Logen-Blog [121]: Ein weiterer unauflösbarer Widerspruch
War schon die Rede vom Legationsrat Oefel? Heute ist ein Legationsrat ein Mann im auswärtigen Dienst, Meyers Konservationslexikon vermeldete einst in der 6. Auflage (1905-1909), dass ein L. der „Amtstitel für höhere Beamte, die einem Gesandten beigegeben sind, auch für vortragende Räte im Auswärtigen Ministerium“ ist. Jean Paul, der angeblich so Bescheidene, war stolz auf diesen Titel, den ihm die Herzogin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen – eine der vier von Jean Paul geliebten „schönen und edlen Schwestern auf dem Thron“ – verliehen hatte – ein an sich wertloser Titel ohne Amt und Würden, der zeigt, wie eitel der Mensch Jean Paul durchaus sein konnte. Nun könnte man fragen: Was ist ein Titel wert, den eine Herzogin eines Duodezfürstentums verleiht? Jean Paul erwähnt allerdings schon in der Loge einen Legationsrat: den Herrn von Oefel – und auch er ist ein typischer, geleckter Hofmann, der Jean Pauls satirischen Anwandlungen zum Opfer fällt. Oder anders: es ist nicht mehr die Satire, die um der Satire willen geschrieben wird, sondern jenes bärbeißige Porträt eines sich im Winde drehenden, charakterlosen Menschen, dessen Legationsratseigenschaft weniger wiegt als seine Fähigkeit, jeden irre zu machen (während er selbst an nichts irre wird). Ein Mann, der, wie später Rosa von Meyern[1] im Siebenkäs, „einen solchen Überfluss von Treue hat, dass sie ihn nicht einer, sondern unter tausend Weibern verteilen müssen“. Dass Jean Paul ein paar Jahre später den Titel eines Menschen trug, den er – zumindest in der Autoreigenschaft des alter ego Dr. Fenk – nicht besonders mochte: auch dies gehört zu den unauflösbaren Widersprüchen des Menschen und Dichters Jean Paul. Allein man sollte über sie nicht richten. Was wesentlich bleibt, ist das Werk – und seine Kritik an Gestalten wie dem Legationsrat Oefel.
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[1] Wer ihn kennenlernen möchte, sollte in die Bayreuther Studiobühne gehen, wo der gerade von Marieluise Müller und Dr. Piontek geschriebene Siebenkäs noch (bis 11. Mai, dann ist Schluss mit dem bewegenden Vergnügen) gespielt wird – aber ranhalten: die nächsten Vorstellungen sind bereits ausverkauft.
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War schon die Rede vom Legationsrat Oefel? Heute ist ein Legationsrat ein Mann im auswärtigen Dienst, Meyers Konservationslexikon vermeldete einst in der 6. Auflage (1905-1909), dass ein L. der „Amtstitel für höhere Beamte, die einem Gesandten beigegeben sind, auch für vortragende Räte im Auswärtigen Ministerium“ ist. Jean Paul, der angeblich so Bescheidene, war stolz auf diesen Titel, den ihm die Herzogin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen – eine der vier von Jean Paul geliebten „schönen und edlen Schwestern auf dem Thron“ – verliehen hatte – ein an sich wertloser Titel ohne Amt und Würden, der zeigt, wie eitel der Mensch Jean Paul durchaus sein konnte. Nun könnte man fragen: Was ist ein Titel wert, den eine Herzogin eines Duodezfürstentums verleiht? Jean Paul erwähnt allerdings schon in der Loge einen Legationsrat: den Herrn von Oefel – und auch er ist ein typischer, geleckter Hofmann, der Jean Pauls satirischen Anwandlungen zum Opfer fällt. Oder anders: es ist nicht mehr die Satire, die um der Satire willen geschrieben wird, sondern jenes bärbeißige Porträt eines sich im Winde drehenden, charakterlosen Menschen, dessen Legationsratseigenschaft weniger wiegt als seine Fähigkeit, jeden irre zu machen (während er selbst an nichts irre wird). Ein Mann, der, wie später Rosa von Meyern[1] im Siebenkäs, „einen solchen Überfluss von Treue hat, dass sie ihn nicht einer, sondern unter tausend Weibern verteilen müssen“. Dass Jean Paul ein paar Jahre später den Titel eines Menschen trug, den er – zumindest in der Autoreigenschaft des alter ego Dr. Fenk – nicht besonders mochte: auch dies gehört zu den unauflösbaren Widersprüchen des Menschen und Dichters Jean Paul. Allein man sollte über sie nicht richten. Was wesentlich bleibt, ist das Werk – und seine Kritik an Gestalten wie dem Legationsrat Oefel.
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[1] Wer ihn kennenlernen möchte, sollte in die Bayreuther Studiobühne gehen, wo der gerade von Marieluise Müller und Dr. Piontek geschriebene Siebenkäs noch (bis 11. Mai, dann ist Schluss mit dem bewegenden Vergnügen) gespielt wird – aber ranhalten: die nächsten Vorstellungen sind bereits ausverkauft.