Abschied. Bericht aus Québec (6)
Im Rahmen der seit 1989 bestehenden Partnerschaft zwischen Bayern und Québec vergibt der Freistaat Bayern jedes Jahr ein Aufenthaltsstipendium für Schriftsteller*innen, Comic/Graphic Novel-Künstler*innen sowie literarische Übersetzer*innen. Die bayerische Stipendiatin bzw. den bayerischen Stipendiaten erwartet ein Aufenthalt von Mitte September bis Mitte November in der kanadischen Stadt Québec, bekannt für ihre dynamische Kreativ- und Literaturszene. Für einen Aufenthalt im Jahr 2022 wurde die Münchner Übersetzerin Michaela Meßner ausgewählt. Im Literaturportal Bayern berichtet sie darüber in sechs Folgen. Alle Folgen finden Sie HIER.
*
Jetzt wurde es immer „abschiedlicher“, das Wetter immer trüber, Schnee war noch nicht in Sicht. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, noch zu Fuß die Québec-Brücke zu erkunden, eine stählerne Auslegerbrücke. Nach langer Busfahrt und erfolgreicher Durchquerung eines unfassbar fußgängerfeindlichen Zubringer-Dschungels gelang mir das schließlich auch. Ich musste mich sehr zusammennehmen, nicht runterzuspucken wie damals als Kind von der Mainzer Eisenbahnbrücke. Getroffen hätte ich auch heute noch, da bin ich mir sicher. Vielleicht liegt es an meiner Herkunft vom Rhein, dass ich mich in Québec von Anfang an so wohl gefühlt habe. Ich musste nur zu den Plaines d'Abraham hinauf und dann auf den Sankt-Lorenz-Strom hinunterschauen, schon fühlte ich mich wie zu Hause.
Pont de Québec und Pont de Québec, Détail
Die zwei Monate kamen mir vor wie ein halbes Jahr. Wenn wir sehr viel Neues erleben, scheint die Zeit langsamer zu vergehen. Nach einem allerletzten deutsch-québecer Stammtisch mit Marc und Marie, einem allerletzten Spaziergang mit Élise, einem allerletzten Mittagessen mit dem Literaturhausteam ging es ans Abschiednehmen von der Stadt, ein melancholischer Moment. Hoffentlich komme ich wieder, aber dann bitte ohne Corona.
Die beim Hinflug im Koffer fehlenden 4 kg wurden mit Büchern und Ahornsirup gründlich ausgereizt.
Danksagung
Ein großes Dankeschön an das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst für das Stipendium, an den CALQ (Conseil des Arts et des Lettres du Québec), an das ICQ (Institut Canadien de Québec), die Maison de la littérature und das Oberpfälzer Künstlerhaus. Speziellen Dank an Anke Schneider von der Vertretung der Bayerischen Regierung in Québec, an Dominique Lemieux vom ICQ und an die Leiterin des Literaturhauses Valérie Lambert – außerdem an das Literaturportal Bayern und Dr. Peter Czoik für die Veröffentlichung meines Berichts.
Ich habe vielen Menschen für ihre Unterstützung und die Gespräche zu danken: der Dichterin Hélène Harbec für ihre Herzenswärme bei unseren Unterhaltungen im Literaturhaus; Lise aus dem Limoilou-Viertel für ihre große Gastfreundschaft gegenüber einer Unbekannten, dem Schriftsteller und Verleger Gilles Pellerin für das nette Cafégespräch in der Avenue Quartier, Marc und Marie für den sozialen Anker des Stammtisch Allemand, an dem ich so unterschiedliche Leute kennenlernen durfte, darunter Michel, der mehr Fassbinder-Filme kannte als ich, und das will was heißen. Jean Désy danke ich für den unvergesslichen Ausflug zu den Kanadagänsen auf der Île d'Orléans. Und ein Riesendankeschön geht an das gesamte Literaturhausteam: Élise, Catherine, Isabelle, Julie, Vanessa, Leïka, Dominique, Corinne, Jean-Philippe ...
Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei den Québecer Steuerzahler*innen dafür bedanken, dass ich mit anderen Wasserjunkies im Centre Communautaire Lucien Borne GRATIS – mais oui! – meine Bahnen ziehen konnte. Dank auch an die hilfsbereite Schwimmerin mit dem lebensrettenden Mapsme-Tipp: Durch sie habe ich von absolut überall auch ohne Internetverbindung wieder nach Hause gefunden. Dank auch dem Graffitikünstler, der mein Viertel mit nachdenklich stimmenden Sinnsprüchen in lila, rosa oder hellblau verziert hat – hoffentlich wirst Du nie denunziert!
Möge der Freistaat Bayern die Tradition nicht sterben lassen und weiter fleißig Stipendiat*innen nach Québec schicken, in jedem Fall noch für die nächsten sieben Generationen ...
Théâtre La Bordée Saint-Roch
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Michaela Meßner hat Romanistik und Ethnologie in Mainz und München studiert und arbeitet seit 1990 als freie Übersetzerin. 1993 wurde sie mit dem Raymond-Aron-Preis ausgezeichnet. 2017 nahm sie im Magisterstudiengang Literarisches Übersetzen einen Lehrauftrag an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität wahr. Sie hat bislang rund 60 Titel aus dem Französischen, Spanischen, Englischen und Lateinischen übersetzt, darunter Klassiker wie Emily Brontës Wuthering Heights, Alexandre Dumas‘ La Dame aux camélias oder Les Trois Mousquetaires sowie Sachbuchtitel, Monographien, Unterhaltungsliteratur oder Anthologien zur spanischen, lateinamerikanischen oder kubanischen Literatur. 2017 erhielt sie das Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern für ihre Erstübersetzung des Romans Désorientale der französischen Autorin Négar Djavadi.
Abschied. Bericht aus Québec (6)>
Im Rahmen der seit 1989 bestehenden Partnerschaft zwischen Bayern und Québec vergibt der Freistaat Bayern jedes Jahr ein Aufenthaltsstipendium für Schriftsteller*innen, Comic/Graphic Novel-Künstler*innen sowie literarische Übersetzer*innen. Die bayerische Stipendiatin bzw. den bayerischen Stipendiaten erwartet ein Aufenthalt von Mitte September bis Mitte November in der kanadischen Stadt Québec, bekannt für ihre dynamische Kreativ- und Literaturszene. Für einen Aufenthalt im Jahr 2022 wurde die Münchner Übersetzerin Michaela Meßner ausgewählt. Im Literaturportal Bayern berichtet sie darüber in sechs Folgen. Alle Folgen finden Sie HIER.
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Jetzt wurde es immer „abschiedlicher“, das Wetter immer trüber, Schnee war noch nicht in Sicht. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, noch zu Fuß die Québec-Brücke zu erkunden, eine stählerne Auslegerbrücke. Nach langer Busfahrt und erfolgreicher Durchquerung eines unfassbar fußgängerfeindlichen Zubringer-Dschungels gelang mir das schließlich auch. Ich musste mich sehr zusammennehmen, nicht runterzuspucken wie damals als Kind von der Mainzer Eisenbahnbrücke. Getroffen hätte ich auch heute noch, da bin ich mir sicher. Vielleicht liegt es an meiner Herkunft vom Rhein, dass ich mich in Québec von Anfang an so wohl gefühlt habe. Ich musste nur zu den Plaines d'Abraham hinauf und dann auf den Sankt-Lorenz-Strom hinunterschauen, schon fühlte ich mich wie zu Hause.
Pont de Québec und Pont de Québec, Détail
Die zwei Monate kamen mir vor wie ein halbes Jahr. Wenn wir sehr viel Neues erleben, scheint die Zeit langsamer zu vergehen. Nach einem allerletzten deutsch-québecer Stammtisch mit Marc und Marie, einem allerletzten Spaziergang mit Élise, einem allerletzten Mittagessen mit dem Literaturhausteam ging es ans Abschiednehmen von der Stadt, ein melancholischer Moment. Hoffentlich komme ich wieder, aber dann bitte ohne Corona.
Die beim Hinflug im Koffer fehlenden 4 kg wurden mit Büchern und Ahornsirup gründlich ausgereizt.
Danksagung
Ein großes Dankeschön an das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst für das Stipendium, an den CALQ (Conseil des Arts et des Lettres du Québec), an das ICQ (Institut Canadien de Québec), die Maison de la littérature und das Oberpfälzer Künstlerhaus. Speziellen Dank an Anke Schneider von der Vertretung der Bayerischen Regierung in Québec, an Dominique Lemieux vom ICQ und an die Leiterin des Literaturhauses Valérie Lambert – außerdem an das Literaturportal Bayern und Dr. Peter Czoik für die Veröffentlichung meines Berichts.
Ich habe vielen Menschen für ihre Unterstützung und die Gespräche zu danken: der Dichterin Hélène Harbec für ihre Herzenswärme bei unseren Unterhaltungen im Literaturhaus; Lise aus dem Limoilou-Viertel für ihre große Gastfreundschaft gegenüber einer Unbekannten, dem Schriftsteller und Verleger Gilles Pellerin für das nette Cafégespräch in der Avenue Quartier, Marc und Marie für den sozialen Anker des Stammtisch Allemand, an dem ich so unterschiedliche Leute kennenlernen durfte, darunter Michel, der mehr Fassbinder-Filme kannte als ich, und das will was heißen. Jean Désy danke ich für den unvergesslichen Ausflug zu den Kanadagänsen auf der Île d'Orléans. Und ein Riesendankeschön geht an das gesamte Literaturhausteam: Élise, Catherine, Isabelle, Julie, Vanessa, Leïka, Dominique, Corinne, Jean-Philippe ...
Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei den Québecer Steuerzahler*innen dafür bedanken, dass ich mit anderen Wasserjunkies im Centre Communautaire Lucien Borne GRATIS – mais oui! – meine Bahnen ziehen konnte. Dank auch an die hilfsbereite Schwimmerin mit dem lebensrettenden Mapsme-Tipp: Durch sie habe ich von absolut überall auch ohne Internetverbindung wieder nach Hause gefunden. Dank auch dem Graffitikünstler, der mein Viertel mit nachdenklich stimmenden Sinnsprüchen in lila, rosa oder hellblau verziert hat – hoffentlich wirst Du nie denunziert!
Möge der Freistaat Bayern die Tradition nicht sterben lassen und weiter fleißig Stipendiat*innen nach Québec schicken, in jedem Fall noch für die nächsten sieben Generationen ...
Théâtre La Bordée Saint-Roch
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Michaela Meßner hat Romanistik und Ethnologie in Mainz und München studiert und arbeitet seit 1990 als freie Übersetzerin. 1993 wurde sie mit dem Raymond-Aron-Preis ausgezeichnet. 2017 nahm sie im Magisterstudiengang Literarisches Übersetzen einen Lehrauftrag an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität wahr. Sie hat bislang rund 60 Titel aus dem Französischen, Spanischen, Englischen und Lateinischen übersetzt, darunter Klassiker wie Emily Brontës Wuthering Heights, Alexandre Dumas‘ La Dame aux camélias oder Les Trois Mousquetaires sowie Sachbuchtitel, Monographien, Unterhaltungsliteratur oder Anthologien zur spanischen, lateinamerikanischen oder kubanischen Literatur. 2017 erhielt sie das Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern für ihre Erstübersetzung des Romans Désorientale der französischen Autorin Négar Djavadi.