Panizza-Blog [3]: Über Geisteskrankheiten und den Russischen Hof
Nein, Oskar Panizza wollte nicht sein Leben lang Psychiater bleiben. Das hing zum einen mit dem zusammen, was er als Assistent von Professor von Gudden zu tun hatte: er musste Gehirne sezieren. Zum anderen wurde seine Angst immer größer, selber geisteskrank zu werden. Er hielt sich für erblich belastet. In seiner 1904 geschriebenen Selbstbiographie heißt es gleich im ersten Satz, er stamme aus einer belasteten Familie. Und weiter: „Onkel litt an partiellem religiösen Wahnsinn und starb nach 15jährigen Irrenhausaufenthalt in der Irren-Abt. des Würzburger Juliusspitals. Ein anderer Onkel begieng in jugendlichem Alter Selbstmord. Eine Tante starb an Schlaganfall, eine andere Tante noch am Leben, ist psychisch sonderbar, teils gemacht geistreich, teils schwachsinnig. Alle diese Verwandtschaftsgrade beziehen sich auf die mütterliche Seite. Die Mutter noch am Leben jähzornig, energisch, starke Willensperson, fast männliche Intelligenz.“
Der bereits erwähnte Konflikt mit dieser Mutter begleitete Panizza fast sein ganzes Leben und war in den ersten zwanzig Jahren besonders heftig. Nach ihren Wünschen, so schreibt sie in ihren Memoiren, hätte einer ihrer Söhne Priester werden sollen. Mit Oskar war das nicht zu machen. Empört schreibt sie, ihr Sohn habe gesagt: „Wenn meine Mama durchaus will, dass ich studire – so thue ich eben nichts und bumle in München herum“. Es war ein ständiger Streit. Nicht nur mit der Mutter, auch mit den Geschwistern, über die er in seiner Selbstbiographie schreibt: „Von den Geschwistern des Pazienten sind die zwei jüngeren, wie Pazient selbst in früheren Jahren melancholischen Zufällen ausgesetzt gewesen. Jüngere Schwester begieng zweimal Selbstmordversuch (vielleicht kompliziert mit Hysterie). In der ganzen Familie besteht prävalierende Geistestätigkeit mit Neigung zur Diskussion religiöser Fragen.“ Aber es ging auch um knallharte Themen, nämlich um das väterliche Erbe. Die Brüder Karl und Felix führten ab 1880 den Russischen Hof, zusammen mit dem Schwager Gustav Collard. Oskar Panizza war damit nicht einverstanden. Der böse Streit konnte erst 1884 beendet werden. Oskar erhielt von nun an eine Jahresrente von 6000 Mark und konnte sich nun ganz der Literatur, die für ihn schon seit einiger Zeit an erster Stelle stand, zuwenden.
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Nein, Oskar Panizza wollte nicht sein Leben lang Psychiater bleiben. Das hing zum einen mit dem zusammen, was er als Assistent von Professor von Gudden zu tun hatte: er musste Gehirne sezieren. Zum anderen wurde seine Angst immer größer, selber geisteskrank zu werden. Er hielt sich für erblich belastet. In seiner 1904 geschriebenen Selbstbiographie heißt es gleich im ersten Satz, er stamme aus einer belasteten Familie. Und weiter: „Onkel litt an partiellem religiösen Wahnsinn und starb nach 15jährigen Irrenhausaufenthalt in der Irren-Abt. des Würzburger Juliusspitals. Ein anderer Onkel begieng in jugendlichem Alter Selbstmord. Eine Tante starb an Schlaganfall, eine andere Tante noch am Leben, ist psychisch sonderbar, teils gemacht geistreich, teils schwachsinnig. Alle diese Verwandtschaftsgrade beziehen sich auf die mütterliche Seite. Die Mutter noch am Leben jähzornig, energisch, starke Willensperson, fast männliche Intelligenz.“
Der bereits erwähnte Konflikt mit dieser Mutter begleitete Panizza fast sein ganzes Leben und war in den ersten zwanzig Jahren besonders heftig. Nach ihren Wünschen, so schreibt sie in ihren Memoiren, hätte einer ihrer Söhne Priester werden sollen. Mit Oskar war das nicht zu machen. Empört schreibt sie, ihr Sohn habe gesagt: „Wenn meine Mama durchaus will, dass ich studire – so thue ich eben nichts und bumle in München herum“. Es war ein ständiger Streit. Nicht nur mit der Mutter, auch mit den Geschwistern, über die er in seiner Selbstbiographie schreibt: „Von den Geschwistern des Pazienten sind die zwei jüngeren, wie Pazient selbst in früheren Jahren melancholischen Zufällen ausgesetzt gewesen. Jüngere Schwester begieng zweimal Selbstmordversuch (vielleicht kompliziert mit Hysterie). In der ganzen Familie besteht prävalierende Geistestätigkeit mit Neigung zur Diskussion religiöser Fragen.“ Aber es ging auch um knallharte Themen, nämlich um das väterliche Erbe. Die Brüder Karl und Felix führten ab 1880 den Russischen Hof, zusammen mit dem Schwager Gustav Collard. Oskar Panizza war damit nicht einverstanden. Der böse Streit konnte erst 1884 beendet werden. Oskar erhielt von nun an eine Jahresrente von 6000 Mark und konnte sich nun ganz der Literatur, die für ihn schon seit einiger Zeit an erster Stelle stand, zuwenden.
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