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150 Jahre Ludwig Thoma (9): Ludwig Thoma und die Filmschauspielerin Asta Nielsen

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Asta Nielsen 1911 als Stella am Set von "Der schwarze Traum"

Anlässlich seines 150. Geburtstages präsentieren wir eine kleine Blogreihe zu Ludwig Thoma. In den kommenden zwei Folgen schreibt Dr. Martha Schad, deren Buch Weiberheld und Weiberfeind. Ludwig Thoma und die Frauen (Pustet 1995) zum Jubiläumsjahr in einer Neufassung bei Allitera wiedererschienen ist, über Thomas sehr ambivalentes Verhältnis zu Frauen. In der neunten Folge geht es um seine Beziehung zur dänischen Filmschauspielerin Asta Nielsen.

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Asta, die Göttliche

Ludwig Thoma war anfänglich ein großer Gegner des damals aufkommenden Films. Daraus machte er allen Bekannten gegenüber kein Hehl. Der Komödiant Bertl Schultes erzählte jedoch, dass Thoma im Sommer 1913 ganz begeistert war von dem vor allem in Deutschland populärsten Star, der dänischen Schauspielerin Asta (Sofie Amalie) Nielsen (1881 Kopenhagen - 1972 Frederiksberg). „Von der schaug i mir jeden Film an.“

Asta Nielsen war der große Star des Stummfilms, im Prinzip sogar der erste weibliche Filmstar überhaupt in der Geschichte des Kinos. Die schwarzhaarige Dänin ließ sich nie auf ein Rollenfach festlegen: Sie spielte sowohl gebrochene, leidende Frauen als auch arme alternde Dirnen, Tänzerinnen ebenso wie einfache Arbeiterinnen. Ihre Körpersprache war immer dezent, dabei aber ausdrucksstark.

Die „Duse des Stummfilms“ (Kritiker Alfred Kerr) war keine Schönheit: der Mund war zu groß für das magere Gesicht, die Nase zu lang, und die Augen lagen zu weit auseinander. Trotzdem galt sie den Verehrern als Muster der Sinnlichkeit. Denn „die Augen sind es hier, nicht das Fleisch, die diese Wirkung ausüben“, schrieb der Filmbeobachter Bela Bélazs.

Von 1910 bis 1913 spielte Asta Nielsen in 11 Filmen mit und 1913 konnte Thoma sie in den Filmen Komödianten, Die Sünden der Väter, S 1 und in Die Filmprimadonna sehen. Neben ihren Rollen von konfliktbeladenen Frauen, hatte sie aber auch Talent für komische Rollen. So war sie beim Filmpublikum vor allem in dem 1914 gedrehten Streifen Engelein so erfolgreich, dass eine Fortsetzung gedreht wurde.

Ob Thoma wirklich jeden dieser Film angeschaut hat, ist nicht überliefert. Aber er machte sich Hoffnungen auf eine Verfilmung seines 1912 in Berlin uraufgeführten tragischen Volksstücks Magdalena mit Asta Nielsen.

Bertl Schultes verhandelte für Thoma in dieser Angelegenheit mit  Paul Davidson (1867-1927), dem Generaldirektor der UFA. Nach Thomas Vorstellung sollten alle Darsteller von der Tegernseer Bauernbühne gestellt werden. Für die Titelrolle allerdings schlug Davidson die Schauspielerin Henny Porten vor. Thoma sagte dazu nur „Nia!“ Mit Asta Nielsen hätte er sein Stück gerne verfilmt gesehen, aber diese war nicht bei der UFA unter Vertrag.

1913 schwärmte Ludwig Thoma noch von Asta Nielsen; 1921 jedoch verfasste er, wahrscheinlich für den Miesbacher Anzeiger einen Betrag über „Asta, die Göttliche“, in dem er den Berliner Juden Stefan Großmann (1875 Wien - 1935 Wien) angreift. Dieser war ein österreichischer Schriftsteller und Journalist, der aus einer jüdischen Familie stammte und, was Thoma offensichtlich nicht wusste, sich hatte taufen lassen. Zusammen mit dem Verleger Ernst Rowohlt gründete Stefan Großmann 1920 die unabhängige, überparteiliche Wochenschrift Das Tage-Buch. Die Zeitschrift entwickelte sich während der Weimarer Republik zur einflussreichsten radikaldemokratischen Zeitschrift.

Dreharbeiten zu dem Film Engelein mit Asta Nielsen. Darstellerin und Kamerateam arbeiten im See (Sommer 1913).

Thoma spricht in dem Artikel auch den mit ihm befreundeten Musikanten und Volksliedersammler Kiem Pauli (1882-1960) an.

Asta, die Göttliche

Du zahlst drei Mark, kriegst dafür eine Eintrittskarte in das neuzeitliche Kino und kannst dann, wozu sechs Geigen jubeln, weinen oder lachen oder gähnen, solang es Dir beliebt. Alles für drei Mark.

Da siehst die Pola Negri, die Mia May, die Dua Py, die Kia Po und noch viele Chinesinnen aus Haidhausen und Heringsdorf. Die eine ist fett, die andere mager, die eine unterwachsen, alle aber gut bemalt.

Eine lange, eine dünne, eine Art von Schlingpflanze sah ich einmal, die hieß Asta Nielsen.

An die werde ich erinnert, als ich gestern des Juden Stefan Großmann Tagebuch, Heft 36, las und darin einen Artikel fand, worin über Asta Nielsen u.a. folgender Schwarm losgelassen wurde: „Sie kann in einem Kleid, das bis zum Oberschenkel geschlitzt ist, auftreten und wirkt nicht einen Augenblick fleischlich aufreizend, ihr langes Bein, ihr schöner Rücken noch wirken geistreich!“ Das ist doch schön gesagt von Stefan Großmann. Gar nicht fleischlich aufreizend!

Der Kiem-Pauli würde es jedoch noch einfacher machen und noch besser, als der Berliner Jude, der würde, wenn er es täte, er tut es aber nicht, die lange Asta folgendermaßen besingen:

Dreiviertel Boaner, Boaner, Boaner –

Oa Viertel Haut, Haut, Haut,

Do möchst fast woaner, woaner, woaner,

wann man's oschaut, schaut, schaut!

Asta, du Göttliche, wer wird Dir und Deiner hohen Kunst besser gerecht, der Stefan aus Berlin oder unser Kiem-Pauli aus Rottach?

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Dr. Martha Schad, geboren 1939 in München, hat Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Augsburg studiert und wurde promoviert mit dem Thema „Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie“. Martha Schad lebt in der Nähe von Augsburg, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Sie war bis 2016 ehrenamtliche Heimatpflegerin für kulturelle Angelegenheiten der Stadt Augsburg und ist Ehrenvorsitzende des Richard Wagner Verbandes sowie Mitglied der Münchner Turmschreiber. Sie arbeitet als freie Historikerin und als Buchautorin. Von ihr sind u.a. erschienen Die Frauen des Hauses Fugger, Bayerns Königinnen, Bayerns Königshaus, Stalins Tochter, Frauen gegen Hitler sowie Weiberheld und Weiberfeind. Ludwig Thoma und die Frauen. Martha Schad hat mehrere Auszeichnungen erhalten, u.a. die Ehrenmedaille „Für Augsburg“ von der Stadt Augsburg, den Bayerischen Poetentaler, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland sowie den Bayerischen Verdienstorden.

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