Sandra Hoffmann ist: DRAUSSEN (14). Und lässt die Natur wachsen wie einen Roman
Sandra Hoffmann schreibt Romane, Erzählungen und heimlich Gedichte. Sie unterrichtet kreatives und literarisches Schreiben u.a. am Literaturhaus München und an Universitäten. Außerdem schreibt sie für das Radio und für Zeitungen. Sie lebt in München und Niederbayern, wo sie derzeit viel Zeit in der Natur verbringt. Für ihr literarisches Werk wurde sie vielfach ausgezeichnet; zuletzt erhielt sie für den Roman Paula das Literaturstipendium des Freistaats Bayern und den Hans-Fallada-Preis. 2019 erschien mit Das Leben spielt hier ihr erstes Jugendbuch. Für ein derzeit entstehendes Romanprojekt bekam sie 2020 das Münchner Arbeitsstipendium.
Sechs Monate lang schreibt Sandra Hoffmann für das Literaturportal Bayern eine Kolumne: DRAUSSEN. Ein Album. Darin schildert sie, was sie auf dem Land und seiner Natur erlebt, ob sie nun Rehe und Fasane beobachtet oder zum Essen aufsammelt, was sie vor sich auf dem Boden findet. Vor allem aber geht es um das Gehen selbst und die Gedankengänge dabei, um ein Flanieren zwischen Bäumen, das Blaue vom Himmel über den Wipfeln.
Die Corona-Zeit ist eine Zeit der Einschränkungen, oft der Einsamkeit. Aber an ihr können sich auch die Sinne schärfen. Der besondere Geschmack schrundigen Gemüses, die bangende Pflege eines Quittenbaums. Das ist nichts Geringes. In einer Gegenwart, die uns die Folgen des langen menschlichen Raubbaus an der Natur immer drastischer vor Augen führt, sind darin wesentliche gesellschaftspolitische Fragen angelegt. Die Literatur verfolgt sie seit einiger Zeit mit einer auffallenden Renaissance des Nature Writing, bei Sandra Hoffmann in Form einer Schule der Wahrnehmung: Da DRAUSSEN gibt es etwas zu sehen, zu spüren, zu holen und zu schützen.
*
Audiolesung von Sandra Hoffmann:
14
Man sieht noch nichts von allem. Aber hier werden, wenn alles gut geht, Karotten, Radieschen und kleine weiße Rettiche, Buschbohnen, Wurzelpetersilie, Lauchzwiebeln, Pastinaken, Rote Beete und Erbsen sprießen. In der einen Ecke außerdem noch eine Ringelblume, in der anderen ein Borretsch. Kapuzinerkresse kommt noch dazwischen. Ich hoffe es jedenfalls.
Ich besitze seit ein paar Jahren Hochbeete. Zuerst war es nur das eine, darin wurde es schnell zu eng, deshalb kam ein zweites dazu, darin wachsen nur Kräuter, grüne und solche, deren Blüten man essen kann, Salat und Fenchel, ein paar Kohlrabi immer, schließlich ein drittes, in dem wuchsen bisher die Tomaten, dazwischen Sorten von Basilikum, Paprika, eine Zucchini auch, eine Gurke, eine Aubergine. Eine Art mediterrane Insel also.
Wenn ich am Anfang der Saison vor den leeren Beeten stehe, wundere ich mich, dass sie überhaupt einmal voll werden können. Soviel Platz, denke ich. Und weil soviel Platz auf mich wie leeres Papier oder ein weißer Bildschirm wirkt, kann ich mich nicht bremsen beim Säen und Pflanzen. Und am Ende ist alles so überfüllt, dass ich noch zusätzlich Körbe und Kisten bepflanzen muss, damit auch der Kürbis und die Kletterbohne und der Lauch irgendwie unterkommen.
Tatsächlich geht es dabei nur bedingt darum, alles aus dem eigenen Garten zu haben. Klar, das ist toll, wenn ich im Sommer und frühen Herbst zu den Hochbeeten gehen und alles, was wir für den Salat und an Gemüse brauchen, dort ernten kann, und klar schmeckt das sagenhaft frisch, und alles ist bio, weil die Erde bio ist, der Kompost der eigene und also auch nahezu biologisch, die Samen sind bio, die Pflänzchen und der Dünger auch. Wo kann man sich selbst zeigen, dass das funktionert, der Erde etwas Gutes zu tun, ohne viele Ressourcen zu verbrauchen, im Gegenteil, immer auch noch etwas zu geben? Im eigenen Garten natürlich. Das liebe ich.
Gleichzeitig kann ich mich eben auch sehr dafür begeistern, zuzuschauen, wie etwas, das ich säe, wie etwas, das ich pflanze, das ich hege, wächst. Klar, Pflanzen sind keine Romane, sie sind auch keine Kinder, aber wenn man mit ihnen redet, so wie ich mit ihnen rede, wenn man sie, so oft es geht, besucht, betrachtet, gießt, für sie sorgt, sie gut behandelt, tragen sie eben all das in sich, was auch Romane und Kinder in sich tragen: die Umsicht, die man für sie hat, die Fürsorge und die Liebe ja auch.
Und manchmal, wenn sie so wunderschön geworden sind, die Früchte der Aubergine etwa, die Basilkumpflanzen, der Koriander, was auch immer, fällt es mir sehr schwer, sie zu ernten und zu essen.
Alle Folgen der Kolumne finden Sie HIER.
Sandra Hoffmann ist: DRAUSSEN (14). Und lässt die Natur wachsen wie einen Roman>
Sandra Hoffmann schreibt Romane, Erzählungen und heimlich Gedichte. Sie unterrichtet kreatives und literarisches Schreiben u.a. am Literaturhaus München und an Universitäten. Außerdem schreibt sie für das Radio und für Zeitungen. Sie lebt in München und Niederbayern, wo sie derzeit viel Zeit in der Natur verbringt. Für ihr literarisches Werk wurde sie vielfach ausgezeichnet; zuletzt erhielt sie für den Roman Paula das Literaturstipendium des Freistaats Bayern und den Hans-Fallada-Preis. 2019 erschien mit Das Leben spielt hier ihr erstes Jugendbuch. Für ein derzeit entstehendes Romanprojekt bekam sie 2020 das Münchner Arbeitsstipendium.
Sechs Monate lang schreibt Sandra Hoffmann für das Literaturportal Bayern eine Kolumne: DRAUSSEN. Ein Album. Darin schildert sie, was sie auf dem Land und seiner Natur erlebt, ob sie nun Rehe und Fasane beobachtet oder zum Essen aufsammelt, was sie vor sich auf dem Boden findet. Vor allem aber geht es um das Gehen selbst und die Gedankengänge dabei, um ein Flanieren zwischen Bäumen, das Blaue vom Himmel über den Wipfeln.
Die Corona-Zeit ist eine Zeit der Einschränkungen, oft der Einsamkeit. Aber an ihr können sich auch die Sinne schärfen. Der besondere Geschmack schrundigen Gemüses, die bangende Pflege eines Quittenbaums. Das ist nichts Geringes. In einer Gegenwart, die uns die Folgen des langen menschlichen Raubbaus an der Natur immer drastischer vor Augen führt, sind darin wesentliche gesellschaftspolitische Fragen angelegt. Die Literatur verfolgt sie seit einiger Zeit mit einer auffallenden Renaissance des Nature Writing, bei Sandra Hoffmann in Form einer Schule der Wahrnehmung: Da DRAUSSEN gibt es etwas zu sehen, zu spüren, zu holen und zu schützen.
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Audiolesung von Sandra Hoffmann:
14
Man sieht noch nichts von allem. Aber hier werden, wenn alles gut geht, Karotten, Radieschen und kleine weiße Rettiche, Buschbohnen, Wurzelpetersilie, Lauchzwiebeln, Pastinaken, Rote Beete und Erbsen sprießen. In der einen Ecke außerdem noch eine Ringelblume, in der anderen ein Borretsch. Kapuzinerkresse kommt noch dazwischen. Ich hoffe es jedenfalls.
Ich besitze seit ein paar Jahren Hochbeete. Zuerst war es nur das eine, darin wurde es schnell zu eng, deshalb kam ein zweites dazu, darin wachsen nur Kräuter, grüne und solche, deren Blüten man essen kann, Salat und Fenchel, ein paar Kohlrabi immer, schließlich ein drittes, in dem wuchsen bisher die Tomaten, dazwischen Sorten von Basilikum, Paprika, eine Zucchini auch, eine Gurke, eine Aubergine. Eine Art mediterrane Insel also.
Wenn ich am Anfang der Saison vor den leeren Beeten stehe, wundere ich mich, dass sie überhaupt einmal voll werden können. Soviel Platz, denke ich. Und weil soviel Platz auf mich wie leeres Papier oder ein weißer Bildschirm wirkt, kann ich mich nicht bremsen beim Säen und Pflanzen. Und am Ende ist alles so überfüllt, dass ich noch zusätzlich Körbe und Kisten bepflanzen muss, damit auch der Kürbis und die Kletterbohne und der Lauch irgendwie unterkommen.
Tatsächlich geht es dabei nur bedingt darum, alles aus dem eigenen Garten zu haben. Klar, das ist toll, wenn ich im Sommer und frühen Herbst zu den Hochbeeten gehen und alles, was wir für den Salat und an Gemüse brauchen, dort ernten kann, und klar schmeckt das sagenhaft frisch, und alles ist bio, weil die Erde bio ist, der Kompost der eigene und also auch nahezu biologisch, die Samen sind bio, die Pflänzchen und der Dünger auch. Wo kann man sich selbst zeigen, dass das funktionert, der Erde etwas Gutes zu tun, ohne viele Ressourcen zu verbrauchen, im Gegenteil, immer auch noch etwas zu geben? Im eigenen Garten natürlich. Das liebe ich.
Gleichzeitig kann ich mich eben auch sehr dafür begeistern, zuzuschauen, wie etwas, das ich säe, wie etwas, das ich pflanze, das ich hege, wächst. Klar, Pflanzen sind keine Romane, sie sind auch keine Kinder, aber wenn man mit ihnen redet, so wie ich mit ihnen rede, wenn man sie, so oft es geht, besucht, betrachtet, gießt, für sie sorgt, sie gut behandelt, tragen sie eben all das in sich, was auch Romane und Kinder in sich tragen: die Umsicht, die man für sie hat, die Fürsorge und die Liebe ja auch.
Und manchmal, wenn sie so wunderschön geworden sind, die Früchte der Aubergine etwa, die Basilkumpflanzen, der Koriander, was auch immer, fällt es mir sehr schwer, sie zu ernten und zu essen.
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