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10.11.2014, 17:08 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [504]: Extraseiten über die falsche Bauart der Kirchen

Extraeintrag über die Extraseiten über die falsche Bauart der Kirchen

Die Kirchen sind falsch gebaut, denn man, besonders aber die Fürsten, die Besseres an Schlafunterlage und -umgebung (Theaterlogen etc.) gewohnt sind, kann in ihnen nicht einschlafen, wenn die Architekten auch schon einiges Gute für den Kirchenschlaf gemacht haben (dunkle Glasfarben, schwarze Altäre, Pfeilerstellung etc.).

Dies ist die Quintessenz aus den Extraseiten über die falsche Bauart der Kirchen. Man gebe also nicht dem Blogger die Schuld, wenn es mit der sogenannten Handlung nicht recht vorangeht; der Stolpersteine sind viele. Im Übrigen ist der Kirchenschlaf ein Thema, das Jean Paul mehrmals bearbeitet hat. Im Lichte der Tatsache, dass schon damals die Kirchen nicht so gefüllt waren, wie wir es uns heute naiverweise vorstellen, ist seine Satire nicht nur apart, sondern realistisch. Schon im späten 17. Jahrhundert gab es sadistische Kirchenschlafordnungen, die die Sache regeln sollten; 1968 konnte William D. Thompsons Standardwerk noch in deutscher Sprache erscheinen: ein nach wie vor aktuelles Werk, in dem von den unaufmerksamen Schläfern, weniger von den Schlafprovokateuren die Rede ist, die gefälligst bessere Predigten halten sollten, damit „die Leute“ wieder mehr in die Kirchen gehen. Mit leichter Hand vermittelt Dr. Thompson theologische und psychologische Einsichten und schließt mit einer Liste beherzigenswerter Ratschläge. Also gut.

In der Levana wird Jean Paul sich knapp 15 Jahre nach der Loge über den Verlust der Religion und die leeren Kirchen von 1804 äußern, vorher konnte er noch karikierend darauf hinweisen, dass es praktisch wäre, ordentliche Kirchenbetten in den Logen aufzuschlagen. In eine Hofkirche gehören demgemäß Spieltische, Esstische, Ottomanen, Freundinnen u. dergl. Freundinnen: das setzt der Autor kursiv, und er denkt an Frauen wie die Bouse oder jüngere Mätressen, die, so stellt sich der Blogger das vor, während der Gottesdienste am Fürsten rumspielen können (et vice versa, wie es im ius canonicus so schön heißt).

Ende des Extraeintrags über die Extraseiten über die falsche Bauart der Kirchen

 

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