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28.09.2011, 14:39 Uhr
Katrin Schuster
Spektakula

Das zweite Literaturfest München stellt sein Programm vor

Im Jahr 1980 machte sich die grummelnde Unzufriedenheit mit der konservativen, staatstragenden Formatierung der Kunstbiennale in Venedig endlich Luft. „Aperto“ hieß die gleichsam als Gegen-Ausstellung konzipierte Schau, die der Kurator Harald Szeemann erfunden hatte, um die junge Avantgarde zu präsentieren, – und die er 1999, da er zum künstlerischen Leiter der offiziellen Biennale bestellt wurde, ins große Ganze integrierte. Seither machen die so genannten Giardini, in den die nationalen Pavillons zu besichtigen sind, und die Arsenale, Erbin des „Aperto“-Widerstands, gemeinsame Sache.

Die Phase der Zweigleisigkeit hat das literarische München – es mag auch an der Trägheit der subkulturellen Szene liegen – einfach ausgelassen: Das forum:autoren, das eine Art Gegengewicht zur Münchner Bücherschau darstellt, die naturgemäß allererst die Interessen des veranstaltenden Branchenverbands Börsenverein im Sinn hat, bildete von Anfang an einen Teil des großen Ganzen namens „Literaturfest München“, das 2010 ins Leben gerufen wurde. Die Offenheit, die schon die venezianische Gegenveranstaltung in ihrem Namen trug und die gerne gegen verkrustete Strukturen oder nicht-künstlerische Kriterien ins Feld geführt wird, findet sich in der Rede vom „Forum“ deutlich wieder. Um sich dessen bewusst zu werden, musste man allerdings bis 2011 warten: Ilija Trojanow hatte den Begriff im vergangenen Jahr sehr wörtlich verstanden und deshalb die Weltliteratur nach München geladen. Das öffnete die Ohren und dehnte die Horizonte weit hinaus.

Mit Matthias Politycki, den München für dieses Jahr zum Kurator ernannt hat, zieht dagegen etwas mehr Aperto-Geist ins Literaturfest ein. Auf der Pressekonferenz, auf der das Programm vorgestellt wurde, nannte er nicht wenige Dinge, die er keinesfalls im forum:autoren hatte haben wollen. Jede Art von Bohei, so kann man das wohl zusammenfassen, ist Politycki gründlich zuwider. „Wir lesen nicht im Bordell, wir lesen nicht in der U-Bahn und wir lesen nicht in der Kläranlage“, sagt er im zugehörigen Image-Film, der selbst an einem eher ungewöhnlichen Ort, nämlich auf dem ansonsten nicht betretbaren Dach des Literaturhauses spielt.

Neben ungewöhnlichen Orten wird es im forum:autoren auch keine Schauspieler, die zufällig auch einmal ein Buch geschrieben haben, zu sehen geben und keine Veranstaltungen, die auf Besten-, Bestseller oder Neuerscheinungslisten schielen. Auch Autorinnen und Autoren, die allein zu ihrer Lesung hätten kommen wollen, habe er wieder ausgeladen, erklärt der Kurator: Eine Bedingung sei gewesen, dass die Teilnehmer – ausschließlich „richtige Schriftsteller“, so Politycki gleich zu Beginn des im Image-Films – mindestens drei Tage vor Ort sind, um im allabendlichen „Salon der lebenden Schriftsteller“ für das Publikum ansprechbar zu sein und um mit ihren Statements an der Reihe „Klartext“ teilzunehmen, die werktags zwischen 16 und 17.30 Uhr den Diskurs über die deutschsprachige Gegenwartsliteratur pflegen wird.

Die „Sehnsucht nach Entschleunigung“ und die „Rückbesinnung auf das genuin Literarische“, die Politycki als Grundlage seines Programms benennt, sind freilich nicht gegen Ilija Trojanow gerichtet, der ja ganz ähnlich, nur eben internationaler hantierte, wenn auch weniger Worte darum machte. Dass man in diesem Jahr von den Namen noch etwas angenehmer geblendet wird als 2010, liegt ohnehin nur daran, dass man die Teilnehmer – im Gegensatz zum vergangenen Jahr – eben alle kennt und teilweise nicht allzu oft in München zu sehen und zu hören bekommt. Schon gar nicht in diesen Zweierkonstellationen, für die sich Politycki (wie schon Trojanow vor ihm) entschieden hat.

Das Konzept der Stadt, dass es für eine solche Veranstaltung ein Konzept braucht, scheint mithin auch 2011 aufzugehen – auf eine ganz andere Weise als unter Trojanow und doch genauso vielversprechend. Mehr darüber sagen können wird man allerdings erst am 19. November, wenn man langsam erwacht aus diesem einwöchigen literarischen Traum, sich die Buchstaben aus den Augen reibt und im Hirn mal nachschauen geht, ob sich die Erinnerungen schon zur Rückschau versammelt haben.

Externe Links:

Zur Website des Literaturfests München mit dem gesamten Programm

Begleitendes Blog zum forum:autoren: www.fabmuc.de

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