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22.05.2013, 12:17 Uhr
Joachim Schultz
Oskar Panizza-Reihe
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Oskar Panizza schuf mit der satirisch-grotesken Himmelstragödie "Das Liebeskonzil" (1894) den Anlass für einen der skandalösesten Blasphemieprozesse der deutschen Literaturgeschichte. Seit Oktober 2012 liest Joachim Schultz wöchentlich Werke von Oskar Panizza und begleitet ihn auf seinen Lebensstationen.

Panizza-Blog [31]: Panizzas Tod

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George Grosz, der 1917/18 eine „Widmung an Oskar Panizza“ malte

Panizza ist in der Klinik verschwunden. Man hört nichts mehr von ihm. Einige seiner Freunde glauben, er sei gestorben. Aber er ist nicht ganz vergessen. 1917/18 malt George Grosz das Bild „Widmung an Oskar Panizza“. Es zeigt die verderbte bürgerliche Gesellschaft dieser Jahre, die für Grosz jener Gesellschaft gleicht, die Panizza in seinem Liebeskonzil dargestellt hat. Am 28. September 1921 stirbt Panizza nach mehreren Schlaganfällen, er wird auf dem Städtischen Friedhof in Bayreuth beigesetzt. Seine Familie weigert sich, einen Grabstein aufstellen zu lassen. Sie verhindert  auch nicht, dass das Grab nach einigen Jahren neu belegt wird (die Stelle ist bekannt: Abteilung NW 2, 0507). 1926 veröffentlicht Horst Stobbe eine Broschüre mit dem Titel In Memoriam Oskar Panizza (München, Selbstverlag). Sie enthält die bereits erwähnte Selbstbiographie, die Panizza 1904 auf Bitte der Ärzte noch in der Münchner Kreisirrenanstalt geschrieben hat. (Nachzulesen in: Der Fall Oskar Panizza... Hg. von Knut Boeser. Edition Hentrich. Berlin 1989, S. 8-14.). Sie enthält neben weiteren Dokumenten auch zwei Gedichte (in: Boeser, a.a.O., S. 192f.). Das erste stammt aus dem Jahr 1904 und trägt den Titel „Ein Poet, der umsunst gelebt hat“, es endet mit den Versen:

Ich hab umsunst gelebt – der Atem stockt. –
Schon rührt der Tod ihn an, vom bleichen Munde
Der Lebenshauch in seinem Geist entschwebt, –
Und spottend ruft das Echo in der Runde
Kein liebes Wort ihm nach: ‚Umsunst gelebt.’

Im zweiten Gedicht aus dem Jahr 1909 mit dem Titel „Die geheime Krankheit“ schildert Panizza die Zustände in einer Nervenheilanstalt. Es beginnt mit den Versen:

Mit Blicken an den Boden hingeheftet –
So schreiten sie wohl über Gartensand,
Der eine voll-, der andre halbentkräftet,
Mit blauen Ringen um den Augenrand;
Es sind recht viele matt und scheu, entsäftet –
Und suchen Heilung hier im fremden Land.

Und in einer Nachschrift heißt es:

Sie tuen, in dem Himmel oben,
Als hätt’ der liebe Gott sie lieb; –
Doch ist das Schicksal erst gewoben,
Heißt’s: Lump und Galgenstrick und Dieb.

Da fragt man sich unwillkürlich: Sind wir denn heute weiter gekommen? Werden Menschen mit psychischen Krankheiten nicht auch noch heute diskriminiert? Dabei beginnt schon zu Panizzas Lebzeiten eine Gegenbewegung. 1919 bekommt der Psychiater Hans Prinzhorn (1886-1933) in der Heidelberger Universitätsklinik die Aufgabe, künstlerische Arbeiten von Geisteskranken zu archivieren. Als er nach zwei Jahren die Klinik wieder verlässt, sind es über 5000 Arbeiten. 1922 erscheint sein bahnbrechendes Werk Die Bildnerei der Geisteskranken. In Heidelberg hat man weiter gesammelt, seit einigen Jahren gibt es dort ein eigens für diese Sammlung errichtetes Museum. Und im Archiv sind auch Panizzas Zeichnungen gelandet, knapp 40 Blätter. Kuriose Zeichnungen, einige sind an den französischen Politiker Léon Gambetta (1832-1882) gerichtet, auf einigen hat Panizza einige Wörter, auch mal kürzere, aber unzusammenhängende Texte notiert. Zum Beispiel: „das ist  die / Pfannkuchen-Marie / aus der Schlosskirche / zu Bayreuth / sie liebt die ganze Welt / oha!“ Dazu ein lächelnder Kopf. Im Münchner Belleville Verlag sind alle Zeichnungen in einem schwarz eingebundenen Band erschienen (1989), darauf in roter Handschrift der Titel „Pour Gambetta“. So endet Oskar Panizza. Die Nachwelt mag entscheiden, ob er wirklich „umsunst“ gelebt hat. Berücksichtigen sollte man dabei Panizzas ‚Nachleben‘ von seinem Tod bis heute. Davon mehr das nächste Mal...

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