Logen-Blog [138]: Auch Nebelbänke sind schöne Bänke
Unter Kadetten: eine Ansicht des Berliner Kadettenhauses aus dem frühen 19. Jahrhundert. Es befand sich in der Neuen Friedrichstraße, also unweit der Berliner Wohnung, die Jean Paul in derselben Straße im Jahre 1800 bezogen hatte. Hätte er den Roman erst in Berlin geschrieben, hätte er sich nicht im Kadettenhaus einquartieren müssen, um deren Insassen sehen zu können. Sie sind ihm sicher schon auf der Straße begegnet – als die Erzählung vom Kadetten Gustav bereits im Berliner Druck vorlag.
Sagt uns der Erzähler von Gustavs Biographie – einer Lebensschreibung, die permanent unterbrochen wird –, was es mit Oefels näherem Interesse an seiner Einquartierung im Kadettenhaus auf sich hat? „Er wollte da Menschen studieren, um sie in Kupfer stechen zu lassen.“ Gut – das klingt ein bisschen absonderlich, aber er ist eben ein jeanpaulscher Charakter. Der „Harem des Telemach“, das ist die höfische Scheerauer Damenwelt, die er in seinem Buch[1] abzeichnet; beim Militär möchte er nun dem Militär nahe kommen. Offensichtlich gelingt ihm dies nur, wenn er unter ihm lebt. Er betreibt also ein method looking, um einen Sonderling – Gustav, denn der wuchs ja unter der Erde auf – als Stubenkameraden zu bekommen und sozusagen von innen heraus berichten zu können. Der „Menschen-Naturforscher“ wird nun vom Rittmeister angesprochen: ob er sich nicht beim Kadettengeneral für seinen Sprössling verwenden könne. Oefel verspricht genau dies: dass Gustav schon so gut wie ein Angehöriger des Generalstrupps sei, und der Papa glaubt's. Eine Augentäuschung, sagt „Jean Paul“, da die Fürsten die Bittsteller „dadurch froh und munter erhalten, dass sie uns die Hofstellen, Ämter, Gnaden, die wir haben wollen, allzeit um einige hundert Meilen oder Monate näher – wir können sie mit der Hand erlangen, denken wir – sehen lassen, als sie wirklich sind“. Die geistliche oder weltliche Bank, auf die wir sitzen, sei nichts weiter als eine Nebelbank.
Aber auch Nebelbänke können ja schön sein. Sogar sehr schön.
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[1] Wenns erscheint, verschlingen wirs alle, weil er uns selbst darin verschlungen. Die Rezensenten werden nichts darin finden, sondern sagen: „Triviales Zeug!“
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Unter Kadetten: eine Ansicht des Berliner Kadettenhauses aus dem frühen 19. Jahrhundert. Es befand sich in der Neuen Friedrichstraße, also unweit der Berliner Wohnung, die Jean Paul in derselben Straße im Jahre 1800 bezogen hatte. Hätte er den Roman erst in Berlin geschrieben, hätte er sich nicht im Kadettenhaus einquartieren müssen, um deren Insassen sehen zu können. Sie sind ihm sicher schon auf der Straße begegnet – als die Erzählung vom Kadetten Gustav bereits im Berliner Druck vorlag.
Sagt uns der Erzähler von Gustavs Biographie – einer Lebensschreibung, die permanent unterbrochen wird –, was es mit Oefels näherem Interesse an seiner Einquartierung im Kadettenhaus auf sich hat? „Er wollte da Menschen studieren, um sie in Kupfer stechen zu lassen.“ Gut – das klingt ein bisschen absonderlich, aber er ist eben ein jeanpaulscher Charakter. Der „Harem des Telemach“, das ist die höfische Scheerauer Damenwelt, die er in seinem Buch[1] abzeichnet; beim Militär möchte er nun dem Militär nahe kommen. Offensichtlich gelingt ihm dies nur, wenn er unter ihm lebt. Er betreibt also ein method looking, um einen Sonderling – Gustav, denn der wuchs ja unter der Erde auf – als Stubenkameraden zu bekommen und sozusagen von innen heraus berichten zu können. Der „Menschen-Naturforscher“ wird nun vom Rittmeister angesprochen: ob er sich nicht beim Kadettengeneral für seinen Sprössling verwenden könne. Oefel verspricht genau dies: dass Gustav schon so gut wie ein Angehöriger des Generalstrupps sei, und der Papa glaubt's. Eine Augentäuschung, sagt „Jean Paul“, da die Fürsten die Bittsteller „dadurch froh und munter erhalten, dass sie uns die Hofstellen, Ämter, Gnaden, die wir haben wollen, allzeit um einige hundert Meilen oder Monate näher – wir können sie mit der Hand erlangen, denken wir – sehen lassen, als sie wirklich sind“. Die geistliche oder weltliche Bank, auf die wir sitzen, sei nichts weiter als eine Nebelbank.
Aber auch Nebelbänke können ja schön sein. Sogar sehr schön.
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[1] Wenns erscheint, verschlingen wirs alle, weil er uns selbst darin verschlungen. Die Rezensenten werden nichts darin finden, sondern sagen: „Triviales Zeug!“