Der Münchner Poetry Slam im Substanz feiert 20. Geburtstag
Poesie, Party und große Gefühle wurden am Sonntag, 14. Februar – Valentinstag, im Substanz geboten: der Münchner Poetry Slam, eine Institution der bayerischen Literaturszene, feierte 20. Geburtstag. Der „Munichslam“ im Substanz ist die größte regelmäßig stattfindende Poetry Slam-Veranstaltung in Europa und lädt seit 1996 monatlich dazu ein, Spoken-Word-Poesie live zu hören und zu sehen. Auf der Bühne standen nicht nur die beiden Gründer Rayl Patzak und Ko Bylanzky, sondern auch Slam-Größen aus München und ganz Deutschland wie Bas Böttcher, Nora Gomringer und Bumillo.
*
Begrüßt wurden die Slam-Begeisterten im ausverkauften Substanz von Mitbegründer Ko Bylanzky und Pierre Jarawan, die traditionell gemeinsam durch den Abend führten. Der zweite „Gründervater“ Rayl Patzak sorgte als DJ hinter den Plattendecks für die richtige Stimmung auf der Geburtstagsparty. Insgesamt waren in zwei Runden à fünf Auftritten elf Poeten und Poetinnen zu hören. Die jeweiligen Sieger aus den Vorrunden kämpfen im Finale um den begehrten Gewinn: eine Flasche Whiskey – und natürlich die Gunst des Publikums.
Trotz des zwanzigjährigen Bestehens fanden sich auch diesmal einige Poetry Slam-Neulinge im Publikum, für die Bylanzky und Jarawan die drei zentralen Regeln des Slams nochmal erklärten:
1. Die Poetinnen und Poeten haben zehn Minuten Zeit auf der Bühne.
2. Es dürfen nur eigene Texte vorgetragen werden.
3. No props (keine Hilfsmittel – außer zum Ablesen der Texte).
Nachdem das Publikum zur Bewertung der Poetinnen und Poeten entsprechend „geeicht“ worden war – schließlich entscheidet beim Poetry Slam der Applaus der Zuhörer über Sieg oder Niederlage –, war es Zeit für den ersten Slammer des Abends: Volker Strübing aus Berlin ereiferte sich passend zum Valentinstag über glückliche Pärchen, die eigentlich an allem Schlechten in der Welt schuld seien, und las aus seiner Textsammlung Das Mädchen mit dem Rohr im Ohr und der Junge mit dem Löffel im Hals (Volant & Quist, 2013).
Es folgte Nadja Schlüter aus München, die regelmäßig auf der „Westend ist Kiez“-Lesebühne im Stragula zu sehen und zu hören ist, mit einem Text mit dem Titel Die Liebe meiner Eltern. Die Zuhörer erhielten nicht nur einen tiefen Einblick in die Beziehungen der Familie Schlüter, sondern erfuhren auch, dass echte Romantik bedeuten kann, sich eine Axt zum Geburtstag zu schenken.
Als dritter Poet auf der Bühne erfreute Jaromir Konecny, elfmaliger Gewinner des Substanz-Slams und „ein Diamant unter vielen Kieselsteinen“ in München, die Zuhörer mit Anekdoten über gemeinsame Slam-Touren mit Ko Bylanzky, ehe er auf sein literarisches Lieblingsthema zu sprechen kam. Mit einem Text über die wollüstige Physiotherapeutin Jenny blieb auch er dem Thema Valentinstag treu, auch wenn es bei Konecny wie immer mehr um Sex als um Liebe ging.
David Friedrich, der „verlorene Sohn“ – vormals München, jetzt Hamburg, war für den Geburtstags-Slam in die ehemalige Heimat zurückgekehrt. Unter dem Stichwort „Es brennt“ trug er einen Text über Liebe und Krieg vor und stimmte eher nachdenkliche Töne an.
Letzter Poet in der ersten Runde war Slam-Legende Bas Böttcher, der 1997 die ersten deutschen Poetry Slam-Meisterschaften gewann. Der „Poetry-Pionier“ begeisterte das Publikum mit einem Text über Sprach- und Systemfehler, der seinen eigenen Vortrag fast schon auf eine Metaebene hob und sicherte sich damit vor Volker Strübing und David Friedrich den Platz im Finale.
In der zweiten Runde wurde es dann international: Joaquin Zihuatanejo aus Dallas (USA), US- und Europameisterschaftsgewinner, hatte drei Texte zum Valentinstag dabei. Unter den Titeln Heartbreak, Love und Bullshit gab es Anekdoten über seine Hochzeit und „the day, he almost shit his pants“ zu hören.
Die Münchner Slammerin Carmen Wegge hatte einen Text mit dem Titel Mädchenabend oder wir sind alle angetickt dabei und animierte das Publikum im Substanz der fiktiven trinkenden Frauenrunde, die sich über körperlichen Verfall und die Gefahren des potentiellen Mutterseins ausließ, ein beherztes „Beruhigt euch!“ zuzurufen.
Die dritte Poetin auf der Bühne war Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin und Spoken-Word-Pionierin Nora Gomringer aus Bamberg, die die Poetry Slam-Szene als die innovativste, streitbarste und streitlustigste literarische Gruppierung in Deutschland seit der Gruppe 47 feierte. Ihr Text war eine Hommage an den Slam im Substanz, an seine Gründer und alle Teilnehmer des Abends – nachdenklich und leidenschaftlich.
Der Startplatz vier in der zweiten Runde gehörte dem Münchner Lokalmatador Bumillo. „Der Doktor“ stellte das Publikum vor die Wahl: ein Text über die Liebe oder ein Text über das Saufen? Nach einer gehörigen Portion Liebe in der ersten Runde entschieden sich die Zuhörerinnen und Zuhörer für den Alkohol und erfreuten sich an einer literarischen „Py-Py-Pyjama-Party“ nach einer durchzechnten Nacht auf dem bayerischen Dorf.
Zuletzt stellten sich gleich zwei Slammer dem Publikum. Dalibor Makovic und Dominique Macri aus Frankfurt und Darmstadt traten als Team Scheller an und sorgten mit einem Text über Konsum, Gewalt, Grenzen und Flucht und Beat-Box-Elementen für Gänsehaut – und wurden so zum Siegerteam der zweiten Runde. Mit ebendieser Mischung aus brisanten Themen, musikalischen Elementen und einem gekonnten Zusammenspiel zwischen den beiden Poeten triumphierte das Team Scheller schließlich auch im Finale über Bas Böttcher und durfte sich über den Whiskey und zwei Laola-Wellen vom Publikum freuen.
Herzlichen Glückwunsch, lieber Munichslam im Substanz, zu dieser fulminanten Geburtstagsparty!
Der Münchner Poetry Slam im Substanz feiert 20. Geburtstag >
Poesie, Party und große Gefühle wurden am Sonntag, 14. Februar – Valentinstag, im Substanz geboten: der Münchner Poetry Slam, eine Institution der bayerischen Literaturszene, feierte 20. Geburtstag. Der „Munichslam“ im Substanz ist die größte regelmäßig stattfindende Poetry Slam-Veranstaltung in Europa und lädt seit 1996 monatlich dazu ein, Spoken-Word-Poesie live zu hören und zu sehen. Auf der Bühne standen nicht nur die beiden Gründer Rayl Patzak und Ko Bylanzky, sondern auch Slam-Größen aus München und ganz Deutschland wie Bas Böttcher, Nora Gomringer und Bumillo.
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Begrüßt wurden die Slam-Begeisterten im ausverkauften Substanz von Mitbegründer Ko Bylanzky und Pierre Jarawan, die traditionell gemeinsam durch den Abend führten. Der zweite „Gründervater“ Rayl Patzak sorgte als DJ hinter den Plattendecks für die richtige Stimmung auf der Geburtstagsparty. Insgesamt waren in zwei Runden à fünf Auftritten elf Poeten und Poetinnen zu hören. Die jeweiligen Sieger aus den Vorrunden kämpfen im Finale um den begehrten Gewinn: eine Flasche Whiskey – und natürlich die Gunst des Publikums.
Trotz des zwanzigjährigen Bestehens fanden sich auch diesmal einige Poetry Slam-Neulinge im Publikum, für die Bylanzky und Jarawan die drei zentralen Regeln des Slams nochmal erklärten:
1. Die Poetinnen und Poeten haben zehn Minuten Zeit auf der Bühne.
2. Es dürfen nur eigene Texte vorgetragen werden.
3. No props (keine Hilfsmittel – außer zum Ablesen der Texte).
Nachdem das Publikum zur Bewertung der Poetinnen und Poeten entsprechend „geeicht“ worden war – schließlich entscheidet beim Poetry Slam der Applaus der Zuhörer über Sieg oder Niederlage –, war es Zeit für den ersten Slammer des Abends: Volker Strübing aus Berlin ereiferte sich passend zum Valentinstag über glückliche Pärchen, die eigentlich an allem Schlechten in der Welt schuld seien, und las aus seiner Textsammlung Das Mädchen mit dem Rohr im Ohr und der Junge mit dem Löffel im Hals (Volant & Quist, 2013).
Es folgte Nadja Schlüter aus München, die regelmäßig auf der „Westend ist Kiez“-Lesebühne im Stragula zu sehen und zu hören ist, mit einem Text mit dem Titel Die Liebe meiner Eltern. Die Zuhörer erhielten nicht nur einen tiefen Einblick in die Beziehungen der Familie Schlüter, sondern erfuhren auch, dass echte Romantik bedeuten kann, sich eine Axt zum Geburtstag zu schenken.
Als dritter Poet auf der Bühne erfreute Jaromir Konecny, elfmaliger Gewinner des Substanz-Slams und „ein Diamant unter vielen Kieselsteinen“ in München, die Zuhörer mit Anekdoten über gemeinsame Slam-Touren mit Ko Bylanzky, ehe er auf sein literarisches Lieblingsthema zu sprechen kam. Mit einem Text über die wollüstige Physiotherapeutin Jenny blieb auch er dem Thema Valentinstag treu, auch wenn es bei Konecny wie immer mehr um Sex als um Liebe ging.
David Friedrich, der „verlorene Sohn“ – vormals München, jetzt Hamburg, war für den Geburtstags-Slam in die ehemalige Heimat zurückgekehrt. Unter dem Stichwort „Es brennt“ trug er einen Text über Liebe und Krieg vor und stimmte eher nachdenkliche Töne an.
Letzter Poet in der ersten Runde war Slam-Legende Bas Böttcher, der 1997 die ersten deutschen Poetry Slam-Meisterschaften gewann. Der „Poetry-Pionier“ begeisterte das Publikum mit einem Text über Sprach- und Systemfehler, der seinen eigenen Vortrag fast schon auf eine Metaebene hob und sicherte sich damit vor Volker Strübing und David Friedrich den Platz im Finale.
In der zweiten Runde wurde es dann international: Joaquin Zihuatanejo aus Dallas (USA), US- und Europameisterschaftsgewinner, hatte drei Texte zum Valentinstag dabei. Unter den Titeln Heartbreak, Love und Bullshit gab es Anekdoten über seine Hochzeit und „the day, he almost shit his pants“ zu hören.
Die Münchner Slammerin Carmen Wegge hatte einen Text mit dem Titel Mädchenabend oder wir sind alle angetickt dabei und animierte das Publikum im Substanz der fiktiven trinkenden Frauenrunde, die sich über körperlichen Verfall und die Gefahren des potentiellen Mutterseins ausließ, ein beherztes „Beruhigt euch!“ zuzurufen.
Die dritte Poetin auf der Bühne war Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin und Spoken-Word-Pionierin Nora Gomringer aus Bamberg, die die Poetry Slam-Szene als die innovativste, streitbarste und streitlustigste literarische Gruppierung in Deutschland seit der Gruppe 47 feierte. Ihr Text war eine Hommage an den Slam im Substanz, an seine Gründer und alle Teilnehmer des Abends – nachdenklich und leidenschaftlich.
Der Startplatz vier in der zweiten Runde gehörte dem Münchner Lokalmatador Bumillo. „Der Doktor“ stellte das Publikum vor die Wahl: ein Text über die Liebe oder ein Text über das Saufen? Nach einer gehörigen Portion Liebe in der ersten Runde entschieden sich die Zuhörerinnen und Zuhörer für den Alkohol und erfreuten sich an einer literarischen „Py-Py-Pyjama-Party“ nach einer durchzechnten Nacht auf dem bayerischen Dorf.
Zuletzt stellten sich gleich zwei Slammer dem Publikum. Dalibor Makovic und Dominique Macri aus Frankfurt und Darmstadt traten als Team Scheller an und sorgten mit einem Text über Konsum, Gewalt, Grenzen und Flucht und Beat-Box-Elementen für Gänsehaut – und wurden so zum Siegerteam der zweiten Runde. Mit ebendieser Mischung aus brisanten Themen, musikalischen Elementen und einem gekonnten Zusammenspiel zwischen den beiden Poeten triumphierte das Team Scheller schließlich auch im Finale über Bas Böttcher und durfte sich über den Whiskey und zwei Laola-Wellen vom Publikum freuen.
Herzlichen Glückwunsch, lieber Munichslam im Substanz, zu dieser fulminanten Geburtstagsparty!