Elise Beck: Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten I
Die niederbayrische Dialektdichterin Elise Beck veröffentlichte 1902 in der Zeitschrift Das Bayerland einen dreiteiligen Beitrag mit dem Titel „Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten“. Die Münchner Presse kommentierte die Abhandlung anlässlich einer Veranstaltung im Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde im April 1905:
„Die Dialektdichterin Frau Elise Beck hielt über das Thema ‚Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten‘ einen Vortrag, der kulturgeschichtlich und psychologisch viel Anziehendes bot im Rahmen eines Charakterbildes der niederbayerischen Bevölkerung nach ihren Sprüchen und Redensarten. Wenn man bei diesem auch manchem begegnet, was Gemeingut der süddeutschen Stämme ist, so hob doch eine Reihe völlig ursprünglicher Redensarten die Besonderheit des niederbayerischen Schlages plastisch heraus, umso mehr als es die Rednerin verstand, nicht allein mit wahrem, echten Humor ihre Ausführungen zu würzen, sondern diese auch wirklich meisterhaft zu einem geschlossenen Bilde der Sitten, Lebensart und Gebräche der Niederbayern zusammenzufügen.“
Über hundert Jahre nach seiner Veröffentlichung ist Becks Aufsatz ein Dokument einer nahezu verschwundenen Kultur, deren Sprache und dörflicher Lebensraum hier wieder ans Licht kommen. Wir bringen ihn in den folgenden Wochen in drei Teilen. Anmerkungen finden sich am Schluss des Textes. Herrn Professor Dr. Ludwig Zehetner (Universität Regensburg) sei an dieser Stelle für seine Unterstützung gedankt.
* * *
Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten (Erster Teil)
Der Niederbayer ist in seinem Grundcharakter zäh, ich möchte fast sagen starr; und bleibt es. Er ändert sich nicht. Er bleibt seiner Volkssprache treu. Und klingt sie auch manchem rauh und hart, der Inhalt ist deshalb nicht weniger wert und nicht schlimmer gemeint als in irgend einer anderen Sprache.
„Die Volkssprache“, sagt Jos. Schlicht, „redet Wortquintel [1] und Inhaltpfunde. Wo das Volksleben auftritt, da muß es auftreten mit der Volksseele, dem Volksgewande, der Volkssprache echt, goldlauter, natur.“ [2]
Wenn der Niederbayer einmal in die Schriftsprache geht, ist es jedesmal ein Wagnis, und er fühlt sich fremd und unsicher dabei, darf er aber reden, wie ihm ums Herz ist, so lernt man schnell seine offene, ehrliche Natur kennen. Er ist sehr häufig humoristisch angelegt und besitzt große Schlagfertigkeit und viel Mutterwitz. Mit Vorliebe spickt er seine Reden mit Sprüchen, und ist er gut aufgelegt, so verläßt keine Rede das Gehege seiner Zähne, ohne daß er sie gleich mit einem halben Dutzend seiner Leibsprüche durchflicht. In dieser Beziehung gibt das Weib, das Deandl den Männern und Buam nichts nach.
Kommt ein Buzl, wie alle Neugeborenen genannt werden, zur Welt, so wird es meist mit Freuden begrüßt und der glückliche Vater kommt zum Herrn Pfarrer und sagt: „Hochwürd‘n, bei uns is da Ofa ei‘g’fall’n und mir that’n halt schö‘ bitt’n z’weg‘n der Tauf!“
Reicher Kindersegen ist in Niederbayern durchaus nichts Seltenes, und es kommt sehr häufig vor, daß zwölf, ja sogar vierzehn Sprößlinge „wia d‘ Org’lpfeiffan“ um die Mittagsschüssel sitzen. „Wer net wenigstens zehne hot, der ko‘ ja vo‘ Kinda übahaupt net mitred’n“, sagt er. Mit Stolz betrachtet so ein Vater seine Schar und freut sich an deren gesundem Appetit. Ist die Schüssel wider Erwarten schnell geleert, so staunt wohl die Mutter und sagt: „Jessas, oba han, vor ana Stund ham‘s erst an Haufa Äpf‘ln gessn und jiatzt schmeckt’s eah‘ scho‘ wieda a so!“
„Ja, ja“, erwidert der Vater lachend, „Kinder und Fack’ln ham oiweil laare Sack’ln“.
Und wie freut er sich, wenn sein Weib am Sonntag festlich geschmückt mit den Kindern zur Kirche geht. Da steht er unter der Hausthür, denn er geht als letzter fort, und sieht ihnen nach, und vergnügt murmelt er: „Wia unsa alte Henn‘, wenn’s in da Fruah d‘ Steig’n runtakummt, dö Alt voraus und d‘ Singerln [3] hint’ndrei‘“.
Ein kränkliches Kind ist dem Bauern keine Freude, das sieht er sogar selten an, denn „dös is eahm zklei’matze“ [4] und ein zartes, mageres, dös is eahm „z’kleba“[5], dagegen, wenn sie „Backerl ham, daß all‘s glanzt und so dick, daß ma moant, sie springa eah af, und schö rot dazu wia a Boxdorfer (= Borstorfer) Apf‘l, nachha san’s grod’n“.
Das enfant terrible gibt es auch bei uns in Niederbayern, und so ein Plappermäulchen weiß einem Besuch gegenüber besonders viel zu erzählen und ist durch nichts zum Schweigen zu bringen. Natürlich sagt es gerade das, was es nicht sagen soll, und setzt die Mutter in die größte Verlegenheit, und bietet sie ihm auch ab, oder unterbricht es, das ist ganz gleich, heraus muß es, „as that eahm sunst ‘s Magerl z’sprenga“, und schiebt es die Mutter dann zur Thür hinaus mit den Worten: „Geh zua, geh, du redst daher wia a Mo‘ ohne Kopf“, ein Unheil ist meist schon angerichtet, so daß der Besuch beleidigt äußert: „No mei‘, d‘ Kinda und Narrn sog’n d‘ Wahrat“.
Ist eine Mutter besonders zärtlich mit ihren Kindern, „so schaugt sie drei‘ nei‘, als wann’s in a Kircha nei‘ schaugat“, und wenn sie von ihnen spricht, lobt sie sie „übas Sanctus“. Wer sich unter Kinderstreitigkeiten mischt, um zu schlichten, hat keinen Dank dafür, im Gegenteil es entstehen leicht Feindseligkeiten unter den Eltern dadurch; „denn wer sö unta d‘ Kinda mischt und unter d‘ Kleim [6] wird vo‘ dö Fack’ln g’fress’n“. Ist eine Mutter wegen ihrer Kinder recht schnell beleidigt, so daß man diese nicht einmal schief ansehen darf, so sagt man von ihr: „Dö thuat da scho‘ mit ihrane Kinda, daßt moanst, as hät‘s ihr da Niklo bracht“. Daß jede Mutter die schönsten Kinder hat, ist sehr verzeihlich, „an jed’n Lapp’n gfallt sei‘ Kapp’n“.
Etwas, wogegen sich der Niederbayer unglaublich lange gesträubt hatte, das war der Schulzwang. Er sagt: „Wenn der Baua les’n und schreib’n ko‘, dös is dös Oigfeita“ [7]. Doch gibt es jetzt nur noch einzelne solcher Hartköpfe, die sich dem Schulbesuche feindselig gegenüber stellen. Es ist eben aus so einem Eisenkopf sehr schwer etwas herauszubringen; was da einmal fest drinn ist, „dös bringa koane sechs Bräupintschga außa“. (Bräupintschga[gauer] sind außerordentlich kräftige Pferde, wie man sie meist nur an Bierwägen vorgespannt findet.)
Kommt ein vom Lehrer bestraftes Kind weinend nach Hause und klagt, daß es Schläge bekommen, so sagt ein vernünftiger Vater: „‘s is koa Schlag umasunst, als der, der daneb’n geht“. Die Mutter aber stillt diese Schmerzen, indem sie ihm die Taschen mit Obst vollstopft, einen „Keil“ Brot in die Hand gibt und es auf die Gasse schiebt, woselbst sie es bald, während ihm noch die Thränen an den Wimpern hängen, heiter spielen und lachen sieht, und zufrieden spricht sie vor sich hin: „Hot halt no’ ’s Lacha und ’s Woana in oam Sackl“.
Schimpft ein Vater seinen Buam in recht kräftigen Ausdrücken und eine Nachbarin hört es und will es ihm wehren, so weist er sie ab und ruft: „I ko‘ mei‘ Heu aa a Stroh hoaß’n!“ Wenn sich ein böser Bua gar nicht bessert, trotz Ermahnungen aller dazu Berechtigten, außer den Eltern z.B. auch des Herrn Pfarrers und Lehrers, so nimmt ihn der Vater eines Tages vor sich her und sagt: „Bua, paß af, wos i Dir sog! In mei’m ganz’n Holz find’ i koan Stecka, der für Di‘ dick gnua war!“ Es kommt selten vor, daß diese Mahnung nicht eine Besserung des Gewarnten zur Folge hätte; hilft aber bei einem auch das nicht, dann heißt es: „Der hat scho‘ grothn, der derf nur no‘ guat thoa“. Das bedeutet so viel als: Wenn der so fortfährt, wird er für das Zuchthaus reif, und man gibt die Hoffnung auf, ihn zu bessern.
Eine Mutter predigt ihrem Deandl wiederholt: „Lern wos, vagißt wos, stihl wos, so hast was und laß‘ an niadm [8] dös Sei‘!“ Damit meint sie, fleißig und so viel zu lernen, um auch etwas vergessen zu dürfen, stehlen mit den Augen, um wieder zu lernen, und dabei ehrlich bleiben.
Gerät ein recht hoalloser, das ist ein lüderlicher, Bua öfters in Todesgefahr, z.B. daß er beim Obststehlen vom Baum stürzt und halbtot liegen bleibt, aber sich wieder erholt, oder er gerät beim Baden in einen Tümpel, in dem schon mehrere den Tod fanden, doch er kommt wieder gut heraus, so staunt man nicht weiter, denn „wos an Galg’n g’hört, dasauft net“.
Ist unter mehreren, sonst guten Geschwistern eines, das aus der Art schlägt und leichtsinnig wird, so tröstet man sich damit: „Unter jeder größeren Herd is oa räudig’s Schaf“. Sind aber in einer Familie lauter ungeratene Kinder, „dös san halt Ahnlkinder“. Das sind solche, die die Großmutter auf- und verzogen hat. Hat ein Bub ganz den Charakter des Vaters, so ist das klar, denn „Art laßt net von Art“ oder „der Apf’l fallt net weit vom Stamm, außa er kug’lt ’n Berg no“.
Hat ein Kind viele Unannehmlichkeiten an einem Tag, so daß es sich brennt, zwickt, stolpert oder niederfällt, so ruft die Mutter: „Ja, mei‘ Moidl, heint host wieda net bet‘ für dö Dolkat’n [9]“. Zeigt es sich aber recht ungeschickt bei allem, was es anfaßt, so „hots wieda lauta Dama“. Wird es, um eine Kleinigkeit zu holen, mit einem großen Gefäß geschickt und es sagt: „Dös is ja z’groß,“ so sagt die Mutter: „Wos laar steht, woant net“.
Der Bua, der seine Mitschüler an Körpergröße weit überragt, heißt „da Schulvoda“, was ihn aber nicht viel geniert, im Gegenteil, beim „Zigeunales“ ist er dafür stets der Hauptmann, während im gleichen Falles bei den Mädchen „d‘ Schulmuatta“ schon etwas bedenklicher ist, denn diese geht dann häufig „hinta d‘ Schul“, und besonders der Sonntagsschule und Christenlehre weicht sie in weitem Bogen aus; dafür schleicht sie sich auf Tanzböden und hält sich überhaupt schon mehr an die Erwachsenen, was oft schlimme Folgen hat.
Ein junges Deandl, das recht viel lacht ohne direkten Grund, „die muaß spota amol grod so vüi woana“.
Will eine einmal eine lustige Geschichte erzählen, und sie unterbricht sich immer wieder durch starkes Lachen: „Dö lacht scho‘ wieder’s Beste davo‘ weg“; dagegen eine Mürrische stets herumgeht, „als wenn ihr d Henna ’s Brot wegg’fress’n hätt’n“.
Weiß eine vor Hochmut nicht, wie sie sich drehen und wenden soll, so kann sie schon hören: „Wenn i nur grad am Sunta dös war, wos dös sö de ganz‘ Woch‘ ei’bildt!“
Ist ein Bursch so eingebildet, so „moanst scho‘ da groß‘ Hund war sei‘ Göd, derweil ko er den kloan net dalaffa“.
Thut sich eine Bäuerin durch Allesbesserwissen hervor, sagt der Volksmund: „No, dera ihrane Oar ham alle zwo Dotta“.
Fällt einer Armen einmal ein Glück in den Schoß, daß sie z.B. einen großen Gewinn in einer Lotterie macht, so heißt es: „As findt‘ halt diam [10] aa a blinde Henn‘ a Woaznkörnl“.
Vorlaute Kinder läßt man schwätzen, ohne sie zu beachten, denn „junge Gäns ham oiweil große Mäuler“.
Ist ein mageres, häßliches Deandl recht geputzt und glaubt dadurch zu den Schönen zu gehören, so ist das lächerlich, denn „wenn ma an Zaunstecka ziert, is er aa schö‘“. Übrigens „is a jede dö Schönst‘ in ihra Haut“.
Weiß man von einer Bäuerin, daß sie viel und gut ißt und trinkt, so daß sie sichtlich täglich dicker wird, so ist das sehr natürlich, denn „a laara Sack steht net“. Bleibt eine aber trotz guter Nahrung sehr mager, nun „dö wird aa net fett, und wenn ma’s neunmal im Schmalz umkehrt“.
„Faul‘s Fleisch leibt sö gern“, heißt ein Volksspruch. Damit ist gemeint, daß der Faule schneller zunimmt als der fleißig und schwer Arbeitende. (Darum läßt auch Professor Schweninger seine Patienten schwere Arbeiten verrichten.) [11]
Leute, die alles auf die lange Bank schieben, sind „wia die faulen Schneck’n, die erst zum Singa anfanga, wenn eahna Haus brennt“. Nämlich, wenn man die Schnecken kocht, geben sie einen singenden Ton.
Weiter hört man öfter: „Wer heint zu nix taugli‘ is, der wird’s morg’n no weniga sei‘“. Dann, „der Faule schleppt si‘ af oamol z’Tod“, d.h. er ladet sich lieber eine kaum zu bewältigende Last auf, um ja nicht zweimal denselben Weg machen zu müssen.
Ein launisches Deandl „hot Litzen wia an olts Roß“. Hat solch eine ihren bösen Tag, so daß sie so schlechter Laune ist, daß niemand mit ihr verkehren kann, so sagt man: „Heint hot’s wieda ihran Stroach [12] und dem muaß‘ obwart’n, sunst kam‘ er an andersmol nimma“.
Ein schlaues, scharf beobachtendes Deandl ist nicht selten von den Kamarädinnen gefürchtet, „weil’s schaugt wia a Pfau mit hundert Aug’n“, und gar manchesmal sieht solch eine mehr, als manche sehen und wissen lassen wollen. Fürchtet ein Deandl durch diese Verrat, so baut sie vor, indem sie sagt: „Dö sicht am helliacht’n Tag Gspensta“.
Die meisten Deandln tragen ein Amulett, oder auch einen Frauen- bzw. Georgithaler um den Hals zum Schutze gegen Ungemach. Frägt ein Fremdes, wofür solch ein Thaler hilft, bekommt er die scherzhafte Antwort: „Der hilft fürs gach Glück und a schnell’s Vermög‘n“.
Ein Werber, der durch freundliche Zuvorkommenheit die Verwandten seiner noch heimlich Angebeteten zu gewinnen trachtet, „der grüaßt ‘n Gaddern weg’n dem Zaun“.
Will ein Bua heiraten, so hört er auf alle möglichen Ratschläge von Vettern und Basen. Hält er einen Vetter für besonders erfahren in Heiratsangelegenheiten, so lädt er diesen ins Wirtshaus ein, und es entspinnt sich folgender Dialog:
Bua: „Moanst i soll ma traua?“
Vetter: „Ja warum denn net, schaug dö halt um, konnstas ja aussuacha. Nur net glei mit da Thür ins Haus fall’n. Jiatzt i rat da, heirat nur oane mit vüi Geld, zwida wird da a jede.“
Der Bua hierauf: „D‘ Vev vom Tuchathof möcht i halt, oba dö mog mi‘ net“.
Vetter: „No, an andane Muatta hot aa a liab’s Kind. Vürsichti muaßt allaweil sei’, den woaßt, as gibt allahand Teuf’ln in der Welt, und a jeda hot a andane Farb und is arg, oba da ärgst’ is da Eh’teufl –, der is gescheckat. Nachha ra i da no‘, laß da koane zuaschmus’n; dö G’schmust’n san nix.“ Damit meinte er eine Rekommandierte.
Der Bua flüstert ihm den Namen einer Bauerstochter zu, auf die er auch schon „so halbat“ ein Aug geworfen hat, doch der Vetter wehrt sofort ab und sagt geringschätzend: „Dö is nix, a sölchane kriegst no‘, wenn da Mark‘ valoffa is.“
Das „Zuaschmus’n“ kommt öfter vor, als man es glauben sollte, besonders bei reicheren Bauernsöhnen; denn diese wollen nicht nur meistens wieder Geld, sondern sie soll ihnen auch nach Geschmack sein.
Um auszukundschaften, welchen Charakter diese oder jene hat und wie viel Geld dazu, eignen sich besonders die Störarbeiter [13], Schuster und Schneider. Dadurch, daß diese häufig viele Wochen lang in den verschiedenen Bauernhöfen beschäftigt sind, haben sie die beste Gelegenheit, die heiratslustige Jugend kennen und beurteilen zu lernen, und unter der Hand verbindet solch einer im Geiste schon verschiedene Paare und sagt mit einer gewissen Sicherheit: die paßt für den, und der für die.
Kommt dann ein Freier an ihn heran und sagt z.B: Woaßt i möchte halt a recht a Zeahme, also eine Sanfte, Schmiegsame, so kann er sofort aufwarten – denn er kennt sie in allen Schattierungen, männlich und weiblich – und sagt: „I woaß da oane, dö is so sanft wia a auszogna Katz’nbalg.“
Heiratet einer, trotz öfterer Warnung, ein als leichtsinnig bekanntes Deandl und er macht wirklich trübe Erfahrungen mit ihr, so findet er kein Mitleid auf seine Klagen, sondern man sagt ihm: „Ja mei‘, an Reuend’n gibt ma nix“ und hinter seinem Rücken: „so am Esel g’hört a sölche Deck“.
Sind aber Mann und Weib leichtsinnig, „die hätt’n die Taub’n net besser zsammtrag’n kinna, dö san anada wert“.
Ein schwarzhaariges Deandl zieht der Niederbayer im allgemeinen einer Blonden vor, und schelmisch sagt er: „um a Schwarzkirsch’n steigt ma allaweil höher als um a rote“.
Sind zwei Buam in ein und dasselbe Deandl verliebt, so gibt es die schlimmsten Händel, und „leichta vertrag’n sö zwoa bissige Hund an oam Knoch’n mitananda, als so zwoa“.
Die Mutter gibt ihrer Tochter eine hübsche Reihe guter Lehren während des Brautstandes, die ja, wie man weiß, meist umsonst sind, „sie heirat’n ja, net d‘ Muatta“, auch „sie muaß mit eahm haus’n, net d‘ Muatta“; trotzdem ermahnt die Muatta “g’heirat‘ is net Kapp’n tauscht“ und „da Eh’stand is a Wehstand, hat Dornen, sticht hint’n und vornen“. Und eine Base redet auch mit drein und sagt: „Nimm ja koan Trinker, denn woaßt: A Gurgl is a kloane Lucka, oba konn Haus und Hof verschlucka“.
Einen harten Stand hat eine reiche Bauerntochter, wenn sie sich in einen Unbemittelten verliebt und daheim davon berichtet. Die erste Frage des Vaters ist natürlich: „Hot er wos?“, worauf das Deandl kleinlaut erwidert: „Habn thuat er nix“. „Nix“, sagt drauf da Vota, „nix is guat für ’d Aug’n, aber net für‘n Beut’l“. – Dieses Abraten und Verbieten in solcher Sache ist aber umsonst, im Gegenteil, „ma‘ schütt‘ nur Schmalz ins Feuer“. – Der vielfach bekannte alte Spruch: „Ich hab an Schneidergang g’macht“, stammt auch aus Niederbayern. Es ist dort Sitte, daß der Stör-Schneider, sowie die Stör-Näherin, jeden Tag „unta da Liachtn“, das ist die Zeit, sobald die Dämmerung eintritt bis zur vollständigen Dunkelheit, die Arbeit weglegen und spazieren gehen, bis das Licht angezündet wird, so ½ bis ¾ Stunden. Diese Zeit des Nichtsthuns ärgert aber den Bauern, da er doch dafür auch bezahlen muß, während der Schneider gänzlich zwecklos herumläuft. Darum sagt man, wenn man einen Weg zwecklos gemacht hat, obigen Spruch.
Will ein Abgewiesener sich an der, die ihm den Korb gab, rächen, so sagt er zu ihr, doch so, daß es mehrere hören: „Derfst aa macha, daß d‘ oan kriagst, sunst bleibst üba!“, doch sie sagt: „Ledi‘ g’storb’n is aa net verdorb’n!“
Will aber ein Alter noch ein blutjunges Mädchen freien, so droht sie ihm mit dem Finger und sagt lachend: „Geh weita, Du stirbst mir ja am Altar!“
[...]
Fortsetzungnächste Woche
Anmerkungen:
[1] ein Fünftel Pfund (100 g)
[2] Joseph Schlicht (1832-1917), Pfarrer, Volkskundler und Heimatforscher. Das Zitat stammt aus dem Vorwort zu seinem Werk „Altheimland. Ein zweites Bayernbuch“ (1895).
[3] Singerl = Küken
[4] Klamütza = kleine Mütze, unbedeutender Mensch
[5] kleber = zart, schwächlich
[6] Kleim = Kleiber (Kleie)
[7] Oigfeita = (all Gefehlte) Allerschlimmste
[8] niadem = jedem
[9] dolkat (dalkert): ungeschickt, tolpatschig
[10] diam: gelegentlich
[11] Ernst Schweninger (1850-1924), Leibarzt Otto von Bismarcks und ein Verfechter der Arbeitstherapie, die Max Örtel (1835-1897) gegen Fettsucht entwickelt hatte.
[12] Stroach: närrische, zu Streichen aufgelegte Anwandlung
[13] Störarbeiter: umherziehender Lohnhandwerker
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Die niederbayrische Dialektdichterin Elise Beck veröffentlichte 1902 in der Zeitschrift Das Bayerland einen dreiteiligen Beitrag mit dem Titel „Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten“. Die Münchner Presse kommentierte die Abhandlung anlässlich einer Veranstaltung im Bayerischen Verein für Volkskunst und Volkskunde im April 1905:
„Die Dialektdichterin Frau Elise Beck hielt über das Thema ‚Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten‘ einen Vortrag, der kulturgeschichtlich und psychologisch viel Anziehendes bot im Rahmen eines Charakterbildes der niederbayerischen Bevölkerung nach ihren Sprüchen und Redensarten. Wenn man bei diesem auch manchem begegnet, was Gemeingut der süddeutschen Stämme ist, so hob doch eine Reihe völlig ursprünglicher Redensarten die Besonderheit des niederbayerischen Schlages plastisch heraus, umso mehr als es die Rednerin verstand, nicht allein mit wahrem, echten Humor ihre Ausführungen zu würzen, sondern diese auch wirklich meisterhaft zu einem geschlossenen Bilde der Sitten, Lebensart und Gebräche der Niederbayern zusammenzufügen.“
Über hundert Jahre nach seiner Veröffentlichung ist Becks Aufsatz ein Dokument einer nahezu verschwundenen Kultur, deren Sprache und dörflicher Lebensraum hier wieder ans Licht kommen. Wir bringen ihn in den folgenden Wochen in drei Teilen. Anmerkungen finden sich am Schluss des Textes. Herrn Professor Dr. Ludwig Zehetner (Universität Regensburg) sei an dieser Stelle für seine Unterstützung gedankt.
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Der Niederbayer in seinen Sprüchen und Redensarten (Erster Teil)
Der Niederbayer ist in seinem Grundcharakter zäh, ich möchte fast sagen starr; und bleibt es. Er ändert sich nicht. Er bleibt seiner Volkssprache treu. Und klingt sie auch manchem rauh und hart, der Inhalt ist deshalb nicht weniger wert und nicht schlimmer gemeint als in irgend einer anderen Sprache.
„Die Volkssprache“, sagt Jos. Schlicht, „redet Wortquintel [1] und Inhaltpfunde. Wo das Volksleben auftritt, da muß es auftreten mit der Volksseele, dem Volksgewande, der Volkssprache echt, goldlauter, natur.“ [2]
Wenn der Niederbayer einmal in die Schriftsprache geht, ist es jedesmal ein Wagnis, und er fühlt sich fremd und unsicher dabei, darf er aber reden, wie ihm ums Herz ist, so lernt man schnell seine offene, ehrliche Natur kennen. Er ist sehr häufig humoristisch angelegt und besitzt große Schlagfertigkeit und viel Mutterwitz. Mit Vorliebe spickt er seine Reden mit Sprüchen, und ist er gut aufgelegt, so verläßt keine Rede das Gehege seiner Zähne, ohne daß er sie gleich mit einem halben Dutzend seiner Leibsprüche durchflicht. In dieser Beziehung gibt das Weib, das Deandl den Männern und Buam nichts nach.
Kommt ein Buzl, wie alle Neugeborenen genannt werden, zur Welt, so wird es meist mit Freuden begrüßt und der glückliche Vater kommt zum Herrn Pfarrer und sagt: „Hochwürd‘n, bei uns is da Ofa ei‘g’fall’n und mir that’n halt schö‘ bitt’n z’weg‘n der Tauf!“
Reicher Kindersegen ist in Niederbayern durchaus nichts Seltenes, und es kommt sehr häufig vor, daß zwölf, ja sogar vierzehn Sprößlinge „wia d‘ Org’lpfeiffan“ um die Mittagsschüssel sitzen. „Wer net wenigstens zehne hot, der ko‘ ja vo‘ Kinda übahaupt net mitred’n“, sagt er. Mit Stolz betrachtet so ein Vater seine Schar und freut sich an deren gesundem Appetit. Ist die Schüssel wider Erwarten schnell geleert, so staunt wohl die Mutter und sagt: „Jessas, oba han, vor ana Stund ham‘s erst an Haufa Äpf‘ln gessn und jiatzt schmeckt’s eah‘ scho‘ wieda a so!“
„Ja, ja“, erwidert der Vater lachend, „Kinder und Fack’ln ham oiweil laare Sack’ln“.
Und wie freut er sich, wenn sein Weib am Sonntag festlich geschmückt mit den Kindern zur Kirche geht. Da steht er unter der Hausthür, denn er geht als letzter fort, und sieht ihnen nach, und vergnügt murmelt er: „Wia unsa alte Henn‘, wenn’s in da Fruah d‘ Steig’n runtakummt, dö Alt voraus und d‘ Singerln [3] hint’ndrei‘“.
Ein kränkliches Kind ist dem Bauern keine Freude, das sieht er sogar selten an, denn „dös is eahm zklei’matze“ [4] und ein zartes, mageres, dös is eahm „z’kleba“[5], dagegen, wenn sie „Backerl ham, daß all‘s glanzt und so dick, daß ma moant, sie springa eah af, und schö rot dazu wia a Boxdorfer (= Borstorfer) Apf‘l, nachha san’s grod’n“.
Das enfant terrible gibt es auch bei uns in Niederbayern, und so ein Plappermäulchen weiß einem Besuch gegenüber besonders viel zu erzählen und ist durch nichts zum Schweigen zu bringen. Natürlich sagt es gerade das, was es nicht sagen soll, und setzt die Mutter in die größte Verlegenheit, und bietet sie ihm auch ab, oder unterbricht es, das ist ganz gleich, heraus muß es, „as that eahm sunst ‘s Magerl z’sprenga“, und schiebt es die Mutter dann zur Thür hinaus mit den Worten: „Geh zua, geh, du redst daher wia a Mo‘ ohne Kopf“, ein Unheil ist meist schon angerichtet, so daß der Besuch beleidigt äußert: „No mei‘, d‘ Kinda und Narrn sog’n d‘ Wahrat“.
Ist eine Mutter besonders zärtlich mit ihren Kindern, „so schaugt sie drei‘ nei‘, als wann’s in a Kircha nei‘ schaugat“, und wenn sie von ihnen spricht, lobt sie sie „übas Sanctus“. Wer sich unter Kinderstreitigkeiten mischt, um zu schlichten, hat keinen Dank dafür, im Gegenteil es entstehen leicht Feindseligkeiten unter den Eltern dadurch; „denn wer sö unta d‘ Kinda mischt und unter d‘ Kleim [6] wird vo‘ dö Fack’ln g’fress’n“. Ist eine Mutter wegen ihrer Kinder recht schnell beleidigt, so daß man diese nicht einmal schief ansehen darf, so sagt man von ihr: „Dö thuat da scho‘ mit ihrane Kinda, daßt moanst, as hät‘s ihr da Niklo bracht“. Daß jede Mutter die schönsten Kinder hat, ist sehr verzeihlich, „an jed’n Lapp’n gfallt sei‘ Kapp’n“.
Etwas, wogegen sich der Niederbayer unglaublich lange gesträubt hatte, das war der Schulzwang. Er sagt: „Wenn der Baua les’n und schreib’n ko‘, dös is dös Oigfeita“ [7]. Doch gibt es jetzt nur noch einzelne solcher Hartköpfe, die sich dem Schulbesuche feindselig gegenüber stellen. Es ist eben aus so einem Eisenkopf sehr schwer etwas herauszubringen; was da einmal fest drinn ist, „dös bringa koane sechs Bräupintschga außa“. (Bräupintschga[gauer] sind außerordentlich kräftige Pferde, wie man sie meist nur an Bierwägen vorgespannt findet.)
Kommt ein vom Lehrer bestraftes Kind weinend nach Hause und klagt, daß es Schläge bekommen, so sagt ein vernünftiger Vater: „‘s is koa Schlag umasunst, als der, der daneb’n geht“. Die Mutter aber stillt diese Schmerzen, indem sie ihm die Taschen mit Obst vollstopft, einen „Keil“ Brot in die Hand gibt und es auf die Gasse schiebt, woselbst sie es bald, während ihm noch die Thränen an den Wimpern hängen, heiter spielen und lachen sieht, und zufrieden spricht sie vor sich hin: „Hot halt no’ ’s Lacha und ’s Woana in oam Sackl“.
Schimpft ein Vater seinen Buam in recht kräftigen Ausdrücken und eine Nachbarin hört es und will es ihm wehren, so weist er sie ab und ruft: „I ko‘ mei‘ Heu aa a Stroh hoaß’n!“ Wenn sich ein böser Bua gar nicht bessert, trotz Ermahnungen aller dazu Berechtigten, außer den Eltern z.B. auch des Herrn Pfarrers und Lehrers, so nimmt ihn der Vater eines Tages vor sich her und sagt: „Bua, paß af, wos i Dir sog! In mei’m ganz’n Holz find’ i koan Stecka, der für Di‘ dick gnua war!“ Es kommt selten vor, daß diese Mahnung nicht eine Besserung des Gewarnten zur Folge hätte; hilft aber bei einem auch das nicht, dann heißt es: „Der hat scho‘ grothn, der derf nur no‘ guat thoa“. Das bedeutet so viel als: Wenn der so fortfährt, wird er für das Zuchthaus reif, und man gibt die Hoffnung auf, ihn zu bessern.
Eine Mutter predigt ihrem Deandl wiederholt: „Lern wos, vagißt wos, stihl wos, so hast was und laß‘ an niadm [8] dös Sei‘!“ Damit meint sie, fleißig und so viel zu lernen, um auch etwas vergessen zu dürfen, stehlen mit den Augen, um wieder zu lernen, und dabei ehrlich bleiben.
Gerät ein recht hoalloser, das ist ein lüderlicher, Bua öfters in Todesgefahr, z.B. daß er beim Obststehlen vom Baum stürzt und halbtot liegen bleibt, aber sich wieder erholt, oder er gerät beim Baden in einen Tümpel, in dem schon mehrere den Tod fanden, doch er kommt wieder gut heraus, so staunt man nicht weiter, denn „wos an Galg’n g’hört, dasauft net“.
Ist unter mehreren, sonst guten Geschwistern eines, das aus der Art schlägt und leichtsinnig wird, so tröstet man sich damit: „Unter jeder größeren Herd is oa räudig’s Schaf“. Sind aber in einer Familie lauter ungeratene Kinder, „dös san halt Ahnlkinder“. Das sind solche, die die Großmutter auf- und verzogen hat. Hat ein Bub ganz den Charakter des Vaters, so ist das klar, denn „Art laßt net von Art“ oder „der Apf’l fallt net weit vom Stamm, außa er kug’lt ’n Berg no“.
Hat ein Kind viele Unannehmlichkeiten an einem Tag, so daß es sich brennt, zwickt, stolpert oder niederfällt, so ruft die Mutter: „Ja, mei‘ Moidl, heint host wieda net bet‘ für dö Dolkat’n [9]“. Zeigt es sich aber recht ungeschickt bei allem, was es anfaßt, so „hots wieda lauta Dama“. Wird es, um eine Kleinigkeit zu holen, mit einem großen Gefäß geschickt und es sagt: „Dös is ja z’groß,“ so sagt die Mutter: „Wos laar steht, woant net“.
Der Bua, der seine Mitschüler an Körpergröße weit überragt, heißt „da Schulvoda“, was ihn aber nicht viel geniert, im Gegenteil, beim „Zigeunales“ ist er dafür stets der Hauptmann, während im gleichen Falles bei den Mädchen „d‘ Schulmuatta“ schon etwas bedenklicher ist, denn diese geht dann häufig „hinta d‘ Schul“, und besonders der Sonntagsschule und Christenlehre weicht sie in weitem Bogen aus; dafür schleicht sie sich auf Tanzböden und hält sich überhaupt schon mehr an die Erwachsenen, was oft schlimme Folgen hat.
Ein junges Deandl, das recht viel lacht ohne direkten Grund, „die muaß spota amol grod so vüi woana“.
Will eine einmal eine lustige Geschichte erzählen, und sie unterbricht sich immer wieder durch starkes Lachen: „Dö lacht scho‘ wieder’s Beste davo‘ weg“; dagegen eine Mürrische stets herumgeht, „als wenn ihr d Henna ’s Brot wegg’fress’n hätt’n“.
Weiß eine vor Hochmut nicht, wie sie sich drehen und wenden soll, so kann sie schon hören: „Wenn i nur grad am Sunta dös war, wos dös sö de ganz‘ Woch‘ ei’bildt!“
Ist ein Bursch so eingebildet, so „moanst scho‘ da groß‘ Hund war sei‘ Göd, derweil ko er den kloan net dalaffa“.
Thut sich eine Bäuerin durch Allesbesserwissen hervor, sagt der Volksmund: „No, dera ihrane Oar ham alle zwo Dotta“.
Fällt einer Armen einmal ein Glück in den Schoß, daß sie z.B. einen großen Gewinn in einer Lotterie macht, so heißt es: „As findt‘ halt diam [10] aa a blinde Henn‘ a Woaznkörnl“.
Vorlaute Kinder läßt man schwätzen, ohne sie zu beachten, denn „junge Gäns ham oiweil große Mäuler“.
Ist ein mageres, häßliches Deandl recht geputzt und glaubt dadurch zu den Schönen zu gehören, so ist das lächerlich, denn „wenn ma an Zaunstecka ziert, is er aa schö‘“. Übrigens „is a jede dö Schönst‘ in ihra Haut“.
Weiß man von einer Bäuerin, daß sie viel und gut ißt und trinkt, so daß sie sichtlich täglich dicker wird, so ist das sehr natürlich, denn „a laara Sack steht net“. Bleibt eine aber trotz guter Nahrung sehr mager, nun „dö wird aa net fett, und wenn ma’s neunmal im Schmalz umkehrt“.
„Faul‘s Fleisch leibt sö gern“, heißt ein Volksspruch. Damit ist gemeint, daß der Faule schneller zunimmt als der fleißig und schwer Arbeitende. (Darum läßt auch Professor Schweninger seine Patienten schwere Arbeiten verrichten.) [11]
Leute, die alles auf die lange Bank schieben, sind „wia die faulen Schneck’n, die erst zum Singa anfanga, wenn eahna Haus brennt“. Nämlich, wenn man die Schnecken kocht, geben sie einen singenden Ton.
Weiter hört man öfter: „Wer heint zu nix taugli‘ is, der wird’s morg’n no weniga sei‘“. Dann, „der Faule schleppt si‘ af oamol z’Tod“, d.h. er ladet sich lieber eine kaum zu bewältigende Last auf, um ja nicht zweimal denselben Weg machen zu müssen.
Ein launisches Deandl „hot Litzen wia an olts Roß“. Hat solch eine ihren bösen Tag, so daß sie so schlechter Laune ist, daß niemand mit ihr verkehren kann, so sagt man: „Heint hot’s wieda ihran Stroach [12] und dem muaß‘ obwart’n, sunst kam‘ er an andersmol nimma“.
Ein schlaues, scharf beobachtendes Deandl ist nicht selten von den Kamarädinnen gefürchtet, „weil’s schaugt wia a Pfau mit hundert Aug’n“, und gar manchesmal sieht solch eine mehr, als manche sehen und wissen lassen wollen. Fürchtet ein Deandl durch diese Verrat, so baut sie vor, indem sie sagt: „Dö sicht am helliacht’n Tag Gspensta“.
Die meisten Deandln tragen ein Amulett, oder auch einen Frauen- bzw. Georgithaler um den Hals zum Schutze gegen Ungemach. Frägt ein Fremdes, wofür solch ein Thaler hilft, bekommt er die scherzhafte Antwort: „Der hilft fürs gach Glück und a schnell’s Vermög‘n“.
Ein Werber, der durch freundliche Zuvorkommenheit die Verwandten seiner noch heimlich Angebeteten zu gewinnen trachtet, „der grüaßt ‘n Gaddern weg’n dem Zaun“.
Will ein Bua heiraten, so hört er auf alle möglichen Ratschläge von Vettern und Basen. Hält er einen Vetter für besonders erfahren in Heiratsangelegenheiten, so lädt er diesen ins Wirtshaus ein, und es entspinnt sich folgender Dialog:
Bua: „Moanst i soll ma traua?“
Vetter: „Ja warum denn net, schaug dö halt um, konnstas ja aussuacha. Nur net glei mit da Thür ins Haus fall’n. Jiatzt i rat da, heirat nur oane mit vüi Geld, zwida wird da a jede.“
Der Bua hierauf: „D‘ Vev vom Tuchathof möcht i halt, oba dö mog mi‘ net“.
Vetter: „No, an andane Muatta hot aa a liab’s Kind. Vürsichti muaßt allaweil sei’, den woaßt, as gibt allahand Teuf’ln in der Welt, und a jeda hot a andane Farb und is arg, oba da ärgst’ is da Eh’teufl –, der is gescheckat. Nachha ra i da no‘, laß da koane zuaschmus’n; dö G’schmust’n san nix.“ Damit meinte er eine Rekommandierte.
Der Bua flüstert ihm den Namen einer Bauerstochter zu, auf die er auch schon „so halbat“ ein Aug geworfen hat, doch der Vetter wehrt sofort ab und sagt geringschätzend: „Dö is nix, a sölchane kriegst no‘, wenn da Mark‘ valoffa is.“
Das „Zuaschmus’n“ kommt öfter vor, als man es glauben sollte, besonders bei reicheren Bauernsöhnen; denn diese wollen nicht nur meistens wieder Geld, sondern sie soll ihnen auch nach Geschmack sein.
Um auszukundschaften, welchen Charakter diese oder jene hat und wie viel Geld dazu, eignen sich besonders die Störarbeiter [13], Schuster und Schneider. Dadurch, daß diese häufig viele Wochen lang in den verschiedenen Bauernhöfen beschäftigt sind, haben sie die beste Gelegenheit, die heiratslustige Jugend kennen und beurteilen zu lernen, und unter der Hand verbindet solch einer im Geiste schon verschiedene Paare und sagt mit einer gewissen Sicherheit: die paßt für den, und der für die.
Kommt dann ein Freier an ihn heran und sagt z.B: Woaßt i möchte halt a recht a Zeahme, also eine Sanfte, Schmiegsame, so kann er sofort aufwarten – denn er kennt sie in allen Schattierungen, männlich und weiblich – und sagt: „I woaß da oane, dö is so sanft wia a auszogna Katz’nbalg.“
Heiratet einer, trotz öfterer Warnung, ein als leichtsinnig bekanntes Deandl und er macht wirklich trübe Erfahrungen mit ihr, so findet er kein Mitleid auf seine Klagen, sondern man sagt ihm: „Ja mei‘, an Reuend’n gibt ma nix“ und hinter seinem Rücken: „so am Esel g’hört a sölche Deck“.
Sind aber Mann und Weib leichtsinnig, „die hätt’n die Taub’n net besser zsammtrag’n kinna, dö san anada wert“.
Ein schwarzhaariges Deandl zieht der Niederbayer im allgemeinen einer Blonden vor, und schelmisch sagt er: „um a Schwarzkirsch’n steigt ma allaweil höher als um a rote“.
Sind zwei Buam in ein und dasselbe Deandl verliebt, so gibt es die schlimmsten Händel, und „leichta vertrag’n sö zwoa bissige Hund an oam Knoch’n mitananda, als so zwoa“.
Die Mutter gibt ihrer Tochter eine hübsche Reihe guter Lehren während des Brautstandes, die ja, wie man weiß, meist umsonst sind, „sie heirat’n ja, net d‘ Muatta“, auch „sie muaß mit eahm haus’n, net d‘ Muatta“; trotzdem ermahnt die Muatta “g’heirat‘ is net Kapp’n tauscht“ und „da Eh’stand is a Wehstand, hat Dornen, sticht hint’n und vornen“. Und eine Base redet auch mit drein und sagt: „Nimm ja koan Trinker, denn woaßt: A Gurgl is a kloane Lucka, oba konn Haus und Hof verschlucka“.
Einen harten Stand hat eine reiche Bauerntochter, wenn sie sich in einen Unbemittelten verliebt und daheim davon berichtet. Die erste Frage des Vaters ist natürlich: „Hot er wos?“, worauf das Deandl kleinlaut erwidert: „Habn thuat er nix“. „Nix“, sagt drauf da Vota, „nix is guat für ’d Aug’n, aber net für‘n Beut’l“. – Dieses Abraten und Verbieten in solcher Sache ist aber umsonst, im Gegenteil, „ma‘ schütt‘ nur Schmalz ins Feuer“. – Der vielfach bekannte alte Spruch: „Ich hab an Schneidergang g’macht“, stammt auch aus Niederbayern. Es ist dort Sitte, daß der Stör-Schneider, sowie die Stör-Näherin, jeden Tag „unta da Liachtn“, das ist die Zeit, sobald die Dämmerung eintritt bis zur vollständigen Dunkelheit, die Arbeit weglegen und spazieren gehen, bis das Licht angezündet wird, so ½ bis ¾ Stunden. Diese Zeit des Nichtsthuns ärgert aber den Bauern, da er doch dafür auch bezahlen muß, während der Schneider gänzlich zwecklos herumläuft. Darum sagt man, wenn man einen Weg zwecklos gemacht hat, obigen Spruch.
Will ein Abgewiesener sich an der, die ihm den Korb gab, rächen, so sagt er zu ihr, doch so, daß es mehrere hören: „Derfst aa macha, daß d‘ oan kriagst, sunst bleibst üba!“, doch sie sagt: „Ledi‘ g’storb’n is aa net verdorb’n!“
Will aber ein Alter noch ein blutjunges Mädchen freien, so droht sie ihm mit dem Finger und sagt lachend: „Geh weita, Du stirbst mir ja am Altar!“
[...]
Fortsetzungnächste Woche
Anmerkungen:
[1] ein Fünftel Pfund (100 g)
[2] Joseph Schlicht (1832-1917), Pfarrer, Volkskundler und Heimatforscher. Das Zitat stammt aus dem Vorwort zu seinem Werk „Altheimland. Ein zweites Bayernbuch“ (1895).
[3] Singerl = Küken
[4] Klamütza = kleine Mütze, unbedeutender Mensch
[5] kleber = zart, schwächlich
[6] Kleim = Kleiber (Kleie)
[7] Oigfeita = (all Gefehlte) Allerschlimmste
[8] niadem = jedem
[9] dolkat (dalkert): ungeschickt, tolpatschig
[10] diam: gelegentlich
[11] Ernst Schweninger (1850-1924), Leibarzt Otto von Bismarcks und ein Verfechter der Arbeitstherapie, die Max Örtel (1835-1897) gegen Fettsucht entwickelt hatte.
[12] Stroach: närrische, zu Streichen aufgelegte Anwandlung
[13] Störarbeiter: umherziehender Lohnhandwerker