Comics – „Erzählende Bilder“ mit München-Bezug in der Monacensia – Literarische Erkundungen (8)
Bilder erzählen und sollen dies auch tun. Comics tun dies filmreif und mit großer Lebendigkeit. Sie „laufen“ vor dem Auge ab, was sich der Film von ihnen abgeschaut hat, und der schauende/lesende Kopf geht mit, verfolgt sie: von links nach rechts, von rechts nach links, von oben nach unten, von unten nach oben ..., und manchmal verharrt er auch, sieht genauer hin. Alles möglich. Comics haben ihr Publikum und sie können durchaus eine Erfolgsgeschichte vorweisen, was immer auch eine Breite an Ausprägungen hervorbringt, und die will die Monacensia unbedingt zulassen. Schließlich geht es um den Aufbau und die Pflege einer – je umfangreicher, desto besser – Sammlung an „Erzählenden Bildern“, die etwas mit München zu tun haben.
Die Situation erinnert ein wenig an die, die der US-amerikanische Schriftsteller Ben Lerner – Metaebenen-Fan wie Genre-Sprenger – in einem „Gedicht“ (was daran ist ein Gedicht?) kurzerhand zu seiner Inspirationsquelle gemacht hat. Zwar geht es in seinen Zeilen nicht um die Definition des Begriffs „Comic“ (oder vielleicht doch?), sondern um ein Stück Bildender Kunst (wirklich?). Aber die Wandelbarkeit eines Objektes, je nach Kontext, je nach Blickwinkel, stellt sich ja überall und unabhängig davon, um was es dabei eigentlich geht, genüsslich quer, wenn es darum geht, begrifflich festzulegen. Und nicht umsonst lässt das Wort „Definition“ eine Pluralbildung zu. Lerner sieht das erwartungsgemäß locker und schiebt den Dingen selbst (juhu!) ein wenig Mitspracherecht zu (zit. aus B. Lerners No Art, Berlin 2021):
Wenn es an der Wand hängt, ist es ein Bild. Wenn es auf dem Boden
steht, ist es eine Skulptur. Wenn es sehr groß ist oder sehr klein, ist es kon-
zeptuell. Wenn es Teil der Wand, Teil des Bodens ist, ist es Architektur. Wenn
du Eintritt bezahlen musst, ist es modern. Wenn du schon drin bist und dafür
bezahlen musst, um herauszukommen, ist es moderner. Wenn du es betreten
kannst, ohne dafür zu bezahlen, ist es eine Falle. Wenn es sich bewegt, ist es
überholt. Wenn du hochschauen musst, ist es sakral. Wenn du runterschauen
musst, ist es realistisch. Wenn es verkauft ist, ist es standortgebunden. Wenn
du, um es zu sehen, durch einen Metalldetektor hindurchmusst, ist es öffent-
lich.
Kurz: Definitionen werden überbewertet, oder die Suche nach ihnen ist am Ende wertvoller als das Finden, und irgendwie müssen sie ja sein. Oder (eine interessante Frage): Wie würden sich Comics definieren? Würden sie sagen, wir sind gar keine Comics, weil ... wir sind eigentlich dies oder das und manchmal auch das? Zuzutrauen wäre es ihnen bei ihrer splashigen Vitalität.
Die Monacensia-Bibliothek besitzt eine Comic-Sammlung – nennen wir sie erst einmal so und warten ein paar Minuten ab, ob sich in den Regalen Widerspruch regt.
Noch bleibt es ruhig.
„Kultiges“ aus der Wandvitrine (Forum Atelier)
Den Anfang des Bestands machte eine zufällige, kleine Ansammlung an „Heftchen“, sagen wir einmal „Kiosk-Comics“. Es fehlte der Blick für die Sache, bis 2010/2011 in einem behutsamen Annäherungsprozess etwas entstand, etwas, das seither täglich in Bewegung ist und die Zeit bekommt, „die der volle Tag einer Bibliothekarin eben noch übriglässt“.
Nichts regt sich in den Regalen. Fürs Erste ist der Begriff geschluckt. Fürs Erste ...
Comics sind vital und die Regale schwer. Sie sind schwer, gehen tief, und in ihrer Superfunktionalität sind sie nichts anderes als Superhelden.
Die Comic-Welt ist ein Universum, das vor der Monacensia nicht Halt macht
Die Rollregale (die große Erwartungen wecken) sind platzsparend, da sie auf Schienen (vorwärts und rückwärts) verschoben werden können, wodurch ein Gang überflüssig wird. Diese schwergewichtigen Regalsysteme „verdichten den Raum, wobei der direkte Zugriff auf alle gelagerten Objekte erhalten bleibt“ – so eine Archivregal-Firma über ihr Angebot – eine Aussage, die man sich von einer Comicfigur, so einem Verschnitt aus Bob dem Baumeister und Professor Balduin Bienlein, gesprochen wünscht. An der schmalen, dem Benutzer zugewandten Stirnseite sind die Rollregale mit einer Metallplatte abgedeckt, auf der sich in etwa 1,50 Meter Höhe ein Drehrad befindet. Es quietscht nicht (no quiiiiiitsch), aber hält dafür die Sache mobil. Die Regale für die Comic-Sammlung sind mindestens fünf an der Zahl und noch nicht up to date. Fortsetzung folgt ...
Ist ein Metallregal, das mit einem beschrifteten Zettel versehen ist, ein Comic? Ja, ja, ja. Unbedingt. Und warum auch nicht? Es spricht zu uns und die Comic-Welt ist riesig, lässt so ziemlich alles zu, nimmt Besitz von unserer Welt, wofür wir sehr, sehr dankbar sind. Das hat etwas total Befreiendes und Ben Lerner würde dem zustimmen.
Die Comic-Welt ist ein Universum, das vor der Monacensia nicht Halt macht.
Links: Die Wandvitrine im Forum Atelier. Rechts: Rechts wie links „Erzählende Bilder“
Die Monacensia-Bibliothek besitzt eine Comic-Sammlung, was nicht vielen Menschen in München wissen, von der auch nicht wirklich viele Menschen Gebrauch machen, und da gibt es sicher einen Zusammenhang. Es handelt sich bei ihr um einen „nicht frei zugänglichen Präsenzbestand“, der aber sehr wohl eingesehen werden kann, eingesehen werden will. Einzelne Titel können auf Wunsch gerne aus dem Depot – ohne „Stöhn-Stöhn“ und „Seufz-Seufz“ – nach oben geholt werden (Anfragen am besten an:
Jede Stadtbücherei hat eine Comic-Ecke, die eher größer als kleiner wird und sich großer Beliebtheit erfreut (besonders bei Kindern, aber auch bei Menschen, die die für sie neue Sprache Deutsch lernen wollen). Diese Comics können auch ganz normal ausgeliehen werden.
Die Monacensia-Bibliothek nimmt innerhalb der Münchner Stadtbibliothek eine Sonderstellung ein. So hat sie zum Beispiel einen sog. „Aufbewahrungsauftrag“ zu erfüllen, der zum Aufbau von Sammlungen anregt, die vor allem gepflegt, weiterentwickelt werden und die nur bedingt zur (öffentlichen) Verfügung stehen. Diese Sammlungen – letztlich immer auch ein Stück Zeitgeschichte – enthalten sich, wenn möglich, der „Wertung von Form und Inhalt“ (Paper zur Comic-Sammlung der Monacensia, München 2022). Sie sammeln einfach.
Die Monacensia-Bibliothek sammelt Comics mit dem ebenso illusorischen wie wunderbaren Anspruch auf Vollständigkeit, was bei allen beteiligten Mitarbeiterinnen ein fröhliches, kleines Jagdfieber entfacht hat.
In der Sammlung der Monacensia-Bibliothek landet aber natürlich nur – und ganz Monacensia-like –, was einen München-Bezug vorweisen kann: Der/die Comic-Autor*in, der/die Comic-Texter*in müssen aus München kommen oder hier geboren sein oder hier leben/gelebt haben oder hier gestorben sein. Oder: Im Comic geht es um München, mindestens um Bayern, weshalb zum Beispiel auch der Asterix und Obelix-Comic in Münchner oder bayerischer Mundart dort seinen Platz findet.
„Erzählende Bilder“ – eben nicht nur die „funny-Sachen“
Ebenso stellt die Monacensia ihre Räumlichkeiten und mehr dem – von Rebecca Faber betreuten – „Netzwerk der Bayerischen Comiczeichner*innen“ zur Verfügung. Dieses Netzwerk ist 2022 von der Münchner Comiczeichnerin Barbara Yelin zusammen mit „einem Kreis engagierter bayerischer Comiczeichner*innen“ in München gegründet worden, um sich für „strukturelle Verbesserung und Sichtbarkeit für die Comiclandschaft in Bayern“ einzusetzen. Barbara Yelin wie Illi Anna Heger begleiteten im Übrigen ebenso prominent wie ansprechend mit eigens dafür geschaffenen Comics Ausstellungen der Monacensia (zu sehen auf dem Literaturportal Bayern):
- Barbara Yelin 2018 die Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum der Revolution und Rätezeit in München und Bayern,
- 2020 Anna Heger die Ausstellung zu Erika Mann.
Die Monacensia-Bibliothek hat, um ihre Sammlung umfassender halten zu können, den Begriff des „Comics“ durch die Bezeichnung „Erzählende Bilder“ ersetzt, weil es eben um mehr geht als um die „funny-Sachen“, die jedem sofort einfallen, mehr als die Kindheitserinnerungen an „Fix und Foxi, Garfield und Co.“. Die Bezeichnung der „Erzählenden Bilder“ ist der Versuch, sich aus der Enge eines einmal so und einmal so definierten Begriffs zu befreien.
Im Depot der Monacensia: Hier findet sich die Sammlung der „Erzählenden Bilder“
Und das wird also einer der nächsten Schritte sein: Die Regale unten im Depot (s.o.) sind up to date zu machen, sind endgültig mit dem Übertitel „Erzählende Bilder“ zu versehen. Und die Regale sagen „Wow“, und dass es ihr Wunsch wäre, die Bezeichnung „Erzählende Bilder“ in eine Sprechblase zu setzen. Pliiiiiiiis.
„Erzählende Bilder“ steht für alle „sprechende“ Bilder (mit oder ohne Sprache): Einzelbilder, Illustrationen, kurze (mindestens zwei Bilder) wie lange sequenzielle Bildfolgen, Cartoons, Karikaturen, Comics (Graphic Novels, Mangas...), Zeichentrick, Graphische Blätter, Bildergeschichten, Bilderbögen etc. Dazu kommen, ganz hinten im Regal, kleine Kartons mit „Sondersammlungen“: Comic-Postkarten, Flyer, Anstecker, Aufkleber, das ganze Merchandising, das die Comicwelt mit sich bringt.
Ein Comic, das nach einer Lupe verlangt
Und so stehen dicht nebeneinander:
- die urmünchnerischen Ausgaben des Simplicissimus,
- Wilhelm Buschs Max und Moritz (entstanden in München!),
- einzelne Fix und Foxi-Hefte, verlegt im Kauka Verlag in Grünwald,
- Underground Comix-Ausgaben aus München, die vor Gewalt- und harten Sexszenen nicht zurückschreckten und sich bewusst provokant und natürlich ausschließlich an Erwachsene richteten.
Einen kleinen Einblick in die Diversität der Szene wie der Sammlung bietet das „Präsentationsregal“, die Vitrine im Forum Atelier der Monacensia, rechts neben der Wendeltreppe. Hier steht alles friedlich nebeneinander, auch das, was manchmal fast zu explodieren droht. Präsentiert werden da zum Beispiel: ein Minimini-Comic aus einem Kinder-Überraschungsei sowie das berühmte Schul-„Häfft“, beides „Produkte“ aus München.
Im Turmzimmer: die signierten Exemplare...
Oben im (nicht öffentlich zugänglichen) Turmzimmer stehen die von Zeichner und Zeichnerinnen signierten Ausgaben. Und im Signieren sind ja die Comic-Künstler*innen die großen Macher*innen, die da eben nicht nur unterschreiben, sondern ihre Stifte mal so großzügig wie frei machen lassen. Und deshalb freut sich die Monacensia auch so, wenn sie Comic-Künstler*innen ins Haus bekommt, freut sich, wenn Comic-Sammlungen, die mit München zu tun haben und in irgendwelchen Kellern herumstehen, ihren Bestand ergänzen, wenn sie Vor- oder Nachlässe entgegennehmen kann, wenn der Kontakt zur Universität, zu Grafik- und Design-Studiengängen ausgebaut wird...
Und jetzt passiert doch noch was da unten in den Comic-Regalen. Fortsetzung folgt ...
Mein Name ist Katrin Diehl, ich bin Journalistin und Autorin, gehöre dem Netzwerk Münchner Theatertexter*innen an und für die Monacensia habe ich etwas übrig.
Die „literarischen Erkundungen in und um die Monacensia“ erscheinen immer am ersten Dienstag eines Monats. Alle Folgen der Kolumne finden Sie im Journal unter Reihen & Kolumnen.
Comics – „Erzählende Bilder“ mit München-Bezug in der Monacensia – Literarische Erkundungen (8)>
Bilder erzählen und sollen dies auch tun. Comics tun dies filmreif und mit großer Lebendigkeit. Sie „laufen“ vor dem Auge ab, was sich der Film von ihnen abgeschaut hat, und der schauende/lesende Kopf geht mit, verfolgt sie: von links nach rechts, von rechts nach links, von oben nach unten, von unten nach oben ..., und manchmal verharrt er auch, sieht genauer hin. Alles möglich. Comics haben ihr Publikum und sie können durchaus eine Erfolgsgeschichte vorweisen, was immer auch eine Breite an Ausprägungen hervorbringt, und die will die Monacensia unbedingt zulassen. Schließlich geht es um den Aufbau und die Pflege einer – je umfangreicher, desto besser – Sammlung an „Erzählenden Bildern“, die etwas mit München zu tun haben.
Die Situation erinnert ein wenig an die, die der US-amerikanische Schriftsteller Ben Lerner – Metaebenen-Fan wie Genre-Sprenger – in einem „Gedicht“ (was daran ist ein Gedicht?) kurzerhand zu seiner Inspirationsquelle gemacht hat. Zwar geht es in seinen Zeilen nicht um die Definition des Begriffs „Comic“ (oder vielleicht doch?), sondern um ein Stück Bildender Kunst (wirklich?). Aber die Wandelbarkeit eines Objektes, je nach Kontext, je nach Blickwinkel, stellt sich ja überall und unabhängig davon, um was es dabei eigentlich geht, genüsslich quer, wenn es darum geht, begrifflich festzulegen. Und nicht umsonst lässt das Wort „Definition“ eine Pluralbildung zu. Lerner sieht das erwartungsgemäß locker und schiebt den Dingen selbst (juhu!) ein wenig Mitspracherecht zu (zit. aus B. Lerners No Art, Berlin 2021):
Wenn es an der Wand hängt, ist es ein Bild. Wenn es auf dem Boden
steht, ist es eine Skulptur. Wenn es sehr groß ist oder sehr klein, ist es kon-
zeptuell. Wenn es Teil der Wand, Teil des Bodens ist, ist es Architektur. Wenn
du Eintritt bezahlen musst, ist es modern. Wenn du schon drin bist und dafür
bezahlen musst, um herauszukommen, ist es moderner. Wenn du es betreten
kannst, ohne dafür zu bezahlen, ist es eine Falle. Wenn es sich bewegt, ist es
überholt. Wenn du hochschauen musst, ist es sakral. Wenn du runterschauen
musst, ist es realistisch. Wenn es verkauft ist, ist es standortgebunden. Wenn
du, um es zu sehen, durch einen Metalldetektor hindurchmusst, ist es öffent-
lich.
Kurz: Definitionen werden überbewertet, oder die Suche nach ihnen ist am Ende wertvoller als das Finden, und irgendwie müssen sie ja sein. Oder (eine interessante Frage): Wie würden sich Comics definieren? Würden sie sagen, wir sind gar keine Comics, weil ... wir sind eigentlich dies oder das und manchmal auch das? Zuzutrauen wäre es ihnen bei ihrer splashigen Vitalität.
Die Monacensia-Bibliothek besitzt eine Comic-Sammlung – nennen wir sie erst einmal so und warten ein paar Minuten ab, ob sich in den Regalen Widerspruch regt.
Noch bleibt es ruhig.
„Kultiges“ aus der Wandvitrine (Forum Atelier)
Den Anfang des Bestands machte eine zufällige, kleine Ansammlung an „Heftchen“, sagen wir einmal „Kiosk-Comics“. Es fehlte der Blick für die Sache, bis 2010/2011 in einem behutsamen Annäherungsprozess etwas entstand, etwas, das seither täglich in Bewegung ist und die Zeit bekommt, „die der volle Tag einer Bibliothekarin eben noch übriglässt“.
Nichts regt sich in den Regalen. Fürs Erste ist der Begriff geschluckt. Fürs Erste ...
Comics sind vital und die Regale schwer. Sie sind schwer, gehen tief, und in ihrer Superfunktionalität sind sie nichts anderes als Superhelden.
Die Comic-Welt ist ein Universum, das vor der Monacensia nicht Halt macht
Die Rollregale (die große Erwartungen wecken) sind platzsparend, da sie auf Schienen (vorwärts und rückwärts) verschoben werden können, wodurch ein Gang überflüssig wird. Diese schwergewichtigen Regalsysteme „verdichten den Raum, wobei der direkte Zugriff auf alle gelagerten Objekte erhalten bleibt“ – so eine Archivregal-Firma über ihr Angebot – eine Aussage, die man sich von einer Comicfigur, so einem Verschnitt aus Bob dem Baumeister und Professor Balduin Bienlein, gesprochen wünscht. An der schmalen, dem Benutzer zugewandten Stirnseite sind die Rollregale mit einer Metallplatte abgedeckt, auf der sich in etwa 1,50 Meter Höhe ein Drehrad befindet. Es quietscht nicht (no quiiiiiitsch), aber hält dafür die Sache mobil. Die Regale für die Comic-Sammlung sind mindestens fünf an der Zahl und noch nicht up to date. Fortsetzung folgt ...
Ist ein Metallregal, das mit einem beschrifteten Zettel versehen ist, ein Comic? Ja, ja, ja. Unbedingt. Und warum auch nicht? Es spricht zu uns und die Comic-Welt ist riesig, lässt so ziemlich alles zu, nimmt Besitz von unserer Welt, wofür wir sehr, sehr dankbar sind. Das hat etwas total Befreiendes und Ben Lerner würde dem zustimmen.
Die Comic-Welt ist ein Universum, das vor der Monacensia nicht Halt macht.
Links: Die Wandvitrine im Forum Atelier. Rechts: Rechts wie links „Erzählende Bilder“
Die Monacensia-Bibliothek besitzt eine Comic-Sammlung, was nicht vielen Menschen in München wissen, von der auch nicht wirklich viele Menschen Gebrauch machen, und da gibt es sicher einen Zusammenhang. Es handelt sich bei ihr um einen „nicht frei zugänglichen Präsenzbestand“, der aber sehr wohl eingesehen werden kann, eingesehen werden will. Einzelne Titel können auf Wunsch gerne aus dem Depot – ohne „Stöhn-Stöhn“ und „Seufz-Seufz“ – nach oben geholt werden (Anfragen am besten an:
Jede Stadtbücherei hat eine Comic-Ecke, die eher größer als kleiner wird und sich großer Beliebtheit erfreut (besonders bei Kindern, aber auch bei Menschen, die die für sie neue Sprache Deutsch lernen wollen). Diese Comics können auch ganz normal ausgeliehen werden.
Die Monacensia-Bibliothek nimmt innerhalb der Münchner Stadtbibliothek eine Sonderstellung ein. So hat sie zum Beispiel einen sog. „Aufbewahrungsauftrag“ zu erfüllen, der zum Aufbau von Sammlungen anregt, die vor allem gepflegt, weiterentwickelt werden und die nur bedingt zur (öffentlichen) Verfügung stehen. Diese Sammlungen – letztlich immer auch ein Stück Zeitgeschichte – enthalten sich, wenn möglich, der „Wertung von Form und Inhalt“ (Paper zur Comic-Sammlung der Monacensia, München 2022). Sie sammeln einfach.
Die Monacensia-Bibliothek sammelt Comics mit dem ebenso illusorischen wie wunderbaren Anspruch auf Vollständigkeit, was bei allen beteiligten Mitarbeiterinnen ein fröhliches, kleines Jagdfieber entfacht hat.
In der Sammlung der Monacensia-Bibliothek landet aber natürlich nur – und ganz Monacensia-like –, was einen München-Bezug vorweisen kann: Der/die Comic-Autor*in, der/die Comic-Texter*in müssen aus München kommen oder hier geboren sein oder hier leben/gelebt haben oder hier gestorben sein. Oder: Im Comic geht es um München, mindestens um Bayern, weshalb zum Beispiel auch der Asterix und Obelix-Comic in Münchner oder bayerischer Mundart dort seinen Platz findet.
„Erzählende Bilder“ – eben nicht nur die „funny-Sachen“
Ebenso stellt die Monacensia ihre Räumlichkeiten und mehr dem – von Rebecca Faber betreuten – „Netzwerk der Bayerischen Comiczeichner*innen“ zur Verfügung. Dieses Netzwerk ist 2022 von der Münchner Comiczeichnerin Barbara Yelin zusammen mit „einem Kreis engagierter bayerischer Comiczeichner*innen“ in München gegründet worden, um sich für „strukturelle Verbesserung und Sichtbarkeit für die Comiclandschaft in Bayern“ einzusetzen. Barbara Yelin wie Illi Anna Heger begleiteten im Übrigen ebenso prominent wie ansprechend mit eigens dafür geschaffenen Comics Ausstellungen der Monacensia (zu sehen auf dem Literaturportal Bayern):
- Barbara Yelin 2018 die Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum der Revolution und Rätezeit in München und Bayern,
- 2020 Anna Heger die Ausstellung zu Erika Mann.
Die Monacensia-Bibliothek hat, um ihre Sammlung umfassender halten zu können, den Begriff des „Comics“ durch die Bezeichnung „Erzählende Bilder“ ersetzt, weil es eben um mehr geht als um die „funny-Sachen“, die jedem sofort einfallen, mehr als die Kindheitserinnerungen an „Fix und Foxi, Garfield und Co.“. Die Bezeichnung der „Erzählenden Bilder“ ist der Versuch, sich aus der Enge eines einmal so und einmal so definierten Begriffs zu befreien.
Im Depot der Monacensia: Hier findet sich die Sammlung der „Erzählenden Bilder“
Und das wird also einer der nächsten Schritte sein: Die Regale unten im Depot (s.o.) sind up to date zu machen, sind endgültig mit dem Übertitel „Erzählende Bilder“ zu versehen. Und die Regale sagen „Wow“, und dass es ihr Wunsch wäre, die Bezeichnung „Erzählende Bilder“ in eine Sprechblase zu setzen. Pliiiiiiiis.
„Erzählende Bilder“ steht für alle „sprechende“ Bilder (mit oder ohne Sprache): Einzelbilder, Illustrationen, kurze (mindestens zwei Bilder) wie lange sequenzielle Bildfolgen, Cartoons, Karikaturen, Comics (Graphic Novels, Mangas...), Zeichentrick, Graphische Blätter, Bildergeschichten, Bilderbögen etc. Dazu kommen, ganz hinten im Regal, kleine Kartons mit „Sondersammlungen“: Comic-Postkarten, Flyer, Anstecker, Aufkleber, das ganze Merchandising, das die Comicwelt mit sich bringt.
Ein Comic, das nach einer Lupe verlangt
Und so stehen dicht nebeneinander:
- die urmünchnerischen Ausgaben des Simplicissimus,
- Wilhelm Buschs Max und Moritz (entstanden in München!),
- einzelne Fix und Foxi-Hefte, verlegt im Kauka Verlag in Grünwald,
- Underground Comix-Ausgaben aus München, die vor Gewalt- und harten Sexszenen nicht zurückschreckten und sich bewusst provokant und natürlich ausschließlich an Erwachsene richteten.
Einen kleinen Einblick in die Diversität der Szene wie der Sammlung bietet das „Präsentationsregal“, die Vitrine im Forum Atelier der Monacensia, rechts neben der Wendeltreppe. Hier steht alles friedlich nebeneinander, auch das, was manchmal fast zu explodieren droht. Präsentiert werden da zum Beispiel: ein Minimini-Comic aus einem Kinder-Überraschungsei sowie das berühmte Schul-„Häfft“, beides „Produkte“ aus München.
Im Turmzimmer: die signierten Exemplare...
Oben im (nicht öffentlich zugänglichen) Turmzimmer stehen die von Zeichner und Zeichnerinnen signierten Ausgaben. Und im Signieren sind ja die Comic-Künstler*innen die großen Macher*innen, die da eben nicht nur unterschreiben, sondern ihre Stifte mal so großzügig wie frei machen lassen. Und deshalb freut sich die Monacensia auch so, wenn sie Comic-Künstler*innen ins Haus bekommt, freut sich, wenn Comic-Sammlungen, die mit München zu tun haben und in irgendwelchen Kellern herumstehen, ihren Bestand ergänzen, wenn sie Vor- oder Nachlässe entgegennehmen kann, wenn der Kontakt zur Universität, zu Grafik- und Design-Studiengängen ausgebaut wird...
Und jetzt passiert doch noch was da unten in den Comic-Regalen. Fortsetzung folgt ...
Mein Name ist Katrin Diehl, ich bin Journalistin und Autorin, gehöre dem Netzwerk Münchner Theatertexter*innen an und für die Monacensia habe ich etwas übrig.
Die „literarischen Erkundungen in und um die Monacensia“ erscheinen immer am ersten Dienstag eines Monats. Alle Folgen der Kolumne finden Sie im Journal unter Reihen & Kolumnen.