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22.05.2014, 16:22 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [413]: Die schöne, weil einzigartige Liebe

Es gibt zweierlei Liebe (sagt „Jean Paul“): die Liebe der Ehebrecherin und die Liebe Beatas – aber beide stehen unter Beobachtung – und die eine (eigentlich: die vielfache) steht unter Beobachtung der Justiz. Die einzigartige ist natürlich die schönere Liebe.

Da Beata sich so sehr sehnte, ihren und meinen Helden zu sehen: so – ging sie, um ihren Wunsch zu verfehlen, einige Tage nach Maußenbach zu ihrer Mutter. Sie tat es, weil sie ihm niemals anders aufstoßen wollte als von ungefähr; bei der Residentin aber wärs' allemal mit Absicht gewesen. Endlich tat sie es auch, um zu Hause das Porträt Gustavs, das der Alte versteigert hatte, aufzusuchen.

Ich erfuhr alles schon am Tage ihrer Rückreise, da ich in Maußenbach als eine ganze adlige Rota anlangte, um eine arme Wirtin weniger zu bestrafen als zu befragen, weil sie – wie man in der Pariser Oper für wichtige Rollen die Spieler doppelt und dreifach in Bereitschaft hält – die erhebliche Rolle ihres Ehemannes anstatt mit einem Double sogar mit zwölf Leuten aus der Gegend vorsichtig besetzt hatte, damit fortgespielet würde, sooft er selber nicht da wäre. Und hier war es, wo ich abnehmen konnte, wie wenig mein Herr Gerichtprinzipal zum Ehebruch geneigt sei, sondern vielmehr zur Tugend; er war ordentlich froh, daß das ganze Flöz von eingepfarrten Ehebrechern gerade vor seinem Ufer vorbeikam und daß er das Werkzeug wurde, womit die Gerechtigkeit diese geheime Gesellschaft heimsuchte und auswichste. Daher suchte er in der Wirtin wie in Jöchers Gelehrten-Lexikon mit Lust nach den Namen wichtiger Autoren, und sie war seinem tugendhaften Ohr ein Homer, der die verwundeten Helden sämtlich bei Namen absingt; daher schenkte er ihr aus Mitleiden, weil sie gar nichts hatte, seine Geldstrafe ganz; aber die ehebrechende Union und Truppe wurde unter die Stampfmühle und in die Kelter gebracht, oder ihr Saugwerke und Pumpenstiefel angelegt.

Fotos: Frank Piontek (eine Zeichnung aus dem Kunstseminar der Abiturklasse des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums zu Bayreuth – und einige der 6000 Stühle in Ai Weiweis Kunstwerk Stools, das gerade im Lichthof des Berliner Martin-Gropius-Baus zu bewundern ist)

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