Gedanken der Autorin Petra Bartoli y Eckert in Zeiten von Corona

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Petra Bartoli y Eckert (* 1974 bei Regensburg) studierte Sozialpädagogik in Regensburg und arbeitete als Sozialpädagogin viele Jahre mit verhaltensauffälligen Kindern. Seit 2008 ist sie freie Autorin für Kinder- und Jugendliteratur und Sachbücher, Radiogeschichten und Drehbücher. Ihre Werke sind in verschiedenen Verlagen erschienen (u.a. S. Fischer, Volk Verlag) oder wurden z.B. als „Betthupferl“ im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt. 2011 war Bartoli y Eckert „Autorin des Jahres“ beim Verlag an der Ruhr (Mülheim an der Ruhr), 2012 wurde sie mit dem Kinder- und Jugendliteraturpreis der SOS-Kinderdörfer weltweit ausgezeichnet.

Die aktuelle Corona-Krise hat die Autorin zum Anlass für einen bislang unveröffentlichten Text genommen, mit dem sie an Kultur trotz Corona teilnimmt, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung bayerischer Literaturschaffender. Wir veröffentlichen hier ihren Text und setzen damit unsere neue Reihe fort.

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Wenn durch Abstand Platz entsteht

 

Ich bin Autorin. Und ich bin eine von denen, die als Solo-Selbstständige von Corona in ihre Schranken verwiesen wurde: Abstand bitte! Ab jetzt geht nix mehr! Sicherlich notwendigerweise. Natürlich habe ich das akzeptiert. Ich bin ein sehr solidarischer Mensch. Deshalb habe ich nicht gemurrt, als alle meine Lesungen abgesagt wurden. Auch nicht, als der Erscheinungstermin einiger Texte von mir auf nicht definierte Zeit nach hinten verschoben wurde. Nicht einmal, als die Kreativität sich plötzlich auch an den Mindestabstand zwischen ihr und mir hielt. Und sogar die über die Autorinnenjahre liebgewonnene Prokrastination, die vielbeschriebene Aufschieberitis also, weigerte sich beharrlich, sich zu mir an den Schreibtisch zu setzen. Alle gingen auf Abstand. Ich auch. Innerlich. Zu all meinen Projekten und Ideen, zu möglichen neuen Geschichten und Protagonisten. Gut, das war jetzt eben so. Auch wenn es nicht gut war.   

Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es mir gerade erging, wie den Figuren aus meinen Büchern, die ich auf ihre persönliche Heldenreise schicke: Es lief ganz gut in den vergangenen Jahren. Dann kommt der Wendepunkt. Der Punkt, an dem sich alles verändert. Der Punkt, an dem es aber auch kein Zurück mehr gibt. Die Heldin nimmt die Herausforderung an. Sie weiß schließlich, was sie will. (Normalität, Weiterarbeiten, Einkommen.) Dafür muss sie auf ihrem Weg gegen Drachen kämpfen, reißende Flüsse durchschwimmen, Mut und Demut beweisen. Kurz vor Schluss scheint jedoch alles verloren. (Wird es je wieder so etwas wie Normalität geben? Wird die Kreativität sich irgendwann mal wieder näher als bis zur Türschwelle an mich heranwagen?) Jetzt muss die Heldin wirklich beweisen, dass sie etwas auf dem Kasten hat. Sie muss handeln, endlich aktiv werden. Stark sein. Sich etwas trauen. Alte Pfade verlassen. Um am Ende dann hoffentlich für ihren Einsatz belohnt zu werden. Und nicht unbedingt das zu bekommen, was sie sich wünscht, sondern das, was sie wirklich braucht.

Ziemlich viel Pathos, oder? Dachte ich mir auch. Doch mir ging beim Nachdenken etwas auf: In den vergangenen Jahren habe ich sehr viel getan, von dem ich dachte, dass ich (oder der jeweilige Verlag, Auftraggeber oder andere) es so will und ich es deshalb so machen muss. Das war also mein „Want“: Das, wovon ich dachte, dass ich es so wollte. Aber was ist eigentlich mein „Need“, also das, was ich tatsächlich brauche? Eigentlich weiß ich, was das ist: Es sind Schreibprojekte, für die ich brenne; Geschichten, die sich von mir aufspüren lassen und unbedingt erzählt werden wollen; Themen, die wirklich relevant sind. Und erst da erinnerte ich mich an ein Herzensprojekt, das seit vielen Monaten unfertig in meiner Schublade lag. Ich hatte vorgehabt, ein Buch über Lebenszufriedenheit zu schreiben. Ich wollte dazu Menschen interviewen. Und habe es auf der langen Bank immer wieder noch ein Stückchen weiter nach hinten geschoben. Als nun die Kontaktbeschränkungen gelockert wurden und auch wieder Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben möglich waren, war der Bann endlich gebrochen. Ich habe meinen Rucksack gepackt und werde mich auf den Weg machen. Diesen Sommer werde ich keine Fernreise machen, werde nicht auf Konzerte, Festspiele oder Lesungen gehen. Ich werde nur mit mir unterwegs sein. Zu Fuß durch Süddeutschland und Österreich. Und dabei Menschen zufällig begegnen oder geplant treffen, die mich inspirieren und die einen Beitrag zu meinem Buch leisten werden. Ich freue mich darauf. Und bin sehr dankbar dafür, dass die Einschränkungen der vergangenen Monate Platz gemacht haben. Platz für neue Gedanken. Platz für Herzensangelegenheiten und dafür, diese endlich anzupacken.