkeiten im Mensch-Sein zu erkennen und über sie Brücken zueinander zu bauen.

Mitglieder der deutschen Künstlerkolonie in Rom: Friedrich Rückert (rechts) und sein Freund, der Kupferstecher Carl Barth, auf einer Zeichnung von Karl Philipp Fohr 1818
(c) Literaturportal Bayern

Im Sinne Herders war Rückert überzeugt, durch seine Sprachstudien eine Verbindung der Sprachen untereinander entdeckt zu haben, eine Einheit in der Vielfalt. Er ging von der Existenz dreier verschiedener Sprachstämme aus, die evtl. zu einer gemeinsamen Ursprache zurückführen könnten. Seine Übersetzungsmethode war die Kunst der Einfühlung. Um das Fremde zu verstehen, eignete er sich den „Geist“ einer Sprache durch Auseinandersetzung mit ihrer Kultur und Tradition an. „Daß ihr erkennt: Weltpoesie / Allein ist Weltversöhnung“ dichtete Rückert 1833 in Schi-King. Diesem Vers, der zugleich das Motto der Ausstellung ist, liegt folgende Erkenntnis zugrunde: Der wichtigste Inhalt des Textes, nämlich das Gefühl, das er transportieren will – das ist allen Menschen gleich.

Einblicke in die Rückert-Ausstellung

Es ist also ein guter Zeitpunkt, Rückert mit einer großen und aufwändig inszenierten Ausstellung wieder mehr ins Bewusstsein zu rücken. Die Ausstellung ist wunderbar gemacht und ein Besuch unbedingt empfehlenswert. Sie ist werkbiografisch im Einklang mit seinen Lebensphasen aufgebaut und führt den Besucher mit wohldosierten Informationen in Rückerts Leben und den historischen Kontext ein. Gezeigt werden spannende Originaldokumente mit Transkriptionen. Musik, Film und ein Audioguide mit vertiefenden Informationen sprechen alle Sinne an. Mitmachelemente wie ein eigener Übersetzungsversuch oder ein Memory halten nicht nur die jungen Ausstellungsbesucher bei Laune.

Die Universitätsstadt Erlangen ist die zweite Station der großen Sonderausstellung, die Rückerts Geburtsstadt Schweinfurt ihrem Sohn gewidmet hat. Die Ausstellung ist im Erlanger Stadtmuseum noch bis zum 26. Dezember 2016 zu sehen.

Vom 14. Januar bis 17. April 2017 ist sie dann im Kunstverein Coburg zu besichtigen.

Die Ausstellung bietet Mitmachelemente, wie z.B. einen Übersetzungsselbstversuch aus dem Albanischen, und ein Rückert-Memory. Ein Kapitel widmet sich der Wirkung Rückerts: Darin erfährt der Zuschauer, dass Donald Duck den Refrain aus Rückerts Aus der Jugendzeit von der Übersetzerin Erika Fuchs in den Mund gelegt bekommen hat.
(c) Literaturportal Bayern

Sekundärliteratur:

Kreutner, Rudolf (Hg.) (2016): Der Weltpoet. Friedrich Rückert 1788-1866. Dichter Orientalist Zeitkritiker. Ausstellungskatalog. Göttingen.

Externe Links:

Rückertausstellung in Erlangen

Rückertausstellung in Coburg