Logen-Blog [323]: Die Party geht weiter
Die Party geht weiter, es ist immer noch von Oefels Teufeleien gegenüber Beata die Rede:
Er erinnerte sich erstlich, dass er sich zu vergessen und auf ihre Hand die seinige im Feuer des Redens zu legen habe; darauf stellt' er sich, als besänn' er sich, als nähm' er seiner Hand ein Lot ums andre in der Absicht, sie unvermerkt wegzuheben, sobald sie mehr nicht wöge als ein Fingerglied – „So handelt“ (sagt' er zu sich) „feinere Delikatesse immer; und ich werd' es sehen, was sie verfängt.“
Woran erinnert diese Szene? An den Deutschen Herbst.
Ein seltsames Wort, aber wer damals oder kurz danach, in der Schule[1], Heinrich Bölls kleinen Roman Die verlorene Ehre der Katharina Blum gelesen hat, wird ein Detail in Erinnerung behalten haben: da verhört Kommissar Beizmenne die junge Frau, die von der ZEITUNG, mit der [2] die Bild-Zeitung gemeint ist, als „Flittchen“ denunziert wird: eine Frau unter Mittäterschaftsverdacht. Beizmenne fühlt sich, warum auch immer, angezogen von Katharina. Wenn ich noch etwas erinnere, dann die Delikatesse, mit der Böll die sekundenkurze, wie unabsichtliche Geste beschreibt, mit der Beizmenne die Hand Katharinas berührt. Wir haben das damals im Unterricht diskutiert; es fiel einfach auf, mit welcher hauchzarten Ironie der Dichter diese Berührung in Worte fasst, die doch, schien es uns, so gut wie nichts war – und wir fanden das eher satirisch.
Dabei war diese Geste schon wahnsinnig viel.
Freilich hat der Blogger die erotische Übermacht der Dezenz, ja: die Stärke, die gerade durch die scheinbare Zurückhaltung provoziert wird, erst später erfahren und begriffen. Jean Paul hat einmal sinngemäß geschrieben, dass der eine erste Kuss, doch nicht die vielen anderen späteren im Gedächtnis und im Sinn bleiben. Gleiches mag für jene physisch leichten Berührungen gelten. Kommissar Beizmenne weiß, wovon ich rede.
Hat er eine psychisch-physiognomische Ähnlichkeit mit Oefel? Wohl kaum. Böll schildert ihn, wenn ich mich richtig erinnere, nicht als Teufel.
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[1] Der Lehrer, der uns damals – gegen alle Ideologie der Schule – den Roman und seine „linke“ Denkwelt mit Inbrunst und Zorn beibrachte, soll nicht vergessen werden: er hieß Arno Greff, kam aus dem Saarland und hat sich, wie ich gerade sehe, im Jahre 1975 an einer Anthologie beteiligt. Der Band mit dem bezeichnenden Understatement-Titel Versuche erschien 1975 in einer Auflage von 500 Exemplaren und wurde von Bert Kallenbach und der Studentischen Selbsthilfe Saarbrücken herausgegeben.
[2] Das muss man kleinen Kindern und größeren Germanistikstudenten heute erklären.
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Die Party geht weiter, es ist immer noch von Oefels Teufeleien gegenüber Beata die Rede:
Er erinnerte sich erstlich, dass er sich zu vergessen und auf ihre Hand die seinige im Feuer des Redens zu legen habe; darauf stellt' er sich, als besänn' er sich, als nähm' er seiner Hand ein Lot ums andre in der Absicht, sie unvermerkt wegzuheben, sobald sie mehr nicht wöge als ein Fingerglied – „So handelt“ (sagt' er zu sich) „feinere Delikatesse immer; und ich werd' es sehen, was sie verfängt.“
Woran erinnert diese Szene? An den Deutschen Herbst.
Ein seltsames Wort, aber wer damals oder kurz danach, in der Schule[1], Heinrich Bölls kleinen Roman Die verlorene Ehre der Katharina Blum gelesen hat, wird ein Detail in Erinnerung behalten haben: da verhört Kommissar Beizmenne die junge Frau, die von der ZEITUNG, mit der [2] die Bild-Zeitung gemeint ist, als „Flittchen“ denunziert wird: eine Frau unter Mittäterschaftsverdacht. Beizmenne fühlt sich, warum auch immer, angezogen von Katharina. Wenn ich noch etwas erinnere, dann die Delikatesse, mit der Böll die sekundenkurze, wie unabsichtliche Geste beschreibt, mit der Beizmenne die Hand Katharinas berührt. Wir haben das damals im Unterricht diskutiert; es fiel einfach auf, mit welcher hauchzarten Ironie der Dichter diese Berührung in Worte fasst, die doch, schien es uns, so gut wie nichts war – und wir fanden das eher satirisch.
Dabei war diese Geste schon wahnsinnig viel.
Freilich hat der Blogger die erotische Übermacht der Dezenz, ja: die Stärke, die gerade durch die scheinbare Zurückhaltung provoziert wird, erst später erfahren und begriffen. Jean Paul hat einmal sinngemäß geschrieben, dass der eine erste Kuss, doch nicht die vielen anderen späteren im Gedächtnis und im Sinn bleiben. Gleiches mag für jene physisch leichten Berührungen gelten. Kommissar Beizmenne weiß, wovon ich rede.
Hat er eine psychisch-physiognomische Ähnlichkeit mit Oefel? Wohl kaum. Böll schildert ihn, wenn ich mich richtig erinnere, nicht als Teufel.
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[1] Der Lehrer, der uns damals – gegen alle Ideologie der Schule – den Roman und seine „linke“ Denkwelt mit Inbrunst und Zorn beibrachte, soll nicht vergessen werden: er hieß Arno Greff, kam aus dem Saarland und hat sich, wie ich gerade sehe, im Jahre 1975 an einer Anthologie beteiligt. Der Band mit dem bezeichnenden Understatement-Titel Versuche erschien 1975 in einer Auflage von 500 Exemplaren und wurde von Bert Kallenbach und der Studentischen Selbsthilfe Saarbrücken herausgegeben.
[2] Das muss man kleinen Kindern und größeren Germanistikstudenten heute erklären.