Logen-Blog [436]: Eine noch größere Liebe als die freundschaftlichste
Also die SPIELER – sie haben, sagt der Erzähler, vom Drama, das am Geburtstag der Residentin aufgeführt werden soll (denn es handelt sich um ein Theaterstück)[1], noch keine Ahnung, das heißt: sie wissen noch nicht, wen sie – Beata und Gustav, der Fürst und Oefel – da spielen sollen. Herr Oefel hat dieses Spiel entworfen; ich stelle ihn mir auch als Regisseur vor, der seine Spieler über den Ra- pardon: über die Bühne führt. Jean Paul hat diesen Absud der Oefelschen Pflanze so hübsch beschrieben, dass ich ihn komplett hierhin setze. Das „Dekokt“ wurde aus einer Geschichte gebraut, die wir schon ein wenig kennen: die Historie des Rosenmädchens von Salency. Der Leser achte insbesondere auf das Verhältnis von Marie und Henri:
In einem französischen Dorfe waren zwei Schwestern so gut, dass jede verdiente, das Rosenmädchen zu werden, und so uneigennützig, dass jede wollte, die andre würd' es. Marie hieß die eine und Jeanne die andre. Am Tage vor der Austeilung der Preismedaille von Rosen stritten sie sich darüber, wer sie – ausschlagen sollte: denn sie wussten von recht guter Hand, dass bloß auf eine von ihnen die Rosenkrone fallen würde. Jeanne – von der Ministerin gespielt – wischte durch den schönen Einfall unter der Laubkrone hinweg, dass sie ihren Liebhaber Perrin – Oefel stellte den vor – öfter und öffentlicher um sich hatte, als eine Rosen-Kompetentin soll. Marie (die Rolle von Beata) konnte also die Krönung nicht von sich, wie es schien, abwenden – indessen bat sie ihren Bruder Henri (Gustav wars), der sie besonders liebte und der seit seiner Kindheit aus ihrem Hause durch seine Reisen weggewesen, diesen bat sie um Sieg in diesem uneigennützigen Wettstreite. Er suchte sie zum entgegengesetzten Siege zu bereden; endlich aber, da er die Unerbittlichkeit ihrer schwesterlichen Liebe so entschieden sah, versprach er, für eine rechte Belohnung ihr die ihrige zu ersparen. „Aber du musst noch größere Liebe für mich haben“, sagt' er; – „die schwesterliche“, sagt sie; – „eine noch stärkere“, sagte er; – „die freundschaftlichste“, sagte sie; – „eine noch viel stärkere“, sagt' er; –„weiter gibts keine größere“, sagte sie; – „o doch! ich bin ja dein Bruder nicht“, sagt' er und fiel mit liebetrunknen Augen vor ihr nieder und gab ihr ein Papier, das sie aus ihrem bisherigen Irrtum zog und sie dafür in eine kleine Freuden-Ohnmacht stürzte. Sie erschienen alle vier vor dem Gutsherrn und Kranz-Kollator (der Fürst spielte diese Rolle sogar auf dem – Theater), und jede kam seiner Wahl durch eine Bitte und Lobrede für ihre Schwester und durch feine Invektiven auf sich selber zuvor. Der kokettierende Wicht Perrin quästionierte: sollte die Liebe andre Rosen brauchen als ihre eigne? – Marie gab eine fliegende Schilderung von den Vorzügen, denen eine solche Bekrönung gebühre und die zum Teil feine Züge aus Bousens Bilde waren. Der Gutsherr sagte: diese schwesterliche Unparteilichkeit, die so sehr zu bewundern sei wie die Verdienste, die sie zu belohnen suche, verdiene zwei Rosenkronen, eine, um belohnt zu werden, und eine, um selber zu belohnen; (niemand, fiel der scheinbar den Damen und wirklich dem Fürsten schmeichelnde Oefel ein, teilt Kronen schöner aus, als wer sie selber trägt;) und sie würden sich von ihm in nichts als in der Unparteilichkeit und Schönheit unterscheiden, wenn sie an seiner Statt vielleicht wie er wählten, wem der Rosenkranz, eh' der Schmetterling von ihm flöge – einer von Brillanten war mit einer Zitternadel in die größte Rose gesteckt –, aufzusetzen sei.... „Unserer Rosen-Königin!“ riefen die Schwestern und brachten den Kranz der Residentin hin.
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[1] Überflüssig zu sagen: ein Drama muss nicht auf dem Theater aufgeführt werden, oder anders: ein Theater kann überall aufgerichtet werden. Es muss nicht „Theater“ heißen, um eine Schaubude heißester Leidenschaften und aggressiver Konflikte, aber auch dramaturgisch geschickter Kunstgriffe und spannender Akt-Verläufe zu sein. Diejenigen, die heute früh erregt und notwendigerweise ruhelos (befriedigt oder unbefriedigt) schlafen gingen, werden wissen, was der Blogger meint.
Logen-Blog [436]: Eine noch größere Liebe als die freundschaftlichste>
Also die SPIELER – sie haben, sagt der Erzähler, vom Drama, das am Geburtstag der Residentin aufgeführt werden soll (denn es handelt sich um ein Theaterstück)[1], noch keine Ahnung, das heißt: sie wissen noch nicht, wen sie – Beata und Gustav, der Fürst und Oefel – da spielen sollen. Herr Oefel hat dieses Spiel entworfen; ich stelle ihn mir auch als Regisseur vor, der seine Spieler über den Ra- pardon: über die Bühne führt. Jean Paul hat diesen Absud der Oefelschen Pflanze so hübsch beschrieben, dass ich ihn komplett hierhin setze. Das „Dekokt“ wurde aus einer Geschichte gebraut, die wir schon ein wenig kennen: die Historie des Rosenmädchens von Salency. Der Leser achte insbesondere auf das Verhältnis von Marie und Henri:
In einem französischen Dorfe waren zwei Schwestern so gut, dass jede verdiente, das Rosenmädchen zu werden, und so uneigennützig, dass jede wollte, die andre würd' es. Marie hieß die eine und Jeanne die andre. Am Tage vor der Austeilung der Preismedaille von Rosen stritten sie sich darüber, wer sie – ausschlagen sollte: denn sie wussten von recht guter Hand, dass bloß auf eine von ihnen die Rosenkrone fallen würde. Jeanne – von der Ministerin gespielt – wischte durch den schönen Einfall unter der Laubkrone hinweg, dass sie ihren Liebhaber Perrin – Oefel stellte den vor – öfter und öffentlicher um sich hatte, als eine Rosen-Kompetentin soll. Marie (die Rolle von Beata) konnte also die Krönung nicht von sich, wie es schien, abwenden – indessen bat sie ihren Bruder Henri (Gustav wars), der sie besonders liebte und der seit seiner Kindheit aus ihrem Hause durch seine Reisen weggewesen, diesen bat sie um Sieg in diesem uneigennützigen Wettstreite. Er suchte sie zum entgegengesetzten Siege zu bereden; endlich aber, da er die Unerbittlichkeit ihrer schwesterlichen Liebe so entschieden sah, versprach er, für eine rechte Belohnung ihr die ihrige zu ersparen. „Aber du musst noch größere Liebe für mich haben“, sagt' er; – „die schwesterliche“, sagt sie; – „eine noch stärkere“, sagte er; – „die freundschaftlichste“, sagte sie; – „eine noch viel stärkere“, sagt' er; –„weiter gibts keine größere“, sagte sie; – „o doch! ich bin ja dein Bruder nicht“, sagt' er und fiel mit liebetrunknen Augen vor ihr nieder und gab ihr ein Papier, das sie aus ihrem bisherigen Irrtum zog und sie dafür in eine kleine Freuden-Ohnmacht stürzte. Sie erschienen alle vier vor dem Gutsherrn und Kranz-Kollator (der Fürst spielte diese Rolle sogar auf dem – Theater), und jede kam seiner Wahl durch eine Bitte und Lobrede für ihre Schwester und durch feine Invektiven auf sich selber zuvor. Der kokettierende Wicht Perrin quästionierte: sollte die Liebe andre Rosen brauchen als ihre eigne? – Marie gab eine fliegende Schilderung von den Vorzügen, denen eine solche Bekrönung gebühre und die zum Teil feine Züge aus Bousens Bilde waren. Der Gutsherr sagte: diese schwesterliche Unparteilichkeit, die so sehr zu bewundern sei wie die Verdienste, die sie zu belohnen suche, verdiene zwei Rosenkronen, eine, um belohnt zu werden, und eine, um selber zu belohnen; (niemand, fiel der scheinbar den Damen und wirklich dem Fürsten schmeichelnde Oefel ein, teilt Kronen schöner aus, als wer sie selber trägt;) und sie würden sich von ihm in nichts als in der Unparteilichkeit und Schönheit unterscheiden, wenn sie an seiner Statt vielleicht wie er wählten, wem der Rosenkranz, eh' der Schmetterling von ihm flöge – einer von Brillanten war mit einer Zitternadel in die größte Rose gesteckt –, aufzusetzen sei.... „Unserer Rosen-Königin!“ riefen die Schwestern und brachten den Kranz der Residentin hin.
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[1] Überflüssig zu sagen: ein Drama muss nicht auf dem Theater aufgeführt werden, oder anders: ein Theater kann überall aufgerichtet werden. Es muss nicht „Theater“ heißen, um eine Schaubude heißester Leidenschaften und aggressiver Konflikte, aber auch dramaturgisch geschickter Kunstgriffe und spannender Akt-Verläufe zu sein. Diejenigen, die heute früh erregt und notwendigerweise ruhelos (befriedigt oder unbefriedigt) schlafen gingen, werden wissen, was der Blogger meint.