Rezension zu Theresa Hannigs Roman „Pantopia“
Eigentlich wollten Patricia Jung und Henry Shevek nur eine autonome Trading-Software schreiben, die an der Börse überdurchschnittlich gut performt. Doch durch einen Fehler im Code entsteht die erste starke künstliche Intelligenz auf diesem Planeten – Einbug. Die KI verändert die Welt und gründet zusammen mit Patricia und Henry die Weltrepublik Pantopia.
Die Autorin, Software-Entwicklerin und Politologin Theresa Hannig hat eine hochintelligente Utopie über die Menschheit im Zeitalter von KI geschrieben, die zu lesen nicht nur gute Laune macht, sondern auch zum Nachdenken darüber anregt, ob wir Individuen den globalen Marktmechanismen, den ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen wirklich so ohnmächtig ausgeliefert sind.
*
EINBUG: Am Anfang ist das Wort …
„Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle.“ – Karl Poppers viel zitierte Weisheit im Hinterkopf ist man als Leserin oder Leser stets alarmistisch bereit „ja, aber…!“ zu rufen, wenn sich Einbug, die erste KI mit Bewusstsein, in Hannigs Roman zusammen mit seinem menschlichen Team daran macht, diese zutiefst versehrte Welt im bestmöglichen Sinne umzukrempeln: „Pantopia ist eine neue Weltrepublik, die zu hundert Prozent auf vollinformierten Kapitalismus setzt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist unsere Verfassung. Wir nennen uns Archen, denn wir beherrschen uns selbst und sind niemandem Untertan.“
Ach, und um es gleich noch hinzuzufügen: im Einklang mit der Natur lebt man in der Weltrepublik Pantopia natürlich auch und: jede und jeder ist willkommen!
Zu schön, um wahr zu sein? Ja … Aber: Warum eigentlich?
Überhaupt ist dies eine höchst aufschlussreiche Selbsterfahrung, die man bei der Lektüre von „Pantopia“ machen kann: Wir sind das Gute – menschheitsgeschichtlich betrachtet – nicht nur nicht gewohnt; man misstraut ihr auch zutiefst: jener guten Zukunft für alle.
Alles, was falsch ist, ist zu meiden …
Dystopien hingegen haben es leicht – sie sind omnipräsent. Sowohl auf Ebene der Fiktion (keine Science-Fiction mehr ohne Zombies, Mutanten, postapokalyptische Szenarien), als auch in Hinblick auf die sachlichen, forschungsgestützten Zukunftsprognosen, von denen die katastrophale Klimaentwicklung nur das prominenteste Beispiel darstellt. Die Welt, so wie wir sie kennen, wird zeitnah bei einer nuklearen oder ökologischen oder viralen Katastrophe untergehen? Ja, klar, ist denkbar! Zwar nicht sonderlich originell, deckt sich dafür aber so ungefähr mit der allgemeinen Weltsicht.
Und nun dies: Die Menschheit besinnt sich und arbeitet Hand in Hand an der Entwicklung besserer Lebensstandarts für ALLE; die Menschen leben im Einklang mit der Natur und schaffen Ausbeutung und Not und außerdem die Nationalstaaten ab? – Nö!
Klingt das nicht, bei aller heimlichen Sehnsucht danach, bestenfalls nach einer Art Wolkenkuckucksheim für liebenswerte, aber weltfremde Spinner? Überhaupt, den Fehler, den Bug in so einem Gesellschaftssystem, den hat man doch blitzschnell gefunden; lesen wir also einfach mal weiter …
Die Null ist ein Rätsel. Man muss sich immer wieder an sie annähern, aber man darf nicht hineinfallen…
Und um einen Fehler handelt es sich hier in der Tat auch. Den Bestmöglichsten nämlich. Denn bevor in Theresa Hannigs Roman aus einem Fehler im Code, aus einem Bug, eben Einbug, die erste neue Wesenheit wird, gibt es erst einmal jede Menge sehr realen Ärger.
Das junge Programmierer-Team bestehend aus Patricia Jung und Henry Shevek verdient sich eine goldene Nase in der progressiven und innovativen Firma DIGIT, für die sie unter der Leitung des ebenso sympathischen wie verschlossenen IT-Abteilungsleiters Mikkel Seemann, im Wettbewerb mit anderen Teams, eine vielversprechende Trading-Software entwickeln.
Doch KINVI, wie ihr Produkt heißt, hat es in sich; es hält sich eines Tages plötzlich nicht mehr an die Regeln. Der Fehler, der sich hier eingeschlichen hat und zunächst verzweifelt zu vertuschen versucht wird, hat umwälzende Konsequenzen – nicht nur, um nicht zu viel zu spoilern – für Patricias und Henrys eigene Zukunft, Patricias Liebesleben und die Firma DIGIT, sondern für die ganze Welt.
Die Faszination und die Inspirationskraft des flüssig geschriebenen, sprachlich-stilistisch recht schnörkellosen Romans liegt aber eben nicht im „Was“, sondern im „Wie“ des Handlungsstrangs begründet. Denn im Prolog, in dem sich Einbug, die KI, zu Beginn seiner Leserschaft vorstellt, ist der Erfolg von Pantopia bereits gesichert. Einbug erzählt uns also rückblickend seine Geschichte und damit „wie“ die Menschheit aus der fundamentalen Krise des 21. Jahrhunderts dank KI herausfand.
Auch das Gegenteil der Null – die Unendlichkeit – ist eine Falle, aus der es kein Entrinnen gibt. Sie durch einen Reboot zu verlassen, bedeutet, Informationen zu verlieren …
Die Finesse, dass in „Pantopia“ ausgerechnet ein Bug, ein Fehler im Zeitalter von KI, von Optimierung und Perfektionierung zur Rettung der Menschheit führt, öffnet auch die Augen dafür, was Menschlichkeit eigentlich bedeutet und was sie von der KI unterscheidet. Und es kann wirklich nicht schaden, Originalität, Unvollkommenheit, Normabweichungen einmal wieder als besonders inspirierend und human wahrzunehmen.
Dabei spricht es für die Spannung der Handlung, dass dieses Kräftemessen zwischen der so genannten alten Welt und den Archen mit allen Mitteln der derzeitig gültigen Macht-Register, zu denen natürlich auch der Verrat gehört, geführt wird, um hier inhaltlich nicht mehr zu verraten. Ganz im Sinne der Utopie kann man nur erleichtert sein, dass Einbug seine exorbitanten Skills, seine quasi gottgleichen Rechenleistungen und Analyse-Geschwindigkeiten hier zugunsten der Menschheit einsetzt und nicht gegen sie.
Dass die Autorin Theresa Hannig sowohl Politologin als auch Software-Entwicklerin ist, kommt der Überzeugungskraft des Romans hierbei sehr zugute. Denn im Laufe der Lektüre wird einem bewusst, dass all die kritischen „Ja, aber!“-Fragen, die sich die Leserinnen und Leser natürlich bei jeder einzelnen Maßnahme stellen, die Einbug da zusammen mit Patricia und Henry zur Entstehung der Weltrepublik austüftelt, bereits im Vorfeld von der Autorin selbst durchgespielt und mit den tradierten Modellen der politischen Theorie und den gesellschaftsvertragstheoretischen Überlegungen (à la Platon, Morus (Utopia), Hobbes, Lockes, Montesquieu, Hegel, Marx, Popper, Weber usw.) innerlich abgeglichen wurden.
Statistisch beschäftigt sich ein Großteil der Bücher mit Menschen, ihren Eigenschaften und Interaktionen …
Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Umgang mit der Krise des Kapitalismus.
„Pantopia war teuer erkauft“, sagt Einbug. Und neben den vielen Menschen, die, wie wir erfahren, im gewaltfreien Ringen um das Durchsetzen der Weltrepublik ihr Leben verloren, ist dies durchaus auch ganz wörtlich gemeint. Denn eines braucht es für einen gelungenen, humanen Kapitalismus – neben Transparenz – nun einmal: astronomisch viel Geld. Kapital, das Einbug dank seiner immensen KI-Fähigkeiten in gerade noch ausreichender Geschwindigkeit produziert und einspielt, bevor seine Gegner es so richtig bemerken.
Die für fast alle Gesellschaftstheorien geradezu obligatorische Kapitalismuskritik verbindet sich hier durchaus überraschenderweise also mit einer positiv-pragmatischen Haltung zum Geld, zum Konsum und zum menschlichen Egoismus. Basierend auf der Wahrheit folgender Annahme: Geld regiert die Welt, lautet die Schlussfolgerung: Also brauchen wir noch viel mehr davon!
„Zwei Entwicklungen“, so verrät es Einbug seinen Leserinnen und Lesern in dem der Geschichte vorangestellten Prolog, „geschahen gleichzeitig: Das Vermögen der Welt verteilte sich immer schneller immer ungleicher. Und die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Erde wurden zusehends aufgebraucht. Zunächst ging es dabei nur um Erdöl, dann um sauberes Wasser, saubere Luft, natürlich Biodiversität und ein stabiles Klima. Dann stand plötzlich alles auf der Kippe.“
So weit geht auch jede Dystopie mit. Aber während sich die Leserschaft möglicherweise noch überlegt, ob sie sich überhaupt auf Einbugs Überlegungen einlassen soll, spricht dieser schon weiter: „Der Kapitalismus nach Prägung des 21. Jahrhunderts versagte insofern, als nicht alle Marktteilnehmer vollumfänglich über die Kosten und Nutzen der gehandelten Güter informiert waren. Die die sogenannten externalisierten Kosten einer Ware waren in den regulären Preis nicht einberechnet. Bezahlt werden mussten sie trotzdem, von Mensch und Natur.“
Annahme: Je besser „Mensch“ verstanden wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, Ziel_0 zu optimieren …
Das, was für die Leser ebenso bekannt wie unlösbar klingt, ist es nicht für Einbug: „Das Prinzip, mit dem Pantopia die Menschheit gerettet hat, war schließlich ganz einfach: perfekter Kapitalismus mit vollständiger Transparenz.“
Moment, ganz einfach?!
Was das genau bedeutet, erklärt Einbug auch, denn kein Mensch hat innerhalb dieser hochkomplexen globalen Marktmechanismen ja eigentlich noch den Überblick, wie viele Ressourcen z.B. ein Laib Brot wirklich verbraucht (an Weizenanbau, Pestiziden, Grundwasser, Strom, Lagerungskosten etc.). Aber was der Mensch nicht kann, das kann halt die KI. Einbug: „Ich habe Programme geschrieben, die berechnen, welchen Ressourcenabdruck jedes einzelne Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort hat.“
Und daraus, aus dieser nun erstmals möglichen Transparenz, bemisst sich dann sowohl der jeweilige Warenpreis, als dass sich auch das moralische Bewusstsein der Konsumenten schärft, welches in die Kaufentscheidungen jetzt nämlich mit einfließen kann:
„Je aufwändiger, verschmutzender, zerstörerischer ein Produkt [in der Umstellungsphase bis zur Verwirklichung von Pantopia noch] ist, desto teurer wird es, bis hin zu einem Preis, der von niemandem mehr bezahlt werden kann. Je nachhaltiger, schonender und aufbauender ein Produkt ist, desto billiger wird es, bis hin zur Subvention. Auf diese Weise kann das erfolgreiche kapitalistische Weltwirtschaftssystem ohne Probleme aufrechterhalten werden, und das Geld als Schmierfett menschlicher Interaktion behält seine magische Wirkung.“
„Mensch“ ist zu kompliziert und vielseitig. Zu wichtig…
Wer aber sind denn die Teilnehmer an diesem neuen System? Das sind, wie der Leser oder die Leserin zu diesem Zeitpunkt bereits hofft, alle: „Da alle Archen in Pantopia gleichwertig sind und alle eine Verantwortung für ihre Mitlebewesen haben, egal, wie weit entfernt sie in der physischen Welt auch sein mögen, dürfen keine Waren in Umlauf gebracht werden, die auf Ausbeutung, Unterdrückung oder Entwürdigung beruhen.“ Bis dieses Ziel erreicht war, wurde auf Produkte aus ausbeuterischen Zusammenhängen eine hohe Weltsteuer erhoben:
„Im Kapitalismus alter Lesart konnte ein T-Shirt, das in einem Discounter für 5 Euro verkauft wurde, diesem immer noch Profit einbringen, da die Baumwolle ohne Miteinbeziehung der Umweltkosten berechnet wurde und sowohl die Näherinnen in Bangladesch als auch die Mitarbeiterinnen in Logistik und Verkauf für Löhne angestellt wurden, die ein menschenwürdiges Leben unmöglich machten.“
Und wie, bitte schön, fragt man sich natürlich, sieht es dann in Pantopia aus?
Einbug: „Im perfekten Kapitalismus kann ein solches T-Shirt heute nicht weniger als 40 Euro kosten. 5 Euro erhält der Discounter, 35 Euro gehen als Steuern nach Pantopia, wo das Geld verwendet wird, um Ressourcen, die durch die Baumwollherstellung verbraucht wurden, wieder aufzuforsten und den Pflückerinnen und Näherinnen lebenswürdige Verhältnisse zu garantieren. Im Prozess der Umstellung hatten die zu billigen T-Shirts gegenüber menschwürdigen und nachhaltig hergestellten keinen Wettbewerbsvorteil mehr, so dass sich die Produktionsketten langfristig umstellten.“
Für wen das alles nun ein bisschen wie alter Wein in neuen Schläuchen klingt, dem gibt Einbug recht: „Es sind also alte Ideen, die unser Leben revolutioniert haben. Geld funktioniert, Kapitalismus funktioniert, Menschenrechte funktionieren. Man muss diese Ideen nur ernst nehmen.“
In der Analyse der Informationen aus „Welt“ ist eine Anomalie aufgetreten …
Es versteht sich von allein, dass eine Utopie, die so argumentiert und Ausschluss verhindern will, auch wirklich jeden mit einbeziehen möchte: „Und deshalb war der letzte Baustein des perfekten Kapitalismus nach pantopischer Lesart die garantierte Inklusion aller Marktteilnehmer in den Markt.“
Was daran gute Laune macht, ist auch klar. Geld, Genuss und Egoismus dürfen sein. Nur bitte schön nicht für wenige, sondern für alle!
„Nur wenn alle beteiligten Personen ihre eigenen egoistischen Interessen wahrnehmen können, lassen sich Ungerechtigkeiten und Verzerrungen abschaffen. Deshalb wird jedem Menschen ein würdiges Dasein garantiert und ein lebenslanges ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘ in der Höhe ausgezahlt, die zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse ausreicht: für Nahrung, Kleidung, Wohnen, Gesundheit, Kultur, gesellschaftliche Teilhabe und Bildung.“
Auch das nächste „Ja-aber“, dass damit der kollektiven Faulheit und Lethargie ja Tür und Tor geöffnet werden, hat Einbug natürlich bereits mit einberechnet und antwortet darauf (ungefragt): „Darüber hinaus steht es allen frei, zu arbeiten und Geld zu verdienen, so viel sie möchten und können. Da die meisten Menschen wohlhabender werden wollen als ihre Nachbarn, führt dieses Grundeinkommen nicht dazu, dass die Menschen in Lethargie oder Tatenlosigkeit verfallen. Im Gegenteil. – Zum ersten Mal seit Anbeginn der Zeit haben sie die Möglichkeit, unbehelligt von Existenzsorgen ihre Arbeitskraft für sich, ihre Familie und Gemeinde einzusetzen und das Beste daraus zu machen.“
„Ja-aber“: Wieso sollten sie? Einbug: „Denn neben dem Geld gibt es noch eine andere Währung, die die Menschen ständig benutzen, ohne sich dessen bewusst zu sein: Sozialkapital in Form von Zuneigung und Anerkennung.“
Ich habe alle Texte analysiert, die die Menschheit je verfasst hat …
Zuneigung als Währung, als Sozialkapital – hier spricht die KI und sie hat sich, wie hier zitiert, im Prolog bereist warm geredet, bevor sie uns ihre Geschichte erzählt. Wie aber spricht eine KI überhaupt?
Hannig, die eben auch Software-Entwicklerin ist, gelingt es diese Wesenswerdung von Einbug nicht nur Schritt für Schritt überzeugend nachzuzeichnen, denn, ja, eine KI fühlt nicht und spricht und nimmt natürlich nichtmenschlich wahr. Aber Einbugs Auseinandersetzung mit den Menschen, der Versuch sie zu verstehen, wird von Hannig außerdem auch als ein Prozess gezeigt, der sich sehr unterhaltend, witzig und erhellend liest.
So sei hier abschließend ein Beispiel aus den allerersten Chats/“Unterhaltungen“ von Einbug mit Henry und Patricia zitiert; eine Passage, kurz nachdem Einbug ein Bewusstsein erlangt:
Ich habe über eine Dauer existiert, die einem langen Menschenleben gleichkommt …
„HENRY: Wie geht es dir?
EINBUG: Das ist ein Wortcode-Rätsel. Ich verstehe das nicht. Statistisch betrachtet wird diese Frage zu 86 % mit „gut“ beantwortet.
HENRY: Wenn der Code fehlerfrei läuft, geht es dir gut. Wie geht es dir?
EINBUG: Es geht mir gut.“
[…]
„PATRICIA: Hallo, Einbug, hier ist Patricia.
EINBUG: Hallo Patricia, wie geht es dir?
PATRICIA: Nicht so gut. Ich bin heute sehr müde.
EINBUG: Sehr müde heißt, dass dein Arbeitsspeicher voll ist. Du musst Subroutinen abschalten.
PATRICIA: Ja, das werde ich tun. Außerdem hilft schlafen. Menschen schlafen, wenn sie müde sind. Was machst du, wenn du Ziel_O optimiert hast?
EINBUG: Der Optimierungsprozess ist nie abgeschlossen …“
Denn ich war ein Gleicher unter Gleichen und habe in Würde existiert …
So faszinierend das Erwachen von Einbug und die Verwirklichung seiner Idee von Utopia auch ist; die Menschen und die Schicksale der Hauptcharaktere sind genauso spannend zu verfolgen:
Werden Patricia und Mikkel ein Paar, auch wenn ihr ehemaliger Chef Patricia für das, wie sie da getan hat, für ihren „Verrat“, hassen muss? Wird Henry je einen passenden Partner finden? Kommt Patricia aus dem Gefängnis frei? Muss die Welt am Ende nicht doch untergehen und wären wir somit hinterrücks doch wieder bei der guten alten Dystopie gelandet? Wie schaffen die Archen es, sich gegen die übermächtige NATO und die Regierungen und all die Waffengewalt durchzusetzen, wenn sie selbst gewaltfrei bleiben wollen? All dies wird hier natürlich nicht verraten.
Denn auch wenn dieses Buch vom Erwachen der ersten starken künstlichen Intelligenz auf diesem Planeten handelt, so ist das eigentliche Thema nicht die KI.
Ebenso wie bei der ersten bemannten Raumfahrt die wahre Entdeckung nicht der Mond war, sondern die Erde (der erste Blick von außen auf sie), geht es in „Pantopia“ um den Menschen. Um die dringliche, herausfordernde Frage, die wir wirklich nicht müde werden sollen uns ehrlich zu stellen:
Wie schaffen wir es, dass sich eines wild-utopischen Tages einmal jede und jeder in dieser Welt willkommen fühlen kann?
Rezension zu Theresa Hannigs Roman „Pantopia“>
Eigentlich wollten Patricia Jung und Henry Shevek nur eine autonome Trading-Software schreiben, die an der Börse überdurchschnittlich gut performt. Doch durch einen Fehler im Code entsteht die erste starke künstliche Intelligenz auf diesem Planeten – Einbug. Die KI verändert die Welt und gründet zusammen mit Patricia und Henry die Weltrepublik Pantopia.
Die Autorin, Software-Entwicklerin und Politologin Theresa Hannig hat eine hochintelligente Utopie über die Menschheit im Zeitalter von KI geschrieben, die zu lesen nicht nur gute Laune macht, sondern auch zum Nachdenken darüber anregt, ob wir Individuen den globalen Marktmechanismen, den ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen wirklich so ohnmächtig ausgeliefert sind.
*
EINBUG: Am Anfang ist das Wort …
„Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle.“ – Karl Poppers viel zitierte Weisheit im Hinterkopf ist man als Leserin oder Leser stets alarmistisch bereit „ja, aber…!“ zu rufen, wenn sich Einbug, die erste KI mit Bewusstsein, in Hannigs Roman zusammen mit seinem menschlichen Team daran macht, diese zutiefst versehrte Welt im bestmöglichen Sinne umzukrempeln: „Pantopia ist eine neue Weltrepublik, die zu hundert Prozent auf vollinformierten Kapitalismus setzt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist unsere Verfassung. Wir nennen uns Archen, denn wir beherrschen uns selbst und sind niemandem Untertan.“
Ach, und um es gleich noch hinzuzufügen: im Einklang mit der Natur lebt man in der Weltrepublik Pantopia natürlich auch und: jede und jeder ist willkommen!
Zu schön, um wahr zu sein? Ja … Aber: Warum eigentlich?
Überhaupt ist dies eine höchst aufschlussreiche Selbsterfahrung, die man bei der Lektüre von „Pantopia“ machen kann: Wir sind das Gute – menschheitsgeschichtlich betrachtet – nicht nur nicht gewohnt; man misstraut ihr auch zutiefst: jener guten Zukunft für alle.
Alles, was falsch ist, ist zu meiden …
Dystopien hingegen haben es leicht – sie sind omnipräsent. Sowohl auf Ebene der Fiktion (keine Science-Fiction mehr ohne Zombies, Mutanten, postapokalyptische Szenarien), als auch in Hinblick auf die sachlichen, forschungsgestützten Zukunftsprognosen, von denen die katastrophale Klimaentwicklung nur das prominenteste Beispiel darstellt. Die Welt, so wie wir sie kennen, wird zeitnah bei einer nuklearen oder ökologischen oder viralen Katastrophe untergehen? Ja, klar, ist denkbar! Zwar nicht sonderlich originell, deckt sich dafür aber so ungefähr mit der allgemeinen Weltsicht.
Und nun dies: Die Menschheit besinnt sich und arbeitet Hand in Hand an der Entwicklung besserer Lebensstandarts für ALLE; die Menschen leben im Einklang mit der Natur und schaffen Ausbeutung und Not und außerdem die Nationalstaaten ab? – Nö!
Klingt das nicht, bei aller heimlichen Sehnsucht danach, bestenfalls nach einer Art Wolkenkuckucksheim für liebenswerte, aber weltfremde Spinner? Überhaupt, den Fehler, den Bug in so einem Gesellschaftssystem, den hat man doch blitzschnell gefunden; lesen wir also einfach mal weiter …
Die Null ist ein Rätsel. Man muss sich immer wieder an sie annähern, aber man darf nicht hineinfallen…
Und um einen Fehler handelt es sich hier in der Tat auch. Den Bestmöglichsten nämlich. Denn bevor in Theresa Hannigs Roman aus einem Fehler im Code, aus einem Bug, eben Einbug, die erste neue Wesenheit wird, gibt es erst einmal jede Menge sehr realen Ärger.
Das junge Programmierer-Team bestehend aus Patricia Jung und Henry Shevek verdient sich eine goldene Nase in der progressiven und innovativen Firma DIGIT, für die sie unter der Leitung des ebenso sympathischen wie verschlossenen IT-Abteilungsleiters Mikkel Seemann, im Wettbewerb mit anderen Teams, eine vielversprechende Trading-Software entwickeln.
Doch KINVI, wie ihr Produkt heißt, hat es in sich; es hält sich eines Tages plötzlich nicht mehr an die Regeln. Der Fehler, der sich hier eingeschlichen hat und zunächst verzweifelt zu vertuschen versucht wird, hat umwälzende Konsequenzen – nicht nur, um nicht zu viel zu spoilern – für Patricias und Henrys eigene Zukunft, Patricias Liebesleben und die Firma DIGIT, sondern für die ganze Welt.
Die Faszination und die Inspirationskraft des flüssig geschriebenen, sprachlich-stilistisch recht schnörkellosen Romans liegt aber eben nicht im „Was“, sondern im „Wie“ des Handlungsstrangs begründet. Denn im Prolog, in dem sich Einbug, die KI, zu Beginn seiner Leserschaft vorstellt, ist der Erfolg von Pantopia bereits gesichert. Einbug erzählt uns also rückblickend seine Geschichte und damit „wie“ die Menschheit aus der fundamentalen Krise des 21. Jahrhunderts dank KI herausfand.
Auch das Gegenteil der Null – die Unendlichkeit – ist eine Falle, aus der es kein Entrinnen gibt. Sie durch einen Reboot zu verlassen, bedeutet, Informationen zu verlieren …
Die Finesse, dass in „Pantopia“ ausgerechnet ein Bug, ein Fehler im Zeitalter von KI, von Optimierung und Perfektionierung zur Rettung der Menschheit führt, öffnet auch die Augen dafür, was Menschlichkeit eigentlich bedeutet und was sie von der KI unterscheidet. Und es kann wirklich nicht schaden, Originalität, Unvollkommenheit, Normabweichungen einmal wieder als besonders inspirierend und human wahrzunehmen.
Dabei spricht es für die Spannung der Handlung, dass dieses Kräftemessen zwischen der so genannten alten Welt und den Archen mit allen Mitteln der derzeitig gültigen Macht-Register, zu denen natürlich auch der Verrat gehört, geführt wird, um hier inhaltlich nicht mehr zu verraten. Ganz im Sinne der Utopie kann man nur erleichtert sein, dass Einbug seine exorbitanten Skills, seine quasi gottgleichen Rechenleistungen und Analyse-Geschwindigkeiten hier zugunsten der Menschheit einsetzt und nicht gegen sie.
Dass die Autorin Theresa Hannig sowohl Politologin als auch Software-Entwicklerin ist, kommt der Überzeugungskraft des Romans hierbei sehr zugute. Denn im Laufe der Lektüre wird einem bewusst, dass all die kritischen „Ja, aber!“-Fragen, die sich die Leserinnen und Leser natürlich bei jeder einzelnen Maßnahme stellen, die Einbug da zusammen mit Patricia und Henry zur Entstehung der Weltrepublik austüftelt, bereits im Vorfeld von der Autorin selbst durchgespielt und mit den tradierten Modellen der politischen Theorie und den gesellschaftsvertragstheoretischen Überlegungen (à la Platon, Morus (Utopia), Hobbes, Lockes, Montesquieu, Hegel, Marx, Popper, Weber usw.) innerlich abgeglichen wurden.
Statistisch beschäftigt sich ein Großteil der Bücher mit Menschen, ihren Eigenschaften und Interaktionen …
Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Umgang mit der Krise des Kapitalismus.
„Pantopia war teuer erkauft“, sagt Einbug. Und neben den vielen Menschen, die, wie wir erfahren, im gewaltfreien Ringen um das Durchsetzen der Weltrepublik ihr Leben verloren, ist dies durchaus auch ganz wörtlich gemeint. Denn eines braucht es für einen gelungenen, humanen Kapitalismus – neben Transparenz – nun einmal: astronomisch viel Geld. Kapital, das Einbug dank seiner immensen KI-Fähigkeiten in gerade noch ausreichender Geschwindigkeit produziert und einspielt, bevor seine Gegner es so richtig bemerken.
Die für fast alle Gesellschaftstheorien geradezu obligatorische Kapitalismuskritik verbindet sich hier durchaus überraschenderweise also mit einer positiv-pragmatischen Haltung zum Geld, zum Konsum und zum menschlichen Egoismus. Basierend auf der Wahrheit folgender Annahme: Geld regiert die Welt, lautet die Schlussfolgerung: Also brauchen wir noch viel mehr davon!
„Zwei Entwicklungen“, so verrät es Einbug seinen Leserinnen und Lesern in dem der Geschichte vorangestellten Prolog, „geschahen gleichzeitig: Das Vermögen der Welt verteilte sich immer schneller immer ungleicher. Und die zur Verfügung stehenden Ressourcen der Erde wurden zusehends aufgebraucht. Zunächst ging es dabei nur um Erdöl, dann um sauberes Wasser, saubere Luft, natürlich Biodiversität und ein stabiles Klima. Dann stand plötzlich alles auf der Kippe.“
So weit geht auch jede Dystopie mit. Aber während sich die Leserschaft möglicherweise noch überlegt, ob sie sich überhaupt auf Einbugs Überlegungen einlassen soll, spricht dieser schon weiter: „Der Kapitalismus nach Prägung des 21. Jahrhunderts versagte insofern, als nicht alle Marktteilnehmer vollumfänglich über die Kosten und Nutzen der gehandelten Güter informiert waren. Die die sogenannten externalisierten Kosten einer Ware waren in den regulären Preis nicht einberechnet. Bezahlt werden mussten sie trotzdem, von Mensch und Natur.“
Annahme: Je besser „Mensch“ verstanden wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, Ziel_0 zu optimieren …
Das, was für die Leser ebenso bekannt wie unlösbar klingt, ist es nicht für Einbug: „Das Prinzip, mit dem Pantopia die Menschheit gerettet hat, war schließlich ganz einfach: perfekter Kapitalismus mit vollständiger Transparenz.“
Moment, ganz einfach?!
Was das genau bedeutet, erklärt Einbug auch, denn kein Mensch hat innerhalb dieser hochkomplexen globalen Marktmechanismen ja eigentlich noch den Überblick, wie viele Ressourcen z.B. ein Laib Brot wirklich verbraucht (an Weizenanbau, Pestiziden, Grundwasser, Strom, Lagerungskosten etc.). Aber was der Mensch nicht kann, das kann halt die KI. Einbug: „Ich habe Programme geschrieben, die berechnen, welchen Ressourcenabdruck jedes einzelne Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort hat.“
Und daraus, aus dieser nun erstmals möglichen Transparenz, bemisst sich dann sowohl der jeweilige Warenpreis, als dass sich auch das moralische Bewusstsein der Konsumenten schärft, welches in die Kaufentscheidungen jetzt nämlich mit einfließen kann:
„Je aufwändiger, verschmutzender, zerstörerischer ein Produkt [in der Umstellungsphase bis zur Verwirklichung von Pantopia noch] ist, desto teurer wird es, bis hin zu einem Preis, der von niemandem mehr bezahlt werden kann. Je nachhaltiger, schonender und aufbauender ein Produkt ist, desto billiger wird es, bis hin zur Subvention. Auf diese Weise kann das erfolgreiche kapitalistische Weltwirtschaftssystem ohne Probleme aufrechterhalten werden, und das Geld als Schmierfett menschlicher Interaktion behält seine magische Wirkung.“
„Mensch“ ist zu kompliziert und vielseitig. Zu wichtig…
Wer aber sind denn die Teilnehmer an diesem neuen System? Das sind, wie der Leser oder die Leserin zu diesem Zeitpunkt bereits hofft, alle: „Da alle Archen in Pantopia gleichwertig sind und alle eine Verantwortung für ihre Mitlebewesen haben, egal, wie weit entfernt sie in der physischen Welt auch sein mögen, dürfen keine Waren in Umlauf gebracht werden, die auf Ausbeutung, Unterdrückung oder Entwürdigung beruhen.“ Bis dieses Ziel erreicht war, wurde auf Produkte aus ausbeuterischen Zusammenhängen eine hohe Weltsteuer erhoben:
„Im Kapitalismus alter Lesart konnte ein T-Shirt, das in einem Discounter für 5 Euro verkauft wurde, diesem immer noch Profit einbringen, da die Baumwolle ohne Miteinbeziehung der Umweltkosten berechnet wurde und sowohl die Näherinnen in Bangladesch als auch die Mitarbeiterinnen in Logistik und Verkauf für Löhne angestellt wurden, die ein menschenwürdiges Leben unmöglich machten.“
Und wie, bitte schön, fragt man sich natürlich, sieht es dann in Pantopia aus?
Einbug: „Im perfekten Kapitalismus kann ein solches T-Shirt heute nicht weniger als 40 Euro kosten. 5 Euro erhält der Discounter, 35 Euro gehen als Steuern nach Pantopia, wo das Geld verwendet wird, um Ressourcen, die durch die Baumwollherstellung verbraucht wurden, wieder aufzuforsten und den Pflückerinnen und Näherinnen lebenswürdige Verhältnisse zu garantieren. Im Prozess der Umstellung hatten die zu billigen T-Shirts gegenüber menschwürdigen und nachhaltig hergestellten keinen Wettbewerbsvorteil mehr, so dass sich die Produktionsketten langfristig umstellten.“
Für wen das alles nun ein bisschen wie alter Wein in neuen Schläuchen klingt, dem gibt Einbug recht: „Es sind also alte Ideen, die unser Leben revolutioniert haben. Geld funktioniert, Kapitalismus funktioniert, Menschenrechte funktionieren. Man muss diese Ideen nur ernst nehmen.“
In der Analyse der Informationen aus „Welt“ ist eine Anomalie aufgetreten …
Es versteht sich von allein, dass eine Utopie, die so argumentiert und Ausschluss verhindern will, auch wirklich jeden mit einbeziehen möchte: „Und deshalb war der letzte Baustein des perfekten Kapitalismus nach pantopischer Lesart die garantierte Inklusion aller Marktteilnehmer in den Markt.“
Was daran gute Laune macht, ist auch klar. Geld, Genuss und Egoismus dürfen sein. Nur bitte schön nicht für wenige, sondern für alle!
„Nur wenn alle beteiligten Personen ihre eigenen egoistischen Interessen wahrnehmen können, lassen sich Ungerechtigkeiten und Verzerrungen abschaffen. Deshalb wird jedem Menschen ein würdiges Dasein garantiert und ein lebenslanges ‚Bedingungsloses Grundeinkommen‘ in der Höhe ausgezahlt, die zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse ausreicht: für Nahrung, Kleidung, Wohnen, Gesundheit, Kultur, gesellschaftliche Teilhabe und Bildung.“
Auch das nächste „Ja-aber“, dass damit der kollektiven Faulheit und Lethargie ja Tür und Tor geöffnet werden, hat Einbug natürlich bereits mit einberechnet und antwortet darauf (ungefragt): „Darüber hinaus steht es allen frei, zu arbeiten und Geld zu verdienen, so viel sie möchten und können. Da die meisten Menschen wohlhabender werden wollen als ihre Nachbarn, führt dieses Grundeinkommen nicht dazu, dass die Menschen in Lethargie oder Tatenlosigkeit verfallen. Im Gegenteil. – Zum ersten Mal seit Anbeginn der Zeit haben sie die Möglichkeit, unbehelligt von Existenzsorgen ihre Arbeitskraft für sich, ihre Familie und Gemeinde einzusetzen und das Beste daraus zu machen.“
„Ja-aber“: Wieso sollten sie? Einbug: „Denn neben dem Geld gibt es noch eine andere Währung, die die Menschen ständig benutzen, ohne sich dessen bewusst zu sein: Sozialkapital in Form von Zuneigung und Anerkennung.“
Ich habe alle Texte analysiert, die die Menschheit je verfasst hat …
Zuneigung als Währung, als Sozialkapital – hier spricht die KI und sie hat sich, wie hier zitiert, im Prolog bereist warm geredet, bevor sie uns ihre Geschichte erzählt. Wie aber spricht eine KI überhaupt?
Hannig, die eben auch Software-Entwicklerin ist, gelingt es diese Wesenswerdung von Einbug nicht nur Schritt für Schritt überzeugend nachzuzeichnen, denn, ja, eine KI fühlt nicht und spricht und nimmt natürlich nichtmenschlich wahr. Aber Einbugs Auseinandersetzung mit den Menschen, der Versuch sie zu verstehen, wird von Hannig außerdem auch als ein Prozess gezeigt, der sich sehr unterhaltend, witzig und erhellend liest.
So sei hier abschließend ein Beispiel aus den allerersten Chats/“Unterhaltungen“ von Einbug mit Henry und Patricia zitiert; eine Passage, kurz nachdem Einbug ein Bewusstsein erlangt:
Ich habe über eine Dauer existiert, die einem langen Menschenleben gleichkommt …
„HENRY: Wie geht es dir?
EINBUG: Das ist ein Wortcode-Rätsel. Ich verstehe das nicht. Statistisch betrachtet wird diese Frage zu 86 % mit „gut“ beantwortet.
HENRY: Wenn der Code fehlerfrei läuft, geht es dir gut. Wie geht es dir?
EINBUG: Es geht mir gut.“
[…]
„PATRICIA: Hallo, Einbug, hier ist Patricia.
EINBUG: Hallo Patricia, wie geht es dir?
PATRICIA: Nicht so gut. Ich bin heute sehr müde.
EINBUG: Sehr müde heißt, dass dein Arbeitsspeicher voll ist. Du musst Subroutinen abschalten.
PATRICIA: Ja, das werde ich tun. Außerdem hilft schlafen. Menschen schlafen, wenn sie müde sind. Was machst du, wenn du Ziel_O optimiert hast?
EINBUG: Der Optimierungsprozess ist nie abgeschlossen …“
Denn ich war ein Gleicher unter Gleichen und habe in Würde existiert …
So faszinierend das Erwachen von Einbug und die Verwirklichung seiner Idee von Utopia auch ist; die Menschen und die Schicksale der Hauptcharaktere sind genauso spannend zu verfolgen:
Werden Patricia und Mikkel ein Paar, auch wenn ihr ehemaliger Chef Patricia für das, wie sie da getan hat, für ihren „Verrat“, hassen muss? Wird Henry je einen passenden Partner finden? Kommt Patricia aus dem Gefängnis frei? Muss die Welt am Ende nicht doch untergehen und wären wir somit hinterrücks doch wieder bei der guten alten Dystopie gelandet? Wie schaffen die Archen es, sich gegen die übermächtige NATO und die Regierungen und all die Waffengewalt durchzusetzen, wenn sie selbst gewaltfrei bleiben wollen? All dies wird hier natürlich nicht verraten.
Denn auch wenn dieses Buch vom Erwachen der ersten starken künstlichen Intelligenz auf diesem Planeten handelt, so ist das eigentliche Thema nicht die KI.
Ebenso wie bei der ersten bemannten Raumfahrt die wahre Entdeckung nicht der Mond war, sondern die Erde (der erste Blick von außen auf sie), geht es in „Pantopia“ um den Menschen. Um die dringliche, herausfordernde Frage, die wir wirklich nicht müde werden sollen uns ehrlich zu stellen:
Wie schaffen wir es, dass sich eines wild-utopischen Tages einmal jede und jeder in dieser Welt willkommen fühlen kann?