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Eine Begegnung: Katja Huber und die syrische Band جِسْر jisr

Auf Betreiben der Münchner Autorinnen, Autoren, Lektorinnen und Lektoren Linda BenediktBjörn Bicker, Lena Gorelik, Marion Hertle, Sandra Hoffmann, Katja Huber, Fridolin Schley und der Buchhandlungen Isarflimmern, Buch in der Au, Lehmkuhl, Kunst- und Textwerk u.a. wird seit April einmal im Monat eine Münchner Buchhandlung zum Begegnungsort von Alt- und Neu-Münchnern. Die Autorinnen und Autoren stellen Menschen vor, die auf der Flucht nach München gekommen sind. Dazu treffen sie sich in ihren Lieblingsbuchhandlungen und laden alle interessierten Münchnerinnen und Münchner mit und ohne Fluchterfahrung ein. Die Reihe ist unter dem Dach des Aktionsbündnisses Wir machen das entstanden, mit dem auch das Literaturportal Bayern kooperiert. Am 24.6.2016 stellte Katja Huber in der Buchhandlung Buch in der Au die syrische Band جِسْر jisr (Brücke) vor. Marion Hertle berichtet.

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Es war gefühlt der bisher heißeste Abend des Jahres – umso schöner, dass Buch in der Au bis auf den letzten Platz besetzt war, genau wie wahrscheinlich jeder einzelne Münchner Biergarten. Und das Publikum war sich einig – es hat sich gelohnt.

Bei eisgekühlten Getränken begrüßte Buchhändlerin Elisabeth Reisbeck alle alten und neuen Münchner, die hier zusammenfinden durften. Der dritte Münchner Abend von Wir machen das stand ganz im Zeichen von arabischer Musik. Für Percussion und Gesang sorgte Mohcine Ramadan, Ehab Abou Fakhar spielte Bratsche und Abathar Kmash die Oud. Dabei reichte die Bandbreite der Stücke von Kompositionen aus dem 11. Jahrhundert über die Wagnerzeit bis in die Neuzeit, von Syrien über Ägypten, die Türkei, Tunesien, Algerien bis Marokko und Andalusien, was für eine eindrucksvolle und abwechslungsreiche Mischung sorgte. Die meisten Stücke haben keinen eigenen Namen, sondern sind nach Komponist und Skala, in der sie gespielt werden, benannt. Eigenkompositionen des Trios gibt es noch nicht, immerhin besteht es erst seit vier Monaten, denn Ehab und Abathar sind erst im Januar nach Deutschland gekommen. Gerade deshalb ist es erstaunlich, wie viele Konzerte die Band bereits im Raum München gegeben hat.

Als Glücksfall erwies sich, dass Mohcine Ramadan, der an der LMU im Fach Deutsch als Fremdsprache promoviert und bereits seit mehreren Jahren in München lebt, wunderbar als Übersetzer fungieren konnte. Die anderen beiden Bandmitglieder sind professionelle Musiker aus Damaskus, in ihrer Geburtsstadt Suweida leitete Abathar eine Musikschule mit 70 Schülern. Nach der Flucht ist es ihm natürlich nicht möglich, seine Arbeit an der Schule wie gewohnt fortzusetzen, aber immerhin kann Abathar von München aus noch ein kleines Mädchenorchester von elf Schülerinnen leiten. Er schickt ihnen Noten, sie nehmen das Stück auf, und er gibt ihnen z.B. via Skype Feedback. Gemeinsam bereiten sie sich gerade auf ein Konzert Ende Juli vor.

Mitglied im syrischen Symphonieorchester, Dozententätigkeit an der Musikhochschule Damaskus, Teilnahme an internationalen Workshops – Ehabs und Abathars Lebensläufe sind beeindruckend, was sie bescheidenerweise darauf zurückführen, dass es in Suweida in jedem Haus eine Oud gibt und in jeder Familie etliche Musiker.

Auf die Frage, wie es so schnell gelingen konnte, in München als Musiker Fuß zu fassen und so viele Konzerte zu spielen, antwortet Mohcine zunächst im Scherz, dass man wohl über die Balkanroute gekommen sein muss, um Interesse zu wecken, dann aber deutlich ernster, dass Musik einfach verbindet, weil keine Sprache nötig ist, um in Kontakt zu kommen – etwa mit dem namhaften Oud-Spieler Roman Bunka, mit dem sie bereits des Öfteren in verschiedenen Formationen aufgetreten sind. Klar wurde im Gespräch mit Katja Huber aber auch, dass Mohcine sowohl als Dozent als auch als Musiker im kulturellen Leben Münchens gut vernetzt ist und so für die noch sehr junge Band Die Brücke auf Kontakte zurückgreifen kann, die er über mehrere Jahre geknüpft hat.

Ihre Musik wird von Rhythmen getragen, die darüber entscheiden, ob getanzt wird – was häufig vorkommt – oder nur zugehört, wobei es bei den metaphernreichen Texten zumeist um Heimat und Liebe geht.

Das berufliche Leben in München dagegen gestaltet sich nicht ganz so mühelos. Auch als professionelle Musiker mit abgeschlossenem Studium müssen Abathar und Ehab hier in gewisser Weise von vorne anfangen, sich an der Musikhochschule bewerben und vorspielen, weil hier die Schwerpunkte anders gelegt werden. Abathar stellt sich z.B. jetzt auf Jazzgitarre ein, weil es Oud als Studienfach schlichtweg nicht gibt.

Am Ende des runden Abends kam bei dem sehr interessierten Publikum die Frage auf, ob es schon eine CD der Band gäbe, was leider nicht der Fall ist, naheliegenderweise aus finanziellen Gründen. Ein klassischer Fall für Crowdfunding –  ein Vorschlag aus dem Publikum, den Mohcine Ramadan so gut fand, dass er ihn gleich als mögliches To-do an die Initiative Wir machen das weitergab.

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