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09.03.2013, 14:00 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [99]: Ist Jean Paul nicht überall?

Es sei schön, schrieb ihm Jean Paul, einen König zum ersten Mal bloß auf den Knien zu sehen, ein kniender König predige besser als ein aufrechter Prediger. Zum Lohn für solche Freundlichkeiten empfing ihn die huldvolle Gattin des ebenso huldvollen, nach wie vor Huld praktizierenden Königs im Salon der Residenz, gleich links im ersten Stock neben dem Pavillon, der zum Odeonsplatz weisenden Hofgartenecke. Die Räume wurden im Krieg zerstört; geblieben ist das jubiläumsbedingte Interesse an einem Dichter, den man auch bei Kaffee, Rohrnudeln und „Ausgezogenen“ (wie die Bayreuther sagen) in einem der schönsten Kaffeehäuser der Stadt genießen kann. (Fotos: Frank Piontek, 1.3. 2013)

Man kann durch Deutschland reisen – von Bayreuth nach Süden, dann wieder gen Norden –, um in den großen Städten auf Jean Paul zu stoßen. Ist Jean Paul nicht überall?

Natürlich ist er überall. Mögen auch die sozialen und politischen Systeme gewechselt haben: man hat weder die Städte ausradiert, auch wenn man im 20. Jahrhundert – und nicht allein bis 1945 – zu viel dafür tat (in Berlin werde ich es wieder wahrnehmen), noch hat man die menschlichen Befindlichkeiten grundsätzlich erneuert. Und also treffe ich auch im „glänzend-gebaueten“ München auf ihn: hier, wo er 1820 seinen König traf: 30. Mai bis 9. Juli, die schönste, heißeste Sommerzeit. Einmal war er in Nymphenburg zur Audienz, Auguste von Schlichtegroll berichtete davon:

„War seine Majestät gnädig?“ fragte ein reichbesternter Herr. „Gnädig mit mir?“ entgegnete Jean Paul ganz betreten. „Bin ich ein Verbrecher?“ Totenstille im Saale.

Man könnte nun natürlich sagen: Typisch, die Münchner, aber sie sind vermutlich nicht anders als die Anderen, auch wenn man als Preuße länger braucht, um auf diese Weisheit zu kommen. Und sie tun etwas für ihn! Ich entdecke das Faltblatt, das die dreitägigen Jubelfeiern bewirbt. Man diskutiert ihn, man liest ihn, zumindest um seinen Geburtstag herum, doch nicht an irgendwelchen Off-Stätten, sondern zentral: im Residenztheater, also dem Nachfolgebau des Theaters der Kurfürsten, unter denen der erste bayerische König quasi als Jeanpaulianer herausragt oder, um die schöne Beziehung genauer zu fassen: unter denen die Königin Karoline herausragt. In ihrem Salon konnte sich der Dichter – genau in der Zeit, da sich Jean Paul wieder der Romanruine zuwandte – selbst ins Auge blicken, als er vor der Büste stand, die, im Auftrag des Königs, vom Bayreuther Bildhauer und Schieferdecker Johann Conrad Wilhelm Hildebrand gemacht worden war.

München leuchtet(e) – aber für Jean Paul nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hat: „Der König und die Königin haben seinen Besuch nach ihrer gewöhnlichen freundlichen Weise aufgenommen, dabei ist es aber geblieben“, schrieb Auguste von Schlichtegroll. Die Königin Karoline aber ist auch eine Münchner Süßigkeit (mag sich der Dichter und Frauenschwärmer gedacht, aber nicht geschrieben haben). Ihr Salon wurde erstmals in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts von Franz Xaver Nachtmann gezeichnet: leider ohne die Büste des Dichters, deren Abgüsse man im Bayreuther Jean-Paul-Museum und in der Rollwenzelei betrachten kann; das Münchner Original befindet sich im Depot, aus dem man Jean Paul für seine Münchner Geburtstagsfeiern in ein paar Tagen herausholen wird.