Logen-Blog [445]: Auch der Blogger macht nur seine Arbeit
Fragonard: La lettre d'amour
Der Berichterstatter ist weit davon entfernt, Gustavs Entschluss, der Geliebten seinen lettre d'amour während des Spiels zu überreichen, gut zu heißen – denn auf seine Bescheidenheit sei der Honigtau des Beifalls gefallen, den du an einem solchen Orte nicht einmal für Schmeichelei, sondern bloß für eine Façon zu reden berechtigt warest anzusehen.
Eine Façon zu reden berechtigt warest: es sind derartige Formeln, die manchem Leser, der's mit Jean Paul versuchen will, die Lektüre versauern. Dabei ist der Schluss ganz einfach: Beifall sollte zuallererst als Meinungskundgebung, nicht als Bestätigung der Eitelkeit gedeutet werden. Es geht, im Theater wie im Leben, nicht um die Vorfreude auf die Zustimmung, sondern um die Leistung, der Anerkennung zu zollen nicht missverstanden werden sollte. Wie der Blogger immer sagt (und er meint es ernst): „Ich mache nur meine Arbeit.“
Gustavs Arbeit besteht zunächst darin, den Liebesbrief an die Dame seines verwundeten Herzens zu bringen, sei es in einem Akt der Bescheidenheit oder des Stolzes über eine gelungene Tat und eine nur scheinbare Bescheidenheit, die allzu leicht vom Beifall erledigtwerden kann. Was Lob anrichten kann, sagt der Erzähler sofort; es ist bedenkenswert:
Unter allen Dingen ist menschliche Bescheidenheit am leichtesten totgeräuchert oder totgeschwefelt, und manches Lob ist so schädlich wie eine Verleumdung. Im Narrenhause sehen wir, dass der Mensch andern aufs Wort glaubt, er sei närrisch, und in Palästen sehen wir, dass er ihnen aufs Wort glaubt, er sei weise.
Um das Erste – das Närrische – zu belegen, bringt er nun in der Fußnote ein exemplum[1] aus der Praxis der kollegialen Schriftstellerzunft: eine hübsche Schnurre, die uns wieder nach Frankreich – und zu einer allgemeinen Erkenntnis führt.
Man könnte einen Menschen durch die Versicherung närrisch machen, er sei närrisch. Die Freunde vom jüngern Crebillon beredeten sich einmal, an einem geselligen frohen Abende über keinen Einfall von ihm zu lachen, sondern nur mitleidig zu schweigen, als hab' er nun allen Witz verloren. Und die Sache wurd' ihm auch glaublich gemacht. Wieder andere Schriftsteller werden durch ihre Freunde gerade mit dem umgekehrten Irrtum noch lebhafter getäuscht, dass sie glauben, Witz zu haben.
Die Anekdote erinnert den Kommentator daran, dass er vor einigen Jahrzehnten eine deutsche Werkausgabe Crébillons des Jüngeren, die 1968 im Propyläen-Verlag[2] herauskam, hätte kaufen können. Das bekannteste Werk des seinerzeit verfolgten Skandalautors – L'écumoire[3], zu Deutsch: Der Schaumlöffel – war natürlich auch dabei.
Weniger satirisch als tragisch aber dürfte der Verlauf jenes Geburtstagfests werden, denn der Erzähler hat das Talent, den Leser bei der Stange zu halten: Mein Gustav! – Noch heute weinen deine Augen nach! Liegt es daran, dass Gustav, wie das Einbein berichtet, den Fehler hat, „dass die Gegenwart vor ihm allemal wie ein Wasserfall alle ferne Laute überrauschte“? Seien wir also gespannt, wie sich die Abfolge von Theaterspiel, Souper und Bal paré gestalten wird.
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[1] Für die Definition dieses Begriffs verweist der Blogger, natürlich in aller Bescheidenheit, auf seine hochbedeutende Dissertation.
[2] In dem auch die maßgebliche deutsche Casanova-Ausgabe ediert wurde.
[3] Nicht zu verwechseln mit Boris Vians genialem L'Écume des jours.
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Fragonard: La lettre d'amour
Der Berichterstatter ist weit davon entfernt, Gustavs Entschluss, der Geliebten seinen lettre d'amour während des Spiels zu überreichen, gut zu heißen – denn auf seine Bescheidenheit sei der Honigtau des Beifalls gefallen, den du an einem solchen Orte nicht einmal für Schmeichelei, sondern bloß für eine Façon zu reden berechtigt warest anzusehen.
Eine Façon zu reden berechtigt warest: es sind derartige Formeln, die manchem Leser, der's mit Jean Paul versuchen will, die Lektüre versauern. Dabei ist der Schluss ganz einfach: Beifall sollte zuallererst als Meinungskundgebung, nicht als Bestätigung der Eitelkeit gedeutet werden. Es geht, im Theater wie im Leben, nicht um die Vorfreude auf die Zustimmung, sondern um die Leistung, der Anerkennung zu zollen nicht missverstanden werden sollte. Wie der Blogger immer sagt (und er meint es ernst): „Ich mache nur meine Arbeit.“
Gustavs Arbeit besteht zunächst darin, den Liebesbrief an die Dame seines verwundeten Herzens zu bringen, sei es in einem Akt der Bescheidenheit oder des Stolzes über eine gelungene Tat und eine nur scheinbare Bescheidenheit, die allzu leicht vom Beifall erledigtwerden kann. Was Lob anrichten kann, sagt der Erzähler sofort; es ist bedenkenswert:
Unter allen Dingen ist menschliche Bescheidenheit am leichtesten totgeräuchert oder totgeschwefelt, und manches Lob ist so schädlich wie eine Verleumdung. Im Narrenhause sehen wir, dass der Mensch andern aufs Wort glaubt, er sei närrisch, und in Palästen sehen wir, dass er ihnen aufs Wort glaubt, er sei weise.
Um das Erste – das Närrische – zu belegen, bringt er nun in der Fußnote ein exemplum[1] aus der Praxis der kollegialen Schriftstellerzunft: eine hübsche Schnurre, die uns wieder nach Frankreich – und zu einer allgemeinen Erkenntnis führt.
Man könnte einen Menschen durch die Versicherung närrisch machen, er sei närrisch. Die Freunde vom jüngern Crebillon beredeten sich einmal, an einem geselligen frohen Abende über keinen Einfall von ihm zu lachen, sondern nur mitleidig zu schweigen, als hab' er nun allen Witz verloren. Und die Sache wurd' ihm auch glaublich gemacht. Wieder andere Schriftsteller werden durch ihre Freunde gerade mit dem umgekehrten Irrtum noch lebhafter getäuscht, dass sie glauben, Witz zu haben.
Die Anekdote erinnert den Kommentator daran, dass er vor einigen Jahrzehnten eine deutsche Werkausgabe Crébillons des Jüngeren, die 1968 im Propyläen-Verlag[2] herauskam, hätte kaufen können. Das bekannteste Werk des seinerzeit verfolgten Skandalautors – L'écumoire[3], zu Deutsch: Der Schaumlöffel – war natürlich auch dabei.
Weniger satirisch als tragisch aber dürfte der Verlauf jenes Geburtstagfests werden, denn der Erzähler hat das Talent, den Leser bei der Stange zu halten: Mein Gustav! – Noch heute weinen deine Augen nach! Liegt es daran, dass Gustav, wie das Einbein berichtet, den Fehler hat, „dass die Gegenwart vor ihm allemal wie ein Wasserfall alle ferne Laute überrauschte“? Seien wir also gespannt, wie sich die Abfolge von Theaterspiel, Souper und Bal paré gestalten wird.
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[1] Für die Definition dieses Begriffs verweist der Blogger, natürlich in aller Bescheidenheit, auf seine hochbedeutende Dissertation.
[2] In dem auch die maßgebliche deutsche Casanova-Ausgabe ediert wurde.
[3] Nicht zu verwechseln mit Boris Vians genialem L'Écume des jours.