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15.09.2023, 17:06 Uhr
Kay Wolfinger
Gespräche Writing under Observation
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Valerie Fritsch © Martin Schwarz/Suhrkamp Verlag

„Ich fand die Idee sehr interessant, die Schmerzlosigkeit dem Schmerz gegenüberzustellen.“ Observationsverhör mit Valerie Fritsch (3)

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Buchcover zu "Herzklappen von Johnson & Johnson" von Valerie Fritsch © Suhrkamp Verlag

Zum zweiten Mal in Folge veranstaltete die LMU München zusammen mit der Schwabenakademie Irsee und Universität Augsburg 2023 das Projekt Writing under Observation – Labor literarischen Schreibens. Zu Gast war Valerie Fritsch, Autorin des Suhrkamp Verlags. Vor einem universitären Germanistik- und Ethnologie-Publikum gab sie exklusive Einblicke in ihre Textproduktion, ihre aktuellen Themen und Auskunft über ihr bisheriges Werk. Die daraus entstandenen Interviews werden im Laufe der nächsten Wochen im Literaturportal Bayern zu lesen sein.

Valerie Fritsch, 1989 in Graz geboren, wuchs in Graz und Kärnten auf. Nach ihrer Reifeprüfung 2007 absolvierte sie ein Studium an der Akademie für angewandte Photographie und arbeitet seither als Fotokünstlerin. Sie ist Mitglied des Grazer Autorenkollektivs plattform. 2015 erschien ihr Roman Winters Garten, 2020 folgte Herzklappen von Johnson & Johnson. Die Autorin lebt in Graz und Wien.

*

Sie schreiben in Herzklappen von Johnson & Johnson von Emils angeborener Schmerzunempfindlichkeit, was eine extrem seltene Krankheit ist. Wie kamen Sie überhaupt zu diesem Thema?

Stimmt, das ist sehr selten, aber eine richtige Erkrankung, also ein Gendefekt, den es tatsächlich gibt. Ich bin damals auf einer Lesereise im Zug gesessen und habe einen sehr interessanten Artikel in der ZEIT gelesen – eine lange Reportage über eine Familie mit einem Menschen, der schmerzunempfindlich war – und das hat mich sehr fasziniert. Ich hatte mich schon damals mit dieser transgenerationalen Weitergabe von Traumata beschäftigt, vor allem in Form von Schmerz, der nicht nur ein, sondern mehrere Leben beherrscht. Ich fand die Idee sehr interessant, die Schmerzlosigkeit dem Schmerz gegenüberzustellen. Dann habe ich lange versucht, Leute zu kontaktieren, die daran leiden, was aber sehr schwierig ist, weil es so wenige davon gibt. Als das Buch schon fertig, aber noch nicht gedruckt war, habe ich tatsächlich auf einer Party jemanden kennengelernt, der mich gefragt hat, was ich denn so beruflich mache. Nachdem ich dann ein bisschen erzählt habe, womit ich mich beschäftige, meinte er, sein Bruder habe das. Es sei zwar nie diagnostiziert worden, aber es seien genau diese Symptome. Es gibt also offenbar doch viele Leute, die in einer Ausprägung mit dieser Krankheit leben, aber gar nichts davon wissen.

Sie verwenden in Ihren Werken ein sehr präzises Vokabular und weisen enorm tiefes Fachwissen auf, gerade auch beim Thema Traumata in Herzklappen von Johnson & Johnson. Wie verlief die Recherche zu diesen spezifischen Traumata und beispielsweise auch zur postnatalen Depression? Haben Sie auch Gespräche mit Ärzt*innen oder betroffenen Patient*innen geführt?

Genau, ich versuche immer mit allen Leuten zu sprechen, um verschiedene Perspektiven zu bekommen: Ärzt*innen, die es behandeln, Leute, die darunter leiden, und die, die es hinter sich gelassen haben. Und dann gibt es auch die Erfahrungen, die man aus familiären Gründen gemacht hat – jetzt nicht mit postnataler, aber mit andersartigen Depressionen – und die ich eingebracht und in die ich mich hineinversetzt habe.

Darüber hinaus haben Sie für Ihr Buch sogar eine sehr lange Reise nach Kasachstan gemacht. Können Sie uns davon etwas berichten?

Das war eine hervorragende Idee von mir, muss ich sagen, denn ich hatte eine wirklich feine Zeit! Mit meinem damaligen Lebensgefährten, der auch alle organisatorischen Dinge mit mir gemeinsam vorbereitet hat, habe ich ein Auto gekauft, das stabil genug war, um bis nach Kasachstan und in die Wüste zu fahren. Wir sind tatsächlich zweieinhalb, drei Monate unterwegs gewesen und fuhren dann wieder zurück. Es war fantastisch! Wenn man sich so Stück für Stück einem fremden Land nähert, das so weit weg ist, spürt man die Entfernung richtig. Man kommt nicht mit einem Flugzeug an, sondern erarbeitet sich die Kilometer. Die wechselnden und sich wandelnden Landschaften waren unfassbar schön. Es war aber auch sehr anstrengend im Auto zu schlafen, mit einem Menschen monatelang quasi auf ein paar Quadratmetern so eng zusammenzuleben: dort Zähne zu putzen, zu kochen, zu arbeiten und alles miteinander zu machen – es war wunderschön. Ich bin sehr froh, dass ich die Reise gemacht habe. Bis kurz vorher war mir gar nicht klar, dass es so leicht geht, mit dem Auto so weit zu fahren – und das war eine herrliche Erkenntnis.

Kann man sagen, dass Herzklappen von Johnson & Johnson aufgrund dieser Reise Ihr rechercheintensivstes Buch war?

Ich würde sagen, dass überraschenderweise das neue Buch noch rechercheintensiver als die Kasachstanreise geworden ist.

Um nochmal auf die Schmerzlosigkeit in Ihrem Werk zurückzukommen: Obwohl Emil erst ab circa der Hälfte des Buchs eine Rolle spielt, richtet der Klappentext seinen Fokus sehr stark auf sein fehlendes Schmerzempfinden. Wie ist dieser Klappentext entstanden, war das eine marketingtechnische Verlagsentscheidung?

Diese Texte macht der Verlag, ja. Und sie sind oft auch ein bisschen irreführend. Ich würde auch sagen, dass Emils Schmerzlosigkeit ein wichtiger Teil ist, der im Buch schon repräsentiert ist, aber bei diesem Klappentext erwarten die Leser wohl etwas anderes vom Buch. Aber das machen dann die Verlagsleute.

Ihr Roman war und ist wirklich sehr erfolgreich. Vergangenes Jahr wurde er mit dem Brüder-Grimm-Preis für Literatur ausgezeichnet und außerdem stand er auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Würden Sie sagen, dass ein so großer Erfolg Sie beim Schreiben beeinflusst? Schafft der Erfolg vielleicht einen größeren Druck für das nächste Werk oder können Sie das vollkommen ausblenden?

Man muss immer versuchen, es getrennt zu halten und so frei wie möglich zu bleiben, alles andere ist sehr stressig. Herzklappen von Johnson & Johnson war zwar ein erfolgreiches Buch, es wurde gut im Feuilleton besprochen und hat sich auch gut verkauft. Es erschien aber während der Pandemie, eine Woche vor dem ersten Lockdown. Das heißt, es sind alle Lesungen einer großen Lesetournee ausgefallen, Bücher konnten nicht geliefert werden und die Infrastruktur wurde ja erst in den Monaten danach angepasst. Eigentlich habe ich da sehr viel Arbeit ziemlich schnell in das Loch der Pandemie versenkt, weil ja die ganze Welt – wir wissen das natürlich – sich in etwas ganz anderes verwandelt hat.

Lesen Sie Ihre Werke nach Veröffentlichung nochmal im Ganzen, unabhängig von Lesungen? Können Sie als Autorin im Nachhinein komplett zufrieden mit dem eigenen Werk sein oder gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?

Also an die komplette Zufriedenheit glaube ich sowieso nicht – weder für Autor*innen, noch für andere Menschen. Das ganze Buch lese ich nicht, nein. Für eine intensive Lesungsvorbereitung natürlich, da stellt sich ja die Frage: Was wählt man aus, um die Dramaturgie eines ganzen Buches innerhalb einer Stunde darzustellen? Aber abgesehen davon, würde ich mein Buch selbst nie wieder lesen, natürlich nicht. Da lese ich lieber andere Bücher, denn was ich geschrieben habe, das weiß ich ja schon.

Wie würden Sie Herzklappen von Johnson & Johnson in Ihr Gesamtwerk einordnen? Haben Sie vielleicht auch ein spezielles Lieblingsbuch unter Ihren Werken?

Man ist bei jedem Buch ganz froh, wenn das Schreiben dann vorbei ist. Natürlich liebt man sie irgendwie alle. Aber wenn sie dann schon lange her sind, geniert man sich vielleicht auch ein bisschen für die Versuche, die noch nicht ganz so professionell waren oder Dinge, die man heute anders machen würde. Aber ich habe sicher auch eine besondere Liebe zu Winters Garten, welches mein erstes Buch im Suhrkamp Verlag war und mir die Tür in die ganze Literaturwelt noch einmal richtig geöffnet hat.

Schmerz und Sprache sind nicht nur zentrale Themen in Ihrem Roman, sondern auch zwei universell gültige Instanzen, die alle Menschen gemein haben und verbinden. Waren diese beiden auch der Ausgangspunkt für das Buch oder warum liegen Ihnen diese Themen so am Herzen?

An dem Thema Schmerz hat mich fasziniert, dass es auch sein Gegenteil gibt – quasi Schmerzlosigkeit. Und als ich damit begonnen habe, mich näher mit Schmerz zu beschäftigen, ist mir aufgefallen: Ich habe überhaupt keine Ahnung von Schmerz, weder von seiner genauen Entstehungs- noch von seiner Funktionsweise. Weil man natürlich zunächst geneigt ist zu denken, Schmerzlosigkeit ist etwas Erstrebenswertes. Bisher habe ich Schmerz als Thema nicht gut eingeordnet in die Welt und ich muss viel, was ich darüber gedacht habe, revidieren. Solche Themen mag ich sehr gerne, da wird man immer ein bisschen klüger dabei und sieht die Welt dann ein bisschen anders.

Können wir dann davon ausgehen, dass Sie sich auch in Zukunft weiter mit diesen Themen beschäftigen wollen?

Ich glaube, es ist ganz unvermeidlich. Manche Dinge kommen überall in der Welt ständig vor und – auch wenn sie nur nebenher sind – man kommt ihnen einfach gar nicht aus.

Könnten Sie sich vielleicht auch mal eine Komödie vorstellen?

Sie werden lachen. Ich schreibe öfter eine lustige Sonntagskolumne in Österreich, die immer wieder als humoristisch bezeichnet wird. Das würde ich natürlich selbst nicht sagen. Journalist*innen sind oft überrascht, dass ich eine fröhliche Zeitgenossin bin und keine düstere, zerbrechliche Dichterin – obwohl ich so gerne Schwarz trage.

Warum haben Sie sich ausgerechnet für diesen Titel entschieden? Dabei handelt es sich scheinbar nur um ein kleines Detail aus dem Buch, was hat es damit auf sich?

Ich fand den Klang wahnsinnig schön: Herzklappen von Johnson & Johnson – speziell von dieser Firma –, das hat mir sehr gut gefallen. Das war lang der Arbeitstitel und ich war sehr überrascht, dass der Verlag und das Lektorat diesen haben durchgehen lassen. Weil er auf eine gewisse Art und Weise kompliziert ist. Und befremdlich. Ich hatte mich aber einfach verliebt, und das ist natürlich ein schönes Element: Das künstliche Teil, das man braucht, um zu leben – und das Emil und den Großvater miteinander verbindet.

Warum haben Sie speziell die Firma Johnson & Johnson gewählt und sich nicht für eine andere entschieden?

Johnson & Johnson – das klingt einfach schön. Außerdem waren es die Ersten, die tatsächlich künstliche Herzklappen produziert haben. Ich habe in meinen Rechercheunterlagen auch solche Herzklappen, neben denen der Firmenname stand, gesehen.

Der Titel spielt – wie Sie gerade erwähnt haben – auf die Künstlichkeit im Körper an, die eine Verbindung zwischen Emil und Almas Großvater darstellt. Könnte man, Ihrer Meinung nach, Emil aufgrund dieser Künstlichkeit und des fehlenden Schmerzempfindens als Cyborg interpretieren?

Er ist sicher eine kleine und leichte Form eines Transhumanen. Sowohl wegen der Schmerzlosigkeit an sich als auch dadurch, dass er mit vielen Ersatzteilen gefüllt ist, die ihm ermöglichen, weiterzuleben und ihn stabiler machen. Also ja, eine kleine Form des Transhumanisten – natürlich nur eine ganz leichte.

Auf dem Titelbild des Romans ist eine anatomische Abbildung eines Herzens zu sehen. Wie ist die Entscheidung für dieses Bild gefallen und was war die Intention dahinter?

Tatsächlich wurde mir das fertige Titelbild präsentiert. Man hat natürlich immer das Recht zu sagen: „Das gefällt mir nicht“ oder „Ich finde, das passt nicht so gut zum Buch“. In diesem Fall ist es eine Abbildung aus einem alten Anatomiebuch, die die Grafik ein bisschen verändert hat, und spontan habe ich gedacht: Das ist zwar sehr rosa, das entspricht mir gar nicht, aber irgendwie funktioniert es. Ich bin dabei geblieben und habe mir gar keinen anderen Entwurf mehr vorlegen lassen. Die Grafik arbeitet so, dass sie das Buch liest, es mit verschiedenen Leuten bespricht und ein Moodboard erstellt, welches zu diesen Themen und dieser Atmosphäre passen könnte. Anschließend werden dann Vorschläge erarbeitet.

Neben der schmerzbelasteten Familiengeschichte von Alma und ihren Großeltern taucht mit Friedrich und seiner demenzkranken Mutter eine Art Parallele des Schmerzes auf. Almas Eltern, die unfähig sind, ihre schmerzhaften Erinnerungen aus der Vergangenheit zu vergessen, werden kontrastiert mit Almas Schwiegermutter, die sich an ihre Vergangenheit nicht erinnern kann. Soll Friedrichs Familiensituation dazu dienen, die Geschichte des Schmerzes zu verstärken, oder ein Gegenmodell darstellen?

Ich glaube tatsächlich beides gleichzeitig. Es ist nicht nur eine Geschichte des Schmerzes, sondern auch eine andere Form der Unverfügbarkeit, so wie ein Kriegsversehrter oder der Großvater, der nicht zugänglich ist und den man auf gewisse Art und Weise nicht greifen kann. Auch durch Friedrichs Mutter, die aufgrund ihrer Krankheit und ihres langsamen Verschwindens von der Welt sozusagen unverfügbar geworden ist, entsteht eine gewisse Form von Entfernung, die sich nicht überwinden lässt.

Bei Ihrem vorherigen Roman Winters Garten ist das Thema der Apokalypse sehr zentral, aber relativ wenig konkret und greifbar. Als Leser*in stellt man sich auch hier sehr schnell viele Fragen: Warum? Was genau passiert da? Woher wissen die Menschen davon? Diese Unsicherheiten gehen Sie sehr kalkuliert ein, oder?

Ja, weder für mich beim Schreiben noch für die Leser*innen gibt es einen Anspruch auf Vollständigkeit oder die Beantwortung aller Fragen. Das wäre erstens wahrscheinlich langweilig und zweitens gar nicht möglich. Mit einer gewissen Form der Ungewissheit muss man in diesen Sachen auch leben.

Wir haben auch einen starken Bezug zum Theater erkennen können, vor allem bei Herzklappen von Johnson & Johnson. Da wird das Zuhause der Familie fast schon als Kulisse aufgefasst und Personen verkörpern Rollen. Wie ist ihre Verbindung zum Theater?

Ich bin eine seltene, aber glückliche Besucherin des Theaters, aber keine große und ausgewiesene Expertin. Ich kenne mich mit vielen Dingen besser aus als mit dem Theater.

Schmerz lässt sich durch eine gewisse Unbeschreibbarkeit und Sprachlosigkeit auszeichnen, wobei Schmerz in unserer Gesellschaft über die letzten Jahrzehnte auch eine Umwertung erfahren hat. Heute ist es in der Medizin das wichtigste Ziel, Schmerzen zu vermeiden oder zu lindern. Beim Thema mussten wir auch an die Palliativmedizin denken und an ihren ersten Roman Die VerkörperungEN. Haben Sie da bewusst eine Verbindungslinie eingeführt oder ist das durch die Recherchen miteinander verbunden?

Das ist vermutlich durch die Recherchen miteinander verbunden. Man denkt auch nicht immer daran zurück, was man schon gemacht hat. Aber natürlich haben Sie Recht, dass Schmerz eine Umwertung in der Gesellschaft erfahren hat und einerseits: Gott sei Dank; andererseits haben heute viele Leute auch keinen guten Bezug mehr dazu. Sie können Schmerzen nicht mehr gut beschreiben, nicht gut einschätzen. Im Krankenhaus haben sie öfter das Problem, dass Menschen mit einem aufgeschlagenen Knie kommen und sich versorgen lassen. Die Bedeutung von schlimmem Schmerz ist nicht mehr so präsent.

Wir hätten noch eine Frage zum Thema des transgenerationalen Traumas: Trauma stellt in der Gegenwartsliteratur durchaus ein zentrales und auch wichtiges Thema dar. Es gibt immer mehr Romane, in denen die Protagonist*innen sich verstärkt mit der eigenen Biografie, Vergangenheit und Familie auseinandersetzen und auch Traumata verarbeiten oder zumindest ergründen. In der Literaturkritik wird davon als „Traumaplot“ gesprochen. Ein Teil der Kritiker*innen verurteilt diesen als sehr fokussiertes Hervorrufen von Emotionen bei den Leser*innen. Welche Position haben Sie dazu? Wie würden Sie Ihren Roman in diesen Kontext einordnen?

Ich muss sagen, das Wort „Traumaplot“ höre ich heute zum ersten Mal, aber es ist sehr schön. Ich denke, es kommt wie bei all diesen Sachen auf die Qualität an. Wenn man sich und die eigenen Schmerzen, Verluste oder Versehrtheiten in den Mittelpunkt stellt, kann das eine Form von Befindlichkeitsprosa werden, die eine ganz gewisse Klaviatur bedient. Wenn man eine andere Form wählt, können es aber hunderttausend andere Sachen auch sein. Es ist unterschiedlich, wie sehr man sich selbst herausnimmt und andere Dinge der Welt mit hineinnimmt. Das ist von Buch zu Buch sehr verschieden.

Zum Abschluss würden uns auch noch einige allgemeinere Fragen interessieren: Wissen Sie, wie sich Ihre Leserschaft altersmäßig verteilt? Hat der Verlag Statistiken oder Vermutungen, welche Generationen Ihre Bücher besonders häufig lesen? Ist Ihr Publikum eher weiblich oder männlich geprägt?

Tatsächlich kann man es von den Verkaufszahlen her nicht feststellen. Ich könnte nur als Überblick über mein Lesepublikum sagen, dass es einen kleinen Anteil an jungen Leuten gibt und sich dann schon oft ein großes ‚Silbermeer‘ in den Lesungssälen auftut. Also durchweg ein, zwei, drei Generationen über mir selbst, mit einem männlichen Überhang.

Haben Sie Leseanweisungen? Wie sollte man Ihre Bücher optimalerweise lesen? Haben Sie Orte, die Sie empfehlen würden? Denken Sie, eine bestimmte Art von Anschlusskommunikation wäre sinnvoll?

Ich denke, in die Freiheit der Leser*innen möchte man nicht eingreifen. Obwohl ich mir gerne vorstelle, dass die Leute die Bücher an aufregenden Orten lesen und auf munkelnden Bäumen sitzen und schauen – und andere unter Wasser. Das würde dann wieder meinen poetischen Bildern entsprechen, wenn die Leute dabei auf Hausdächern sitzen würden ... Ich fürchte, das ist nicht der Fall, aber es geht mich auch gar nichts an.

(Im Hintergrund ist passend zu Valerie Fritschs Leidenschaft für Vögel während des gesamten Interviews lautes Vogelgezwitscher zu hören.)

 

Das Observationsverhör wurde am 8. Mai 2023 geführt.

Das Gespräch führten Theresa Bartsch, Mareike Hülsbusch, Xenia Junginger, Vivien Lehner, Michaela Lübcke und Anna-Xenia Weingart.

Alle Observationsverhöre können Sie hier im Journal nachlesen unter Writing under Observation.

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