Panizza-Blog [32]: Panizzas bewegtes Nachleben
Nach Panizzas Tod war es lange still um ihn, mal abgesehen von dem Versuch der Nazis, ihn für sich zu vereinnahmen (1941). Schon während der Jahre in der Bayreuther Klinik, fragten sich viele, was wohl mit ihm geschehen sei. Diese Frage stellt sich auch Hannes Ruch in seinem Vorwort zu dem 1914 erschienenen Band Visionen der Dämmerung. Der Herausgeber Hans Heinz Ewers (selbst kein großer Meister der deutschen Sprache) glaubt sich auch berechtigt, Panizzas Erzählungen zu verbessern, da ihm der Stil nicht gefällt. Erwähnt sei hier noch der 1913 erschienene Privatdruck des Liebeskonzils mit Zeichnungen von Alfred Kubin (1991 erschien hiervon ein Reprint in der Edition Spangenberg). Die 1926 erschienene Schrift In memoriam Oskar Panizza enthält zahlreiche Fehler, wird auch kaum wahrgenommen, da sie im Eigenverlag erschienen ist. Dann herrscht wirklich Grabesruhe, nicht zuletzt wegen Panizzas Familie, die es am liebsten gehabt hätte, wenn von diesem schwarzen Schaf nicht mehr geredet würde. Während des Krieges, bis in die fünfziger Jahre war nicht an Panizza zu denken.
Dann auf einmal: 1960 erscheint das Liebeskonzil in Frankreich (Le concile d’amour; in der Übersetzung von Jean Bréjoux, im Verlag von Jean Jacques Pauvert, der mit seiner Sade-Ausgabe bereits für einen Skandal gesorgt hatte). Kein Geringerer als André Breton stellt in seinem Vorwort das Drama in eine Reihe mit Dante, Milton, Goethe, Hugo und anderen Größen der europäischen Kulturgeschichte. Das wird auch in Deutschland wahrgenommen. 1962 erscheint ein längerer Artikel über Panizza in Der Spiegel (Nr. 10, S. 81ff.), in dem Breton als „Panizza-Wiederentdecker“ gefeiert wird. 1964 erscheint Das Liebeskonzil und andere Schriften (hg. von Hans Prescher) endlich wieder in Deutschland im Luchterhand Verlag. 1969 dann die Uraufführung im Théâtre de Paris unter der Regie von Jorge Lavelli, der das Stück dann auch 1973 im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater inszeniert. Korrigierend muss hier erwähnt werden, dass das Stück bereits 1967 in einem kleinen Wiener Kellertheater unter der Regie von Renée Heimes aufgeführt worden ist. Das ist also die eigentliche Uraufführung, wie Sylvia Wagner in ihrer Magisterarbeit (Wider die Religion Das Liebeskonzil von Oskar Panizza... Wien 1993) herausgefunden hat. Wenn man nicht Kurt Martens (1870-1945) glauben möchte, der in seinem 1898 erschienenen Roman aus der Décadence von einer privaten (vermutlich aber von ihm erfundenen) Aufführung des Dramas erzählt.
Nun aber ist der Weg offen für zahlreiche Publikationen der Werke Panizzas. Von der Familie kommt kaum noch Widerstand, man hält dort aber schön die Hände auf, wenn es um Tantiemen geht... Besonders verdient gemacht hat sich hier der Münchner Verlag Matthes & Seitz, in dem einige Bände erschienen sind. Außer den hier bereits erwähnten Publikationen ist die Veröffentlichung der „gesammelten Erzählungen“ unter dem Titel Der Korsettenfritz (1981) zu nennen. Die Erzählungen wurden hier erstmals wieder in der von Panizza gewollten Form publiziert. 1984 erscheint dann endlich eine maßgebliche Biographie von Michael Bauer: Oskar Panizza. Ein literarisches Porträt (Hanser Verlag). Auch in Frankreich sind noch einige Bücher von Panizza erschienen, sogar die Gefängnisaufzeichnugnen wurden übersetzt: Ecrits de prison (Paris: Editions Ludd 1994).
Zahlreiche Aufführungen des Liebeskonzils folgen, eine komplette Liste hat Peter D. G. Brown zusammengestellt (bis 2004; in seiner Faksimile-Ausgabe des Stücks: München: Belleville Verlag 2005, S. 252-254). 1996 wurden einzelne Szenen des Stücks im Bayreuther Plakatmuseum aufgeführt. Zehn Jahre später brachte dann die Bayreuther Studiobühne eine Gesamtaufführung im Ruinentheater der Bayreuther Eremitage (Regie: Brigit Franz) auf die Bühne. Erwähnt sei hier noch die Aufführung des Teatro Belli in Rom (Il concilio d’amore; 1981. Regie: Atonio Salines), denn mit dieser Truppe hat Werner Schroeter das Stück verfilmt; die Uraufführung war bei der Berlinale am 21. Februar 1982. Im Sommer 2003 konnte ich zu Panizzas 150. Geburtstag eine Ausstellung in der Bayreuther Universitätsbibliothek zeigen (im Rahmen des Studiengangs „Literaturwissenschaft: berufsbezogen“). Diese Ausstellung wurde im Herbst auch in seiner Geburtsstadt Bad Kissingen gezeigt – im dortigen Bismarck-Museum: Darüber hätte sich Panizza besonders gefreut, denn Bismarck war ja für ihn der Retter des deutschen Reiches. Zu diesem runden Geburtstag durfte ich sogar einen Artikel im Bayernkurier veröffentlichen (17.7.2003, S. 20: „Voll Wut und Kraft“). Damit wurde Panizza von der CSU abgesegnet und seinem weiteren Erfolg steht nun nichts mehr im Wege...
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Nach Panizzas Tod war es lange still um ihn, mal abgesehen von dem Versuch der Nazis, ihn für sich zu vereinnahmen (1941). Schon während der Jahre in der Bayreuther Klinik, fragten sich viele, was wohl mit ihm geschehen sei. Diese Frage stellt sich auch Hannes Ruch in seinem Vorwort zu dem 1914 erschienenen Band Visionen der Dämmerung. Der Herausgeber Hans Heinz Ewers (selbst kein großer Meister der deutschen Sprache) glaubt sich auch berechtigt, Panizzas Erzählungen zu verbessern, da ihm der Stil nicht gefällt. Erwähnt sei hier noch der 1913 erschienene Privatdruck des Liebeskonzils mit Zeichnungen von Alfred Kubin (1991 erschien hiervon ein Reprint in der Edition Spangenberg). Die 1926 erschienene Schrift In memoriam Oskar Panizza enthält zahlreiche Fehler, wird auch kaum wahrgenommen, da sie im Eigenverlag erschienen ist. Dann herrscht wirklich Grabesruhe, nicht zuletzt wegen Panizzas Familie, die es am liebsten gehabt hätte, wenn von diesem schwarzen Schaf nicht mehr geredet würde. Während des Krieges, bis in die fünfziger Jahre war nicht an Panizza zu denken.
Dann auf einmal: 1960 erscheint das Liebeskonzil in Frankreich (Le concile d’amour; in der Übersetzung von Jean Bréjoux, im Verlag von Jean Jacques Pauvert, der mit seiner Sade-Ausgabe bereits für einen Skandal gesorgt hatte). Kein Geringerer als André Breton stellt in seinem Vorwort das Drama in eine Reihe mit Dante, Milton, Goethe, Hugo und anderen Größen der europäischen Kulturgeschichte. Das wird auch in Deutschland wahrgenommen. 1962 erscheint ein längerer Artikel über Panizza in Der Spiegel (Nr. 10, S. 81ff.), in dem Breton als „Panizza-Wiederentdecker“ gefeiert wird. 1964 erscheint Das Liebeskonzil und andere Schriften (hg. von Hans Prescher) endlich wieder in Deutschland im Luchterhand Verlag. 1969 dann die Uraufführung im Théâtre de Paris unter der Regie von Jorge Lavelli, der das Stück dann auch 1973 im Hamburger Ernst-Deutsch-Theater inszeniert. Korrigierend muss hier erwähnt werden, dass das Stück bereits 1967 in einem kleinen Wiener Kellertheater unter der Regie von Renée Heimes aufgeführt worden ist. Das ist also die eigentliche Uraufführung, wie Sylvia Wagner in ihrer Magisterarbeit (Wider die Religion Das Liebeskonzil von Oskar Panizza... Wien 1993) herausgefunden hat. Wenn man nicht Kurt Martens (1870-1945) glauben möchte, der in seinem 1898 erschienenen Roman aus der Décadence von einer privaten (vermutlich aber von ihm erfundenen) Aufführung des Dramas erzählt.
Nun aber ist der Weg offen für zahlreiche Publikationen der Werke Panizzas. Von der Familie kommt kaum noch Widerstand, man hält dort aber schön die Hände auf, wenn es um Tantiemen geht... Besonders verdient gemacht hat sich hier der Münchner Verlag Matthes & Seitz, in dem einige Bände erschienen sind. Außer den hier bereits erwähnten Publikationen ist die Veröffentlichung der „gesammelten Erzählungen“ unter dem Titel Der Korsettenfritz (1981) zu nennen. Die Erzählungen wurden hier erstmals wieder in der von Panizza gewollten Form publiziert. 1984 erscheint dann endlich eine maßgebliche Biographie von Michael Bauer: Oskar Panizza. Ein literarisches Porträt (Hanser Verlag). Auch in Frankreich sind noch einige Bücher von Panizza erschienen, sogar die Gefängnisaufzeichnugnen wurden übersetzt: Ecrits de prison (Paris: Editions Ludd 1994).
Zahlreiche Aufführungen des Liebeskonzils folgen, eine komplette Liste hat Peter D. G. Brown zusammengestellt (bis 2004; in seiner Faksimile-Ausgabe des Stücks: München: Belleville Verlag 2005, S. 252-254). 1996 wurden einzelne Szenen des Stücks im Bayreuther Plakatmuseum aufgeführt. Zehn Jahre später brachte dann die Bayreuther Studiobühne eine Gesamtaufführung im Ruinentheater der Bayreuther Eremitage (Regie: Brigit Franz) auf die Bühne. Erwähnt sei hier noch die Aufführung des Teatro Belli in Rom (Il concilio d’amore; 1981. Regie: Atonio Salines), denn mit dieser Truppe hat Werner Schroeter das Stück verfilmt; die Uraufführung war bei der Berlinale am 21. Februar 1982. Im Sommer 2003 konnte ich zu Panizzas 150. Geburtstag eine Ausstellung in der Bayreuther Universitätsbibliothek zeigen (im Rahmen des Studiengangs „Literaturwissenschaft: berufsbezogen“). Diese Ausstellung wurde im Herbst auch in seiner Geburtsstadt Bad Kissingen gezeigt – im dortigen Bismarck-Museum: Darüber hätte sich Panizza besonders gefreut, denn Bismarck war ja für ihn der Retter des deutschen Reiches. Zu diesem runden Geburtstag durfte ich sogar einen Artikel im Bayernkurier veröffentlichen (17.7.2003, S. 20: „Voll Wut und Kraft“). Damit wurde Panizza von der CSU abgesegnet und seinem weiteren Erfolg steht nun nichts mehr im Wege...
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