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29.06.2013, 10:49 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [187]: Über Geschäft- und Himmelträger oder Genuß-Curatores

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Das Alte Schloss der Bayreuther Eremitage diente als Staffage für die Eremitenstelle der "Unsichtbaren Loge" (Foto: D. J. Müller)

Jean Paul widmet sich wieder den beiden Freunden – aber bevor er auf sie zu sprechen kommt, muss er noch die Schloss- und Gartenanlagen beschreiben, durch die sie streifen. Wir erhalten ein relativ präzises Bild einer Anlage des späten 18. Jahrhunderts, in der sich französischer und englischer Stil aneinander reiben: mit „Wasserästen, sinesischen Häuschen, Badehaus, Gartensaal, Billard“. Der verstorbene Fürst hat eine Kopie der Bayreuther Eremitage in die Gegend gestellt, er hat mit dem „Plagiat“ neun Häuschen, Eremitenzellen nämlich, bauen lassen, in denen pseudochinesische Möbel stehen. Höhepunkt des Arrangements ist eine Klause, in der ein Eremit sitzt – ein Eremit aus Holz, „der still und mit Verstand darin saß und so viel meditierte und bedachte, als einem solchen Manne möglich ist“. Zusätzlich hat man ihm Bücher aus der Scheerauischen Schulbibliothek vorgesetzt (und wieder folgt ein jeanpaulscher Witz): es sind „aszetische Werke, die ihn zu einer Abtötung des Fleisches ermahnten, die er schon hatte“.

Das ist sehr lustig, aber nun kommt eine jener Stellen, die den Roman in seiner Zeit festhalten: die „Großen oder Größten“, sagt Jean Paul, werden repräsentiert oder repräsentieren, „aber sie sind selten etwas“. Sie besäßen infolgedessen auch für den Genuss einer Eremitage keine eigene Seele, daher müssten sie zwangsläufig Figuren aufstellen, die sie repräsentieren – und der Kritiker der hochadeligen Seelenlosigkeit wünscht sich auch „vor ihre Parks, Orchester Bibliotheken und Kinderstuben“ derartige Ersatzmänner, derartige „Geschäft- und Himmelträger oder Genuß-Curatores“. Ergo: er wünscht sich, ausdrücklich, dass sie immer abwesend seien. Als steinerne Skulpturen oder Wachspuppen würden sie hinreichen, da sie ja eh keine Seele besäßen, die sie menschlich mache.

Einem seelenlosen Menschen aber, könnte Jean Paul gedacht haben, kann man 1791 auch den Kopf abschlagen, ohne dass er – das heißt: seine Seele – etwas davon mitkriegen. Vielleicht ist der Roman doch wesentlich revolutionärer, als man zunächst vermutet. Die Innerlichkeit Gustavs ist die eine Seite der Medaille. Die andere der Zorn des Erzählers über die Zustände, die diese Innerlichkeit wenn nicht provoziert, so doch begünstigt: auf dass am Ende die Untertanen in Ohnmacht erstarren – oder wie ein Pulverfass explodieren, um sich an den „Seelenlosen“ zu rächen. Wären da nur nicht die Hinweise auf die Seele des alten Fürsten, die kaum ironisch gelesen werden können...