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02.04.2024, 09:51 Uhr
Johanna Mayer
Rezensionen
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© Ursula Haas

Rezension zu „Ich bin mein Werk. Geschichte zu Kunst und Künstlern“ von Ursula Haas

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© edition bodoni

Ursula Haas (* 1943 in Aussig) studierte Germanistik und Geschichte und lebt als freie Schriftstellerin in München. Für ihre Werke erhält sie unter anderem das Literaturstipendium der Landeshauptstadt München sowie den Nikolais-Lenau-Preis für Lyrik. 2023 erscheint ihr neuster Erzählband Ich bin mein Werk, in dem sie dem Lesenden in 17 kleinen Geschichten den Blick auf Leben und Werk von 17 Künstlern und Künstlerinnen öffnet. Johanna Mayer hat ihn für das Literaturportal Bayern gelesen.

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Kunst ist in den Augen der heutigen Gesellschaft oft etwas Gegenständliches. Das teure Gemälde, die intensive Farbwahl, die provokative Abbildung – wir versuchen Kunst in Worte zu fassen, versuchen sie einzugrenzen und in Schubladen zu stecken, um sie besser definieren zu können. Dabei vergessen wir allzu häufig, dass ein Kunstwerk nicht einfach etwas Materielles ist, das man eingrenzen könnte, sondern vielmehr häufig ein Ausdruck von Gefühlen, Gedanken und Ideen – das Werk eines Menschen etwa, der zu Pinsel, Farben und Stiften griff, um ein Bild seiner selbst zu erschaffen. Wie einfach es ist, uns in dem Abbild eines anderen zu finden und durch den Künstler die Kunst zu begreifen – davon erzählt Ursula Haas in Ich bin mein Werk.

In 17 kurzen Erzählungen widmet die Autorin sich 17 Künstlern und Künstlerinnen, darunter Frida Kahlo, Caspar David Friedrich, Camille Claudel und Gustave Courbet. Mal schreibt sie aus der Perspektive des Künstlers, mal lernen die Protagonisten diesen persönlich, mal auch nur sein Werk kennen, mal legt die Autorin eigene Eindrücke nieder. Inspiration für die Geschichten sind sowohl Freundschaften mit Kunstschaffenden als auch „Kunst-Begegnungen“ der Autorin – eine indirekte Begegnung mit dem Künstler oder der Künstlerin über ein Bestimmtes Kunstwerk. Was in jeder der 17 Erzählungen deutlich wird: Es ist nicht die Kunst, die fasziniert, sondern der Künstler, der sein Selbst im Werk verewigt.

„Ich bin Ich, sagt jedes ihrer gemalten Gemälde. Mich bringt mein grauenvolles Schicksal nicht um. Ich zeige es euch und stehe so verletzt wie ich bin zu mir. Zur Frau, zum Krüppel und zur Künstlerin.“ (aus Kapitel 3, „Frida Kahlo, Ikone des Schmerzes“)

Haas beschreibt in wenigen und dennoch einprägenden Worten Lebenswege, die alles andere als leicht waren, die von Schmerz und Verlust geprägt sind. Sie lässt den Lesenden mit dem Künstler mitfühlen, lässt Kunstwerke mit der Sprache bildlich werden und gibt Einblicke in Leben, von denen nur Kunstwerke übriggeblieben sind:

„Tief beugt der Bruder sich über dich, sucht die Stirn, um sie zu küssen … Sein Erschrecken vor dem Verfall, der dein Gesicht zeichnet, holt gleichzeitig das Bild seiner jungen, schönen Schwester in seine Vorstellung. Dein vom Tod gezeichnetes Gesicht ist das Abbild deiner Skulptur Medusa geworden.“ (aus Kapitel 16, „Camille Claudel, Kunst zwischen Liebe und Wahn“)

Ich bin mein Werk ist nicht nur ein Buch, das Kunst vermittelt. Es hält vielmehr kleine Einblicke in längst vergangene Leben fest, lässt die Kunstschaffenden für wenige Seiten wiederauferstehen und beweist einmal mehr: „Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben.“