Logen-Blog [10]: Über Abschiede und Wortspiele
Es kommt eine jener Stellen, die man kaum erläutern, die man total zitieren müsste. Gut zwei Seiten der sogenannten Landschaftsbeschreibung, die bei Jean Paul oft, wenn nicht gar immer, gekoppelt ist an die Gemütszustände seiner Helden, und die zugleich etwas Kosmisch-Ideales spiegeln, das tief hineinleuchtet in die Regionen dessen, was man einst als „Seele“ bezeichnet hat. Im Spiegel von Himmel und Erde entdeckt sich der Schreiber – und vielleicht der Mensch, der in seinem Lesesessel sitzt –, der in dieser Natur und diesem eigenartig einzigartigen, doch oft auf unnennbare Weise berührenden Pathos eintaucht. „Es wird uns allen sanft tun“, wie es im Wutz heißt – dieses Sanfttun, dieses – bitte nimm das wörtlich, Leser –, unvergleichliche Berühren entdecke ich auch beim Vorredner, der sich auf die Höhe des Schneeberges begibt und plötzlich über die Menschen, ihre Wünsche und Träume nachdenkt. Ich müsste, wie gesagt, das alles zitieren, diese zwei Seiten, aber ich belasse es bei einem Ausschnitt. Der Vorredner nimmt da gleichsam Abschied von seinen Lesern:
Und gleichwohl was kann ich jenen Seelen in den Augenblicken des Abschieds, die man so gern mit tausend Worten überladen möchte und eben deswegen bloß mit Blicken ausfüllt, noch zu sagen haben oder zu sagen wissen, als meine ewigen Wünsche für sie: findet auf diesem (von uns Erdball genannten) organischen Kügelchen, das mehr begraset als beblümet ist, die wenigen Blumen im Nebel, der um sie hängt – seid mit euren elysischen Träumen zufrieden und begehret ihre Erfüllung und Verkörperung (d. h. Verknöcherung) nicht; denn auf der Erde ist ein erfüllter Traum ohnehin bloß ein wiederholter – von außen seid, gleich eurem Körper, von Erde, und bloß innen beseelt und vom Himmel; und haltet es für schwerer und nötiger, die zu lieben, die euch verachten, als die, die euch hassen – und wenn unser Abend da ist, so werfe die Sonne unsers Lebens (wie heute die draußen) die Strahlen, die sie vom irdischen Boden weghebt, an hohe goldne Wolken und (als wegweisende Arme) an höhere Sonnen; nach dem müden Tage des Lebens sei unsre Nacht gestirnt, die heißen Dünste desselben schlagen sich nieder, am erkälteten hellen Horizont ziehe sich die Abendröte langsam um Norden herum, und bei Nord-Osten lodere für unser Herz die neue Morgenröte auf......
In den Augenblicken des Abschieds... Mir fällt der Beginn eines Gedichts von Rilke ein: Sei allem Abschied voran... Ich möchte nicht annehmen, dass mich Jean Pauls Tröstungen nur deshalb so berühren, weil es beim Kommentator gerade um den Abschied geht, aber wer Jean Paul gleichsam trocken lesen würde, ohne sein Eigenes hineinzubringen, hat vermutlich größte Schwierigkeiten, ihn zu verstehen – und nicht, weil er dieses oder jenes Wortspiel nicht versteht.
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Es kommt eine jener Stellen, die man kaum erläutern, die man total zitieren müsste. Gut zwei Seiten der sogenannten Landschaftsbeschreibung, die bei Jean Paul oft, wenn nicht gar immer, gekoppelt ist an die Gemütszustände seiner Helden, und die zugleich etwas Kosmisch-Ideales spiegeln, das tief hineinleuchtet in die Regionen dessen, was man einst als „Seele“ bezeichnet hat. Im Spiegel von Himmel und Erde entdeckt sich der Schreiber – und vielleicht der Mensch, der in seinem Lesesessel sitzt –, der in dieser Natur und diesem eigenartig einzigartigen, doch oft auf unnennbare Weise berührenden Pathos eintaucht. „Es wird uns allen sanft tun“, wie es im Wutz heißt – dieses Sanfttun, dieses – bitte nimm das wörtlich, Leser –, unvergleichliche Berühren entdecke ich auch beim Vorredner, der sich auf die Höhe des Schneeberges begibt und plötzlich über die Menschen, ihre Wünsche und Träume nachdenkt. Ich müsste, wie gesagt, das alles zitieren, diese zwei Seiten, aber ich belasse es bei einem Ausschnitt. Der Vorredner nimmt da gleichsam Abschied von seinen Lesern:
Und gleichwohl was kann ich jenen Seelen in den Augenblicken des Abschieds, die man so gern mit tausend Worten überladen möchte und eben deswegen bloß mit Blicken ausfüllt, noch zu sagen haben oder zu sagen wissen, als meine ewigen Wünsche für sie: findet auf diesem (von uns Erdball genannten) organischen Kügelchen, das mehr begraset als beblümet ist, die wenigen Blumen im Nebel, der um sie hängt – seid mit euren elysischen Träumen zufrieden und begehret ihre Erfüllung und Verkörperung (d. h. Verknöcherung) nicht; denn auf der Erde ist ein erfüllter Traum ohnehin bloß ein wiederholter – von außen seid, gleich eurem Körper, von Erde, und bloß innen beseelt und vom Himmel; und haltet es für schwerer und nötiger, die zu lieben, die euch verachten, als die, die euch hassen – und wenn unser Abend da ist, so werfe die Sonne unsers Lebens (wie heute die draußen) die Strahlen, die sie vom irdischen Boden weghebt, an hohe goldne Wolken und (als wegweisende Arme) an höhere Sonnen; nach dem müden Tage des Lebens sei unsre Nacht gestirnt, die heißen Dünste desselben schlagen sich nieder, am erkälteten hellen Horizont ziehe sich die Abendröte langsam um Norden herum, und bei Nord-Osten lodere für unser Herz die neue Morgenröte auf......
In den Augenblicken des Abschieds... Mir fällt der Beginn eines Gedichts von Rilke ein: Sei allem Abschied voran... Ich möchte nicht annehmen, dass mich Jean Pauls Tröstungen nur deshalb so berühren, weil es beim Kommentator gerade um den Abschied geht, aber wer Jean Paul gleichsam trocken lesen würde, ohne sein Eigenes hineinzubringen, hat vermutlich größte Schwierigkeiten, ihn zu verstehen – und nicht, weil er dieses oder jenes Wortspiel nicht versteht.