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Plakat zur Ausstellung "Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung 1894-1933" (2018)

München, Theresienstraße 31

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Theresienstraße 34-38 um 1905, DE-1992-FS-NL-PETT1-3643 (c) Stadtarchiv München

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bedeutet das Ende der modernen bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland. Um der Gleichschaltung zu entgehen, löst sich 1933 auch der Bund deutscher Frauen auf.

All das, was die bürgerliche Frauenbewegung propagiert hat, ist seit 1933 kein Thema mehr. In der nationalsozialistischen Ideologie ist kein Platz für die selbstbestimmte und politisch aktive Frau, so wie sie von der modernen Frauenbewegung entworfen worden ist. Der Lohngleichheitsgrundsatz und das aktive Wahlrecht werden wieder abgeschafft bzw. letzteres verkommt zu Scheinwahlen. Die Frau wird nun auf ihre „natürliche“ Rolle als Mutter, „Kampf und Lebensgefährtin des Mannes“ zurückgeworfen. In einer Rede, die Hitler am 13. Mai 1935 vor dem Frauenkongress in der Luitpoldhalle Nürnberg hält, findet sich auf wenigen Seiten eine komprimierte Darstellung seiner Vorstellung über die Rollenverteilung von Mann und Frau im Nationalsozialismus. Einige Sätze daraus vermitteln unmissverständlich, was seit 1933 für die deutsche Frau angesagt ist:

Zunächst stehen wir der Frau gegenüber als der ewigen Mutter unseres Volkes und zum zweiten stehen wir ihr gegenüber als die ewige Lebens-, Arbeits- und auch Kampfgefährtin des Mannes. Aus diesen beiden Gesichtspunkten heraus ergibt sich die besondere Einstellung, die der Nationalsozialismus der Frau gegenüber einnimmt. Sie ist sehr verschieden von der Einstellung unserer jüdisch-marxistisch internationalen Welt. [...] Die Frau hat auch ein Schlachtfeld. Mit jedem Kind, das sie der Nation zur Welt bringt, kämpft sie diesen Kampf durch. Das ist ihr Kampf für die Nation. Und der Mann hat seinen Kampf, der Mann tritt für das Volk ein, genauso wie die Frau für die Familie eintritt. Der Mann tritt für die Gesamtheit der Volksgenossen ein, genau wie die Frau eintritt für die Kinder, denen sie selbst das Leben schenkt.

Der Verein für Fraueninteressen bleibt zwar bestehen, muss aber seit 1933 erleben, wie seine Arbeit immer mehr beschnitten wird. Tatsächlich gibt es für die Zeit von 1933 bis 1945 kaum Informationen. Mitgliedertreffen in diesen Jahren mit Referaten über Die Frauenbewegung in München, Rückblick und Ausblick und Unser Gedankengut und die Zukunft erinnern an die Tradition der Frauenbewegung. In den Jahresberichten von 1933 bis 1936 hält man sich zurück. Sie verschleiern und enthalten vor allem Statistiken über die sozialen Einrichtungen. Man erfährt nichts mehr über den Mitgliederkreis oder darüber, was mit den ehemals vielen jüdischen Mitgliedsfrauen passiert. Auch nichts über die Stellung zum Deutschen Frauenwerk (DFW), dem nationalsozialistischen Frauenverband, der im Oktober 1933 geschaffen wird und der mit der NS-Frauenschaft als Sammelbecken für die zahlreichen gleichgeschalteten Frauenvereine der Weimarer Republik fungiert.

Tatsächlich sind die Jahre seit 1933 gekennzeichnet vom Überlebenskampf des Vereins. Möglicherweise entgeht er ganz der Zerstörung, weil 1935 Dr. Gisela Mauermayer-Schmidt zur Vorsitzenden gewählt wird. Sie, bereits seit 1919 Mitglied im Verein für Fraueninteressen, ist auch Mitglied der NSDAP. Damit genügt der Verein zumindest äußerlich den Anforderungen der Partei. Wie der Verein aber tatsächlich der Auflösung entgangen ist, ist bis heute unklar.

Am 1. April 1935 verlegt der Verein sein Büro in die Theresienstraße 31. Die Vereinsarbeit ist zu diesem Zeitpunkt bereits stark eingeschränkt. Am 21. Januar 1936 findet die letzte Mitgliederversammlung statt. In der Zeit von 1937-1945 wird die Vereinsarbeit dann völlig eingestellt. Der Verein veranstaltet nur noch geheime Zusammentreffen im kleinsten Kreis und verwaltet Milchkioske. Anfang 1945 werden die Geschäftsräume des Vereins für Fraueninteressen dann völlig zerstört. Der Verein verliert sämtliche Unterlagen über die bisherige Arbeit und seine Bibliothek mit ca. 1400 Titeln. Es ist der 2. Vorsitzenden Gräfin Bothmer zu danken, dass sie einen Kreis von Frauen in diesen Jahren zusammenhält. Dazu gehören: Dr. Anna Freund, Dr. Karola Lutz, Dr. Maria Otto, Dr. Auguste Steiner und einige andere. Sie werden die sein, die nach 1945 die Vereinsarbeit wieder aufnehmen werden.

Auch nach 1945 ist kein Platz für die selbstbestimmte Frau. Die treusorgende Hausfrau ist die Realität der 1950er- und 1960er-Jahre. Die volle rechtliche Gleichstellung der Frauen wird erst wieder 1949 in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verankert.

Noch bis zum Jahr 1972 schreibt das bürgerliche Gesetzbuch vor, dass die Ehefrau, will sie arbeiten, dazu die Erlaubnis von ihrem Ehemann einholen muss. Erst 1977 wird dieses Gesetz geändert. Doch bis zum 1. Juli 1958 darf der Ehemann auch den Anstellungsvertrag seiner Frau fristlos kündigen und bis 1958 hat er sogar das alleinige Bestimmungsrecht über seine Frau und die Kinder inne. Und selbst wenn er seiner Ehefrau erlaubt zu arbeiten, so darf er doch auch ihren Lohn verwalten. Ohne Zustimmung des Mannes dürfen Frauen bis 1962 auch kein eigenes Bankkonto eröffnen, ja erst nach 1969 wird eine verheiratete Frau überhaupt als geschäftsfähig angesehen. Lehrerinnen müssen bis 1951 (in Baden-Württemberg sogar bis 1956) zölibatär leben. Der sogenannte Lehrerinnen-Zölibat ist in Deutschland gesetzlich verankert. Falls sie dann doch einmal heiraten, müssen sie ihren Beruf aufgeben. Man ist der Auffassung, dass sie entweder komplett für die Erziehung fremder Kinder zur Verfügung stehen oder sich eben völlig um den eigenen Nachwuchs kümmern sollen.


Tatsächlich findet seit 1933 ein Rückfall in die Verhältnisse vor 1900 statt, und man muss feststellen, dass sich nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Literatur- und Kulturgeschichte bis heute davon nicht erholt hat. Tatsächlich ist erst seit ein, zwei Generationen all das wieder angesagt, wofür die bürgerliche Frauenbewegung, wofür die Frauen bis vor dem Ersten Weltkrieg gekämpft haben. Und so stellt sich auch die Frage, ob somit nicht auch erst seit den 1980er- und 1990er-Jahren günstige Rezeptionsbedingungen für diese Frauen und Schriftstellerinnen vorhanden sind, deren Vergessensein eng mit den Ereignissen des Ersten und Zweiten Weltkrieges zusammenhängt und der Herrschaft der Nationalsozialisten.

 

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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Rede Hitlers vor dem Frauenkongress in der Luitpoldhalle Nürnberg am 13. Mai 1935. NM 44, Bd. 1, S. 74.

Richardsen, Ingvild (2017): Vergessen. Warum? In: Auf den Spuren der vergessenen Dichterinnen von Frauenchiemsee. Volk Verlag, München.

Dies. (2018): Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne 1894-1933. Volk Verlag, München.

Verein für Fraueninteressen (Hg.) (1994): Renate Lindemann: 100 Jahre Verein für München, S. 63ff.