Logen-Blog [329]: Kannte Jean Paul auch diesen Text?
Es ist sehr beruhigend, zu erfahren, dass auch und gerade der von Jean Paul hoch- und tiefverehrte Rousseau wusste, was Wollust bedeutet – ja: dass er von jenem Masochismus nicht frei war, den Sacher-Masoch später beschrieb. In seinen Confessions beschreibt er sehr genau, wie dieser Affekt in seiner Kindheit entstand; Sacher-Masoch hat gleichfalls eine (möglicherweise erfundene) Kindheitsepisode fixiert, die die Ideen der Venus im Pelz gleichsam grundieren. Bei Rousseau also lesen wir:
Da Fräulein Lambercier uns die Zuneigung einer Mutter entgegenbrachte, besaß sie auch die Machtvollkommenheiten einer solchen, was bisweilen, wenn wir es verdient hatten, dahin führte, über uns jene Strafe zu verhängen, die man Kindern zuteil werden zu lassen pflegt. Lange genug ließ sie es bei der Androhung bewenden, und die Androhung dieser für mich ganz neuen Züchtigung hatte viel Erschreckendes, aber nach dem Vollzug fand ich sie in der Tatsache weit weniger peinvoll, als sie es mir in der Erwartung gewesen war; und was das Wunderlichste ist, diese Strafe steigerte sogar meine Zuneigung zu der, die sie mir verabreicht hatte. Es bedurfte sogar der ganzen Wahrhaftigkeit dieser Zuneigung und aller meiner natürlichen Sanftheit, mich daran zu hindern, die Wiederholung dieses Verfahrens dadurch herbeizuführen, dass ich es zu verdienen suchte, denn ich hatte in dem Schmerz und sogar in der Scham eine Art Wollust empfunden, die mehr Lust als Furcht in mir zurückgelassen hatte, sie noch einmal, von derselben Hand bewirkt, zu verspüren. Da sich in alles dies wahrscheinlich eine verfrühte Regung des Geschlechtes mischte, würde mir dieselbe Züchtigung von der Hand ihres Bruders sicherlich durchaus kein Vergnügen bereitet haben.
Wer möchte glauben, dass diese im achten Lebensjahr von der Hand eines dreißigjährigen Mädchens empfangene Kinderstrafe für den ganzen Rest meines Lebens meine Neigungen, meine Begierden, meine Leidenschaften bestimmt hat, und zwar in einem genau entgegengesetzten Sinne als dem, der sich natürlicher weise daraus hätte entwickeln müssen.
Rousseau war im Übrigen nicht der Einzige, der die Wollust glorifizierte. La Mettrie schrieb einen ganzen Traktat über den Gegenstand, den die Tugendwächter der Jeanpaulzeit verdammten – womit sie ihn, das ist stets der Effekt von Verboten, erst attraktiv machten.
Einzige Frage für heute: Kannte Jean Paul auch diesen Text – und wenn ja: wie beurteilte er ihn?
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Es ist sehr beruhigend, zu erfahren, dass auch und gerade der von Jean Paul hoch- und tiefverehrte Rousseau wusste, was Wollust bedeutet – ja: dass er von jenem Masochismus nicht frei war, den Sacher-Masoch später beschrieb. In seinen Confessions beschreibt er sehr genau, wie dieser Affekt in seiner Kindheit entstand; Sacher-Masoch hat gleichfalls eine (möglicherweise erfundene) Kindheitsepisode fixiert, die die Ideen der Venus im Pelz gleichsam grundieren. Bei Rousseau also lesen wir:
Da Fräulein Lambercier uns die Zuneigung einer Mutter entgegenbrachte, besaß sie auch die Machtvollkommenheiten einer solchen, was bisweilen, wenn wir es verdient hatten, dahin führte, über uns jene Strafe zu verhängen, die man Kindern zuteil werden zu lassen pflegt. Lange genug ließ sie es bei der Androhung bewenden, und die Androhung dieser für mich ganz neuen Züchtigung hatte viel Erschreckendes, aber nach dem Vollzug fand ich sie in der Tatsache weit weniger peinvoll, als sie es mir in der Erwartung gewesen war; und was das Wunderlichste ist, diese Strafe steigerte sogar meine Zuneigung zu der, die sie mir verabreicht hatte. Es bedurfte sogar der ganzen Wahrhaftigkeit dieser Zuneigung und aller meiner natürlichen Sanftheit, mich daran zu hindern, die Wiederholung dieses Verfahrens dadurch herbeizuführen, dass ich es zu verdienen suchte, denn ich hatte in dem Schmerz und sogar in der Scham eine Art Wollust empfunden, die mehr Lust als Furcht in mir zurückgelassen hatte, sie noch einmal, von derselben Hand bewirkt, zu verspüren. Da sich in alles dies wahrscheinlich eine verfrühte Regung des Geschlechtes mischte, würde mir dieselbe Züchtigung von der Hand ihres Bruders sicherlich durchaus kein Vergnügen bereitet haben.
Wer möchte glauben, dass diese im achten Lebensjahr von der Hand eines dreißigjährigen Mädchens empfangene Kinderstrafe für den ganzen Rest meines Lebens meine Neigungen, meine Begierden, meine Leidenschaften bestimmt hat, und zwar in einem genau entgegengesetzten Sinne als dem, der sich natürlicher weise daraus hätte entwickeln müssen.
Rousseau war im Übrigen nicht der Einzige, der die Wollust glorifizierte. La Mettrie schrieb einen ganzen Traktat über den Gegenstand, den die Tugendwächter der Jeanpaulzeit verdammten – womit sie ihn, das ist stets der Effekt von Verboten, erst attraktiv machten.
Einzige Frage für heute: Kannte Jean Paul auch diesen Text – und wenn ja: wie beurteilte er ihn?