Logen-Blog [76]: Was ist eigentlich ein Hofzimmerfrotteur?
Es kommt bei Jean Paul oft nicht auf den nacherzählbaren Inhalt eines Witzes an, sondern auf dessen sprachliche Gestaltung. Aus diesem Grund ist auch jene Episode witzig, die Hoppediezels seltsam schnurrenhaften Humor offenbart. Er redet nämlich jedem seiner fünf eingeladenen Gäste ein, dass nur er Wasser trinke, die anderen aber, während sie immer mehr tränken, besoffener würden. Tatsächlich trinken sie alle Wasser, spielen also alle nur, dass sie betrunken sind. An diesem Spiel sind beteiligt: der Gerichthalter Kolb, der Flößinspektor Peuschel, ein alter Karmenmacher, ein Hofzimmerfrotteur und ein Hofjunker. Der Autor verzichtet darauf, ihre Vornamen zu nennen, „denn was wird der Leser nach Zunamen dieses Volks fragen?“ Sehr freundlich, denkt sich der Leser, der sich schon darüber wundert, dass hier pauschal von „Zu-“, nicht von „Vor-“namen die Rede ist[1]. Und was ist, zum Henker, eigentlich ein Hofzimmerfrotteur? Ein Mann, der Hofzimmer „reibt“, also bohnert, ein Hofzimmerbohnerer also. Ein Karmenmacher macht carmen, also Lieder, aber er ist kein Liedermacher, sondern vermutlich ein gelegentlicher Hofpoet, der im Dienste seines Fürsten und, vielleicht, „reizender Frauen“ seine kleinen Poetereien zum Druck befördert (Oberscheerau 1791).
Und so werden sie alle, gefärbtes Wasser trinkend, scheinbar betrunkener. „Der Zimmerfrotteur mazerierte und laugte sich im Grunde durch das geschminkte Wasser aus und ersäufte beinahe sein gallisches Übel – so schluckte der Schadenfroh.“ Gallisches Übel? Hat der Mann etwa den Franzosen, also die Syphilis? Die Randbemerkung ist ebenso freundlich wie der Ausgang für einen der Wassertrinker: „Dem Hofjunker, der sich fast den Magen entzweisoff, schlugs schlechter zu; drei Tage nachher schmolz er an einer incontinentia urinae hin“, und der Poet spielt derart drastisch seine Trunkenheit aus, dass er sich „glücklicherweise“ (sagt der Erzähler) verletzt. So ziehen sie ab, versehen mit einer Wasser-Plethora, die der Rittmeister durch eine echte Trunkenheit beantwortet.
[1] Nur kleingeistige Millimeterleser würden darauf kommen, dass Jean Paul sein Verhältnis zu den Vor- und Zunamen – da er doch einige Nachnamen nannte – korrekter hätte ausdrücken können: Der Blogger stolpert auch darüber, bevor er sich denn doch wieder aufrappelt: Mit der Sprachkritik kann man es auch übertreiben!
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Es kommt bei Jean Paul oft nicht auf den nacherzählbaren Inhalt eines Witzes an, sondern auf dessen sprachliche Gestaltung. Aus diesem Grund ist auch jene Episode witzig, die Hoppediezels seltsam schnurrenhaften Humor offenbart. Er redet nämlich jedem seiner fünf eingeladenen Gäste ein, dass nur er Wasser trinke, die anderen aber, während sie immer mehr tränken, besoffener würden. Tatsächlich trinken sie alle Wasser, spielen also alle nur, dass sie betrunken sind. An diesem Spiel sind beteiligt: der Gerichthalter Kolb, der Flößinspektor Peuschel, ein alter Karmenmacher, ein Hofzimmerfrotteur und ein Hofjunker. Der Autor verzichtet darauf, ihre Vornamen zu nennen, „denn was wird der Leser nach Zunamen dieses Volks fragen?“ Sehr freundlich, denkt sich der Leser, der sich schon darüber wundert, dass hier pauschal von „Zu-“, nicht von „Vor-“namen die Rede ist[1]. Und was ist, zum Henker, eigentlich ein Hofzimmerfrotteur? Ein Mann, der Hofzimmer „reibt“, also bohnert, ein Hofzimmerbohnerer also. Ein Karmenmacher macht carmen, also Lieder, aber er ist kein Liedermacher, sondern vermutlich ein gelegentlicher Hofpoet, der im Dienste seines Fürsten und, vielleicht, „reizender Frauen“ seine kleinen Poetereien zum Druck befördert (Oberscheerau 1791).
Und so werden sie alle, gefärbtes Wasser trinkend, scheinbar betrunkener. „Der Zimmerfrotteur mazerierte und laugte sich im Grunde durch das geschminkte Wasser aus und ersäufte beinahe sein gallisches Übel – so schluckte der Schadenfroh.“ Gallisches Übel? Hat der Mann etwa den Franzosen, also die Syphilis? Die Randbemerkung ist ebenso freundlich wie der Ausgang für einen der Wassertrinker: „Dem Hofjunker, der sich fast den Magen entzweisoff, schlugs schlechter zu; drei Tage nachher schmolz er an einer incontinentia urinae hin“, und der Poet spielt derart drastisch seine Trunkenheit aus, dass er sich „glücklicherweise“ (sagt der Erzähler) verletzt. So ziehen sie ab, versehen mit einer Wasser-Plethora, die der Rittmeister durch eine echte Trunkenheit beantwortet.
[1] Nur kleingeistige Millimeterleser würden darauf kommen, dass Jean Paul sein Verhältnis zu den Vor- und Zunamen – da er doch einige Nachnamen nannte – korrekter hätte ausdrücken können: Der Blogger stolpert auch darüber, bevor er sich denn doch wieder aufrappelt: Mit der Sprachkritik kann man es auch übertreiben!